„Die Lösung liegt im gemeinsamen Kampf“

Der KODAR-Vorsitzende Fuad Bêrîtan weist auf die Aufstände im Iran und in Rojhilat hin und sagt: „Der einzige Weg zu Gleichheit und Freiheit ist der gemeinsame Kampf der Völker.“

Seit der Ermordung der Kurdin Jina Amini dauert der Aufstand im Iran und in Rojhilat (Ostkurdistan) an. Die Parole des Aufstands „Jin Jiyan Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) ist zum Slogan des gemeinsamen Widerstands geworden. Dass diese Parole vom kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan geprägt wurde, zeigt die Verbindung zwischen Öcalan, der Freiheitsbewegung und dem Widerstand für Demokratie und Geschlechterbefreiung im Nahen und Mittleren Osten. Der Ko-Vorsitzende der ostkurdischen Bewegung für Freiheit und Demokratie (KODAR), Fuad Bêrîtan, äußert sich im ANF-Gespräch zum Aufstand in Rojhilat und im Iran.

Alle Teile der Gesellschaft haben sich erhoben“

Fuad Bêrîtan bezeichnet die Isolation Öcalans als „inakzeptabel“ und ruft zum Kampf gegen das „System der Folter“ auf Imrali auf. Er sagt: „Die Jin-Jiyan-Azadî-Revolution fand im ganzen Iran und Rojhilat Widerhall und erhielt Unterstützung aus der ganzen Welt. Im Iran herrscht ein größeres Chaos und eine größere Krise als in vielen anderen Ländern. Arbeitslosigkeit, Armut, Verfolgung und Unterdrückung der gesamten Gesellschaft, insbesondere von Frauen und Jugendlichen, durch den iranischen Staat nehmen von Tag zu Tag zu. Alle Teile der Gesellschaft stellen sich gegen diese Situation und haben sich gegen die Unterdrückung erhoben.“

Volksfront im Iran und Rojhilat aufbauen“

Fuad Bêrîtan spricht von einer neuen Epoche, die mit dem Aufstand im Iran und Rojhilat begonnen habe: „Das Wichtigste ist jetzt, eine demokratische Front zu bilden, die die bestehenden Aufstände und Demonstrationen wirksam lenken und die Rechte und Forderungen des Volkes durchsetzen kann. Die Verwirklichung einer demokratischen und gemeinsamen Volksfront ist der einzige Weg, um Gleichheit und Freiheit zu erreichen. Das derzeitige System bringt den Menschen nichts als Unterdrückung und Verfolgung. Auch der türkische Staat versucht derzeit, die Schwachstellen des Iran im Sinne seiner Interessen auszunutzen und ihn an seiner Seite in den Krieg zu ziehen. Die kurdische Freiheitsbewegung, die sich dank der Guerilla auf einem Höhepunkt ihrer Stärke befindet, hat diese Pläne des türkischen Staates entlarvt.“

Kein Staat kann seine Ziele mit Exekutionen und Verhaftungen erreichen“

Zum aktuellen Aufstand im Iran und Rojhilat erklärt Fuad Bêrîtan: „In diesen Tagen ist auf den Straßen Irans eine neue Art des Kampfes entstanden, angeführt von Frauen und Jugendlichen. Wenn der Staat nicht in der richtigen Weise auf die Forderungen der Menschen eingeht und diese beantwortet, wird er morgen keine Gelegenheit mehr dazu finden. Die einzige Möglichkeit für den iranischen Staat, aus dieser Krise herauszukommen, besteht darin, die kurdische Frage und die Probleme der Völker des Iran mit demokratischen Mitteln zu lösen. Die Islamische Republik Iran sollte sehr genau wissen: Keine Macht oder kein Staat kann seine Ziele mit einer Politik der Exekutionen, Verhaftungen und Angriffen auf Protestierende, Arbeiter:innen und Oppositionelle erreichen.

Demokratisches Bündnis wird zur Lösung führen“

Jetzt hat das iranische System und die Regierung zwei Möglichkeiten: entweder zu kämpfen oder sich für einen kulturellen und demokratischen Wandel zu entscheiden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Ursache für die gegenwärtigen Probleme und Schwierigkeiten des Iran im Mangel an Demokratie und in der Nichtbeachtung der Forderungen des kurdischen Volkes und anderer Völker liegt. Der iranische Staat hat es bisher nicht geschafft, dem Volk etwas anderes zu geben als Hinrichtungen, Tragödien und Armut. Heute sind die Kurdinnen und Kurden im gemeinsamen Kampf mit allen anderen Völkern zur führenden Kraft des demokratischen Bündnisses geworden. So wie die Teilung Kurdistans zur Krise im Nahen Osten geführt hat, wird die Bildung eines demokratischen Bündnisses zwischen den Kurd:innen und anderen unterdrückten Völkern im Iran zur Lösung dieses Problems, der Krise und der Spannungen führen.

Es geht nicht um Teilung oder Zerstörung des Landes“

Das kurdische Volk und die Freiheitsbewegung haben das geeignetste Projekt für den Nahen Osten. Sie können den Iran zu einem demokratischen, beispielhaften Land in der Region machen. Es geht nicht darum, das Land zu teilen oder zu zerstören. Das kurdische Volk benötigt das gar nicht. Das kurdische, belutschische und die anderen Völker haben sich für eine demokratische Option entschieden. Das System und das Modell in Rojava zeigen uns, dass die Kurd:innen nicht für eine Spaltung und eine Verschärfung der Krise sind. Das kurdische Volk besteht auf einer demokratischen und echten Lösung."

Es bleibt den Menschen im Iran nur der Massenkampf auf der Straße“

Fuad Bêrîtan unterstreicht, das nationalistische oder nationalstaatlich orientierte Ansätze keine Lösung bringen, und fährt fort: „Die Islamische Republik Iran müsste ihre Politik der Unterdrückung, Hinrichtungen, Folter, Verbote, Morde und Entführungen aufgeben. Je mehr der Staat davon absehen würde, desto mehr werden die Menschen und die verschiedenen Sektoren Vertrauen gewinnen. Dies würde auch Möglichkeiten für die Lösung langjähriger bilateraler Probleme schaffen. Da es der Regierung jedoch an Willen und Mut fehlt, eine demokratische Lösung für die Probleme zu finden, bleibt der Bevölkerung nur ein Weg: der Massenkampf und der Gang auf die Straße.

Unser Demokratisierungsprojekt beruht auf Freiheit und Organisierung“

Als KODAR haben wir schon vor langer Zeit unser Demokratisierungsprojekt vorgestellt, das auf der Organisierung und der Freiheit des Volkes beruht. KODAR akzeptiert weder den derzeitigen Zustand des Staates, noch lässt sich KODAR von ausländischen Mächten instrumentalisieren. Wir sehen die Demokratisierung und Einheit des iranischen Volkes als die moralischste und politischste Methode an. Die Kurd:innen sind nicht nur ein politisches Moment, sondern sie werden durch die Entwicklung einer neuen Identität und Politik zur führenden Kraft einer demokratischen und freien Gesellschaft.“

Alle müssen sich am Aufstand beteiligen“

Fuad Bêrîtan unterstreicht die Bedeutung der Parole „Jin Jiyan Azadî“ für den Aufstand im Iran und Rojhilat. Die Philosophie von Öcalan habe das Potential, die gesamte Gesellschaft aus dieser Krise zu befreien. Auf dieser Grundlage habe die Beteiligung von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten des Iran am Aufstand das Potential, die Zukunft des Iran zu bestimmen. „Um die Gefahren für den Aufstand zu beseitigen, müssen sich alle Teile der Gesellschaft, insbesondere Frauen und Jugendliche, an den Protesten beteiligen“, betont Fuad Bêrîtan.