Bubo Taş – ein Leben dem Widerstand gewidmet

Wer war Veysi (Bubu) Taş, der sich aus Protest gegen die Isolation Öcalans selbst verbannte? Vom Kerker von Amed bis zu seinem Tod war sein Leben von Widerstand gezeichnet.

Bevor Veysi Taş sich selbst in Brand steckte, erinnerte er an die Worte des ermordeten kurdischen Intellektuellen Musa Anter: „Ich bin sowohl Zeuge als auch Angeklagter in diesem Fall.“ Veysi Taş, der unter dem Namen „Bubo“ bekannt war, begründete seine Selbstverbrennung am 12. Januar 2023 in einer Videobotschaft: „Ich führe diese Aktion heute Abend für Abdullah Öcalan, den Repräsentanten von Kurdistan, persönlich durch. Er befindet sich seit 22 Monaten in Isolationshaft. Ich verurteile diese Isolation. Wenn unser Repräsentant, der seit 22 Monaten totalisoliert ist, nicht sprechen darf, dann müssen wir als Kurden für ihn eintreten. Andernfalls werden wir alle auf diesem Weg einer nach dem anderen vernichtet werden.“


Aus dem Kerker von Diyarbakır bis in den Stadtrat

Der 66-Jährige starb an seinen schweren Verbrennungen. Doch wer war Veysi (Bubo) Taş? Er war einer der vielen kurdischen und türkischen Revolutionär:innen, die mit dem Militärputsch am 12. September 1980 inhaftiert wurden. Er kam in die berüchtigte „Hölle Nr. 5“, in den Kerker von Amed (tr. Diyarbakır), wo er schwer gefoltert wurde. Er befand sich im selben Block mit den Führungskadern der kurdischen Freiheitsbewegung, unter anderem mit Mehmet Hayri Durmuş. Es war der Ort, an dem Ali Çiçek, Akif Yilmaz, Mehmet Hayri Durmuş und Kemal Pir am 14. Juli 1982 in ein „Todesfasten“ gegen das Unterdrückungsregime der Junta eintraten. Alle vier Revolutionäre verloren im Verlauf des Hungerstreiks ihr Leben. 1986 wurde Taş aus dem Gefängnis entlassen. Trotz seiner schweren Verletzungen durch die Folter setzte er seine politische Arbeit fort. Als die Zeit der kurdischen Parteien begann, engagierte er sich in ihnen. Zuerst in der DEP, nach deren Verbot in der HADEP, nach deren Verbot in der DEHAP und so weiter, bis hin zur DTP und DBP. Zwischen 2009 und 2014 war Bubo Taş für die kurdische DBP Mitglied des Stadtrats von Ertuqî (tr. Artuklu) und auch in der 78er-Vereinigung aktiv. Als 78er-Stiftung organisieren sich türkische und kurdische Intellektuelle, Journalist:innen und Schriftsteller:innen, die sich zur politischen Generation der „78er“ zählen. Eine Generation, die durch den Militärputsch 1980 praktisch vollkommen ausgelöscht worden war. Die 78er-Stiftung will eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Militärdiktatur und die Rehabilitation aller damals Verfolgten. In einem politischen Verfahren wurde Taş im Oktober 2021 erneut verhaftet und im Juni 2022 entlassen.

Opferbereit und kreativ“

Mehmet Şükrü Değirmenci ist einer derjenigen, die viele Jahre lang mit Bubo Taş in der BDP politisch gearbeitet haben. Er erinnert sich: „Er war ein kluger Mensch. Er hat nie aufgehört zu arbeiten, er war aufopferungsvoll. Er war auch aufrichtig und ehrlich. Er dachte nie an etwas Schlechtes. Er stützte sich darauf, seine Arbeit auf dieser Grundlage zu verrichten und die Menschen im Rahmen dieser Prinzipien zu organisieren. Er wollte seine ganze Arbeitskraft für sein Volk einsetzen, sich selbst für sein Volk einsetzen. Aus diesem Grund konnte er an manchen Tagen nicht einmal seine Kinder und seine Familie sehen. Er war immer in der politischen Arbeit aktiv. Wenn wir wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten, war er kreativ, auch wenn es keine Möglichkeiten gab. An manchen Tagen arbeitete er bis in den Morgen hinein auf der Straße. Egal, welche Arbeit ihm aufgetragen wurde, es gab kein Nein für ihn. Er verrichtete seine Arbeit mit ganzem Herzen, mit Freude und immer mit einem Lächeln im Gesicht. Er wollte keine Unzulänglichkeiten haben. Wenn er wegen eines Mangels kritisiert wurde, sagte er: ‚Kritik lässt uns wachsen. Sie wird uns weiterbringen‘. Er nahm die Kritik an und entwickelte sich auf dieser Grundlage weiter.“

Er hat anderen Kraft und Moral gegeben“

Değirmenci berichtet, Bubo Taş habe ihnen Kraft gegeben, wenn er von seinen Erfahrungen im Kerker von Amed während und nach dem Militärputsch vom 12. September erzählte: „Er war am meisten von Hayri (Durmuş) beeindruckt. Er erzählte von vielen seiner Freunde, aber besonders von Hayri. Hayri war im Gefängnis sehr an ihm interessiert. Er hat ihn nicht allein gelassen, er hat ihm geholfen. In Bubos Leben war alles miteinander verknüpft, wie in der Dialektik. Seit 1980 hat er nicht mehr für sich selbst gelebt. Er hat sich kein eigenes Leben aufgebaut. Den Weg, den er von Anfang an ging, beschritt er auch am Ende.“

Mein Kopf ist aufrecht“

Der Neffe von Bubo Taş, Necdet Taş, sagt: „Seine Familie war das Wichtigste in seinem Leben. Sein erstes Ziel war die Arbeit auf der Linie der Partei, der Bewegung. Seit er 14 Jahre alt war, kämpfte er diesen Kampf und war aktiv. Er war oft im Gefängnis, erst vor sechs Monaten wurde er zuletzt entlassen. Aber er ist nie Kompromisse eingegangen und hat seine Linie nie geändert. Wir konnten ihm nicht viel helfen, wir fragen uns, wie viel wir ihm hätten helfen können. Deshalb sind wir traurig. Er hat seinen Wunsch bereits geäußert. Wir mögen traurig sein, aber unser Haupt ist erhoben, denn er hat einen ehrenvollen Weg beschritten, nicht für etwas Materielles oder Persönliches, sondern für ein großes Ziel. Wir ehren ihn mit Respekt.“

Bubo hat seine Aufgabe erfüllt“

Necdet Taş stellt fest, dass Bubo Taş mit seiner Lebenseinstellung, seiner politischen Arbeit und seinen Beziehungen zu seinen Nachbarn und Freunden einen wichtigen Einfluss auf die Gesellschaft hatte: „Wenn es ein Problem gab, griff Bubo Taş ein und das Problem wurde gelöst. Er war ein weiser Mensch. Er war mit den Freunden zusammen im Kerker von Amed und nahm von dort sehr wichtige Dinge mit, lernte viel und verbreitete sein Wissen. Er hat uns in diesem Sinne erzogen.“ Necdet Taş war erst sieben Jahre alt, als Bubo Taş 1980 im Kerker von Amed saß. Er beschreibt: „Wir waren eine Gesellschaft, die nichts wusste. Dank dieser Partei hat sich unser Volk im eigenen Sinn weiterentwickelt. Ich glaube, Bubo hat seine Pflicht erfüllt.“

Ein Kämpfer gegen die Isolation“

Bubo Taş wollte nicht in seinem Bett sterben, sondern sein Leben hoch erhobenen Hauptes im Dienste des kurdischen Volkes beenden, sagt Necdet Taş und fährt fort: „Das hat er immer gesagt. Und er tat, was er sagte.“ Sein Neffe schließt mit den Worten: „Es haben sich schon so viele unserer Freundinnen und Freunde bei Aktionen geopfert. Er war ein Kämpfer auf diesem Weg. Er hat diese Aktion gegen die seit 22 Monaten andauernde Totalisolation unseres Repräsentanten durchgeführt.“