Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan ist in Riha (tr. Urfa) eingetroffen, um die Mahnwache von Emine Şenyaşar und ihrem Sohn vor dem Gerichtsgebäude zu unterstützen. Unmittelbar vor der Ankunft der HDP-Delegation wurde die Familie ein weiteres Mal festgenommen. Daraufhin hat Pervin Buldan zusammen mit weiteren Abgeordneten symbolisch die Mahnwache übernommen.
Mit ihrer Aktion vor dem Gericht in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Riha fordert Emine Şenyaşar Gerechtigkeit für ihren Mann und zwei ihrer Söhne, die vor drei Jahren von einem Mob von Verwandten des AKP-Politikers Halil Yıldız ermordet wurden. Der dritte Sohn von Emine Şenyaşar, Fadıl, überlebte den Angriff verletzt, wurde jedoch zu 37 Jahren Haft verurteilt. Unter fadenscheinigen Gründen und ohne eine ballistische Untersuchung wurde er des Mordes am Bruder des Abgeordneten Ibrahim Halil Yıldız beschuldigt. Augenzeugen zufolge wurde dieser durch einen Querschläger der Schüsse der Leibwächter getötet.
Pervin Buldan erklärte bei ihrer symbolischen Mahnwache: „Wir sind gekommen, um am Schmerz der Familie Şenyaşar Anteil zu nehmen und sie in ihrer Forderung nach Gerechtigkeit zu unterstützen. Als wir angekommen sind, mussten wir feststellen, dass die Familie nicht hier ist. Sie ist festgenommen worden, weil wir sie unterstützen wollten. Was hier stattfindet, zeugt von Rechtlosigkeit, Ungerechtigkeit und einem fehlenden Gewissen. Wir haben heute keine Erwartungen mehr an die Justiz und die AKP/MHP-Regierung. Wir wissen, dass unter dieser Regierung kein Rechtssystem mehr existiert. Die Gerechtigkeit wird mit Füßen getreten und von Demokratie kann keine Rede mehr sein. Erwartungen haben wir nur noch an die neue Regierung, die die AKP und MHP nach den möglichen Neuwahlen ersetzen wird. Wer Morde begeht, muss dafür bestraft werden. Wir fordern die sofortige Freilassung von Emine Şenyaşar und ihrer Familie.“
Die Morde von Pirsûs
Zehn Tage vor der Parlamentswahl am 24. Juni 2018 suchte der AKP-Abgeordnete Ibrahim Halil Yıldız in Begleitung von Verwandten und Bodyguards das Geschäft von Hacı Esvet Şenyaşar auf. Nach einer verbalen Auseinandersetzung wurden seine Söhne Mehmet, Celal und Adil Şenyaşar mit Schussverletzungen in ein Krankenhaus gebracht, wo zwei von ihnen letztlich ermordet wurden. Die Gerichtsmedizin stellte bei der Autopsie von Celal Şenyaşar Einschüsse von Kugeln aus mindestens sechs Schusswaffen verschiedenen Kalibers fest. Bei der Untersuchung seines Bruders Adil Şenyaşar wurden an 14 Stellen des Körpers Schnitt- und Stichverletzungen wie auch Schlagverletzungen mit harten Gegenständen festgestellt. Im Bericht heißt es, dass Adil „extremer Gewalt“ ausgesetzt gewesen sei. In seinem Körper wurden siebzehn Kugeln verschiedenen Kalibers gefunden. Von diesen Projektilen waren fünf tödlich. Nur zwei der Geschosse wurden nicht aus dem Nahabstand abgefeuert.
Geschäft zwei Mal innerhalb von zwei Tagen aufgesucht
Zwei Tage vor dem tödlichen Angriff war es beim Wahlkampfrundgang von Yıldız bereits zu einer Diskussion im Geschäft der Şenyaşars gekommen, das die Familie seit 25 Jahren betrieb. Was dann am 14. Juni 2018 in Pirsûs geschah, hielt die HDP in einem Untersuchungsbericht wie folgt fest: „Der AKP-Kandidat Yıldız hat mit seinen Verwandten den Laden der Familie Şenyaşar erneut aufgesucht. Diesmal mündete die verbale Auseinandersetzung in eine Schießerei. Die Brüder Adil, Celal und Ferit Şenyaşar wurden von dem AKP-Kandidaten Yıldız und seinen Begleitern unter Anwendung von Pistolen und Langfeuerwaffen attackiert. Die durch den Angriff verletzten beiden Söhne von Hacı Esvet Şenyaşar wurden in die Notaufnahme des staatlichen Krankenhauses von Suruç eingeliefert. Ein anderer Sohn wurde in das staatliche Krankenhaus Balıklıgöl im Zentrum der Provinzhauptstadt Riha gebracht. Hacı Esvet Şenyaşar selbst hat sich zu Fuß in das Krankenhaus von Suruç begeben.
Überwachungskameras im Krankenhaus zerstört
Auf Betreiben des AKP-Kandidaten zerstörten Verwandte von Ibrahim Halil Yıldız zunächst die Überwachungskameras im Krankenhaus und töteten anschließend einen der Söhne von Hacı Esvet Şenyaşar in der Notaufnahme des Krankenhauses. Ein weiterer Sohn wurde vor dem staatlichen Krankenhaus von Suruç ermordet. Durch Schläge mit einer Sauerstoffflasche auf den Kopf wurde Hacı Esvet Şenyaşar schwer verletzt und in das Krankenhaus 25. Dezember in der Stadt Dîlok (Antep) eingeliefert. Am 15. Juni verstarb Hacı Esvet Şenyaşar, während seine Söhne in Pirsûs beigesetzt wurden.“