Aygül Doku zu Bewährungsstrafe verurteilt

Weil sie den Stiefvater des Verdächtigen beim Verschwinden ihrer Schwester Gülistan Doku bedroht haben soll, ist Aygül Doku zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Die Schwester der seit über zwei Jahren vermissten Studentin Gülistan Doku ist zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die 2. Strafkammer des Landgerichts in der nordkurdischen Provinz Dersim sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass Aygül Doku sich wegen Bedrohung des Ex-Polizisten Engin Yücer strafbar gemacht habe. Außerdem wurde die 30-Jährige zu einer Geldstrafe in Höhe von 2240 Lira verurteilt, unter anderem wegen Sachbeschädigung. Der Freiheitsentzug wurde zur Bewährung ausgesetzt, die Geldstrafe in eine Verwarnung mit Strafvorbehalt umgewandelt.

Grundlage der Anklage gegen die beim Prozess abwesende Aygül Doku ist eine versuchte Verhinderung des Umzugs von Engin Yücel aus Dersim. Doku hatte im Frühjahr 2020 in einer Verzweiflungstat versucht, den fluchtartigen Domizilwechsel des suspendierten Polizisten zu sabotieren. Dabei hatte sie Gegenstände wie einen Staubsauger und Stühle aus dem Umzugswagen geworfen und gerufen, sein Wohnhaus über ihm ‚zusammenbrechen‘ zu lassen. Später brach sie selbst erschöpft zusammen. Yücel ist der Stiefvater von Zainal Abakarov – dem Ex-Freund von Gülistan Doku.

Für die Angehörigen der vermissten Pädagogik-Studentin der Munzur-Universität kommt der russlandstämmige Zainal Abakarov als einziger Tatverdächtiger in Frage. Nur einen Tag vor Dokus Verschwinden hatte er mit Gewalt versucht, die damals 21-Jährige nach einem Streit in sein Auto zu zerren. Doku wehrte sich und Umstehende, die das Geschehen beobachtet hatten, verständigten die Polizei. Diese schloss Abakarov jedoch relativ früh als Tatverdächtigen aus. Eine andere Spur hat die Behörde aber auch nicht, obwohl fast jede Gegend in Dersim mit Überwachungskameras und Richtmikrofonen 24 Stunden am Tag observiert wird. Stattdessen mutmaßt die Polizei, die Studentin habe Selbstmord begangen. Abakarov ist untergetaucht und gilt als unauffindbar.

Auch ein Prozess gegen Engin Yücer selbst endete heute mit einem Schuldspruch. Der Mann war angeklagt, im Fall des Verschwindens von Gülistan Doku als vertraulich zu behandelnde Ermittlungsergebnisse rechtswidrig erworben und in Online-Netzwerken geteilt zu haben. Dafür wurde er zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Weil sich ein Gefängnisaufenthalt jedoch „zum Nachteil auf die Zukunft des Angeklagten“ auswirken würde, ist die Haftstrafe auf 20 Monate reduziert und zur Bewährung ausgesetzt worden. Vom Vorwurf, Doku beleidigt zu haben, wurde Yücer freigesprochen.

Proteste nach der Verhandlung

Nach dem Prozess kam es vor dem Gerichtsgebäude in Dersim zu Protesten von Angehörigen der vermissten Studentin. Ihre Eltern Bedriye und Halit Doku kritisierten das als mild bezeichnete Urteil gegen Yücer und rügten, dass die Nachforschungen zum Verbleib ihrer Tochter nur noch formal andauern. Die türkischen Justiz- und Sicherheitsbehörden würden sich weiterhin einer „Untätigkeit“ schuldig machen. Demgegenüber werde der Kampf um Gerechtigkeit für Gülistan Doku weitergehen.