Direns letzte Worte
Der Feind wollte uns lebend fassen und zur Kapitulation zu bewegen. Er rief vor allem uns Frauen dazu auf, uns dem türkischen Staat zu ergeben. Wir lachten nur über diese Aufrufe und antworteten mit Trillern und Parolen.
Der Feind wollte uns lebend fassen und zur Kapitulation zu bewegen. Er rief vor allem uns Frauen dazu auf, uns dem türkischen Staat zu ergeben. Wir lachten nur über diese Aufrufe und antworteten mit Trillern und Parolen.
Alle Guerillakämpfer:innen können Geschichten über ihren Widerstand erzählen, denn das ist ihre Bestimmung. Je größer der Widerstand wird, desto mehr Geschichten gibt es, die weitererzählt und aufgeschrieben werden sollten. Sie fließen als Momentaufnahmen in die Geschichte Kurdistans ein. Mitten im Krieg ist jeder Moment bei der Guerilla Stoff für eine Legende, so auch der Widerstand in Aris Faris.
Diren war eine der Kämpfer:innen, die den Guerillatunnel im Gebiet Aris Faris in der Avaşin-Region verteidigt haben. Sie war Teil der Gruppe, die nach diesem großen Widerstand ihre Weggefährt:innen erreichte und davon berichten konnte. Bevor sie zu einer weiteren Aktion aufbrach, erzählte sie vor der Kamera, was sich im Tunnel in Aris Faris abgespielt hat. Diren Raman ist am 12. Juli 2021 zusammen mit drei weiteren Kämpfer:innen in Avaşin gefallen.
„Ich habe im Rahmen der revolutionären Offensive Bazên Zagrosê [Zagros-Falken] am Widerstand in Aris Faris teilgenommen. Je mehr über die dortigen Geschehnisse berichtet wird, desto deutlicher wird die Brutalität der Angriffe des Feindes. Nach dem Kampf am Mamreşo hat sich der Feind dem Gebiet Aris Faris zugewendet. Sein Ziel war es, uns lebend zu fassen und zur Kapitulation zu bewegen. Er ging davon aus, dass wir unseren Willen, unsere Verbundenheit mit unserer Partei und alle Werte, an die wir glauben, beiseite legen und uns dem türkischen Staat ergeben. Das waren seine Erwartungen, aber was dann geschah, war das genaue Gegenteil. In den Tunneln wurde Widerstand gegen den Feind geleistet. Beim ersten Angriff und danach haben wir ständig interveniert. Der Feind geriet in einen Schockzustand, als er sah, dass seine gegen uns eingesetzten Waffen wirkungslos waren und wir in dieser Form Widerstand leisten. Deshalb setzte er auf Propaganda und rief uns dazu auf, uns zu ergeben. Er sagte, der Staat werde uns schützen. Diese Aufrufe richteten sich vor allem an die Frauen unter uns: ,Was ihr lebt, ist doch kein Leben. Der Staat kann euch alles geben, was ihr euch wünscht. Ihr seid Frauen, für euch ist es besser, wenn ihr euch ergebt.' Wir Frauen sollten zur Kapitulation bewegt werden. ,Die Männer müssen nicht kommen, aber ihr solltet euch ergeben. Wir beschützen euch besser als sie', sagten sie.
Wenn wir ihre Stimmen hörten, wurden wir noch wütender. Die Soldaten wussten ja selbst, dass wir uns dieser Bewegung niemals angeschlossen hätten, wenn wir so veranlagt wären, dass wir uns für Essen und Trinken ergeben würden. Was für uns zählt, ist die Verbundenheit mit den Gefallenen und mit Rêber Apo [Abdullah Öcalan]. Das was sie uns anboten, war völlig nebensächlich. Wir lachten nur über ihre Aufrufe. Als sie begriffen, dass wir nicht kapitulieren werden, beschimpften sie uns. Wir antworteten darauf mit Trillern und Parolen. Das machte sie verrückt. Danach sagten sie: ,Wenn ihr euch nicht ergebt, setzen wir andere Sachen ein. Wie am Mamreşo werden wir auch hier Chemiewaffen benutzen, wir werden euch vernichten.’ Und jedes Mal, wenn sie zu reden begannen, fand eine Aktion gegen sie statt.
Der Feind war schockiert von dem Widerstand, der selbstlosen Haltung und der Verbundenheit der Freund:innen im Tunnel. Diese Haltung war wie eine Barrikade gegen den Feind. Wir waren in einer Stellung, die viel Arbeit gekostet hatte. Sie wurde verteidigt. Der Feind machte zwar Propaganda und behauptete, dass wir keine Munition und nichts mehr zu essen hätten, aber die Waffen und Taktiken, die wir gegen ihn einsetzten, verblüfften ihn. Die Freund:innen ließen nicht zu, dass er in den Tunnel kommt. Sie kämpften bis zum Schluss dafür, das Eindringen des Feindes zu verhindern und ihm keinen Einblick in unsere Stellungen zu gewähren. Es wurde die feste Entschlossenheit deutlich, den Gefallenen gerecht zu werden. Eine der Kämpferinnen war Heval Amara. Sie entschied sich zu einer Fedai-Aktion, um den Feind scheitern zu lassen. In dem Tunnel war nur eine einzige Einheit, die mit ihren Aktionen immer noch das Eindringen des Feindes verhinderte.
Wir kennen den Feind und wir wissen inzwischen, wie weit er mit seinen brutalen Methoden geht. Als YJA Star werden wir Avaşîn nicht verlassen, bis wir unsere gefallenen Freund:innen gerächt haben. Aris Faris war bereits in der Geschichte ein Widerstandsgebiet und auch jetzt ist überall das Blut unserer gefallenen Freund:innen. Als Falken vom Zagros werden wir sie auf jeden Fall rächen. Wir werden ihre Träume weiterleben und ihre Aktionen fortsetzen. Niemand von uns wird wie früher kämpfen. Ich werde nicht mehr wie Diren kämpfen, auch die anderen kämpfen nicht mehr nur wie sie selbst. Wir kämpfen jetzt mit dem Geist der Gefallenen, mit dem Widerstandsgeist in ihren Herzen, der sie bis zuletzt hat kämpfen lassen. Ihr Kampf ist nicht vorbei. Wir sind ihre Nachfolgerinnen und werden ihren Widerstand fortsetzen. Ihre Fahne ist niemals auf den Boden gefallen und wird es auch nie tun. Je mehr der Feind angreift, desto größer wird unsere Verbundenheit und desto heftiger werden wir ihm zusetzen.“