Feministische Organisierung für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie
Bei der diesjährigen Kulturellen Landpartie im Wendland, dem größten selbstorganisierten Kulturfestival Norddeutschlands, war auch die feministische Organisierung „Gemeinsam Kämpfen – Für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie“ mit zwei politischen Veranstaltungen vertreten. Das Festival fand vom 29. Mai bis 9. Juni zwischen Himmelfahrt und Pfingsten statt.
Im Mittelpunkt der ersten Veranstaltung stand das Thema Selbstverteidigung im Kontext von Feminiziden und faschistischen Strukturen. In einem lebendigen Wechsel aus Vortrag und Diskussion beteiligte sich ein vielfältiges Publikum mit großem Interesse. Dabei wurde deutlich, dass Selbstverteidigung nicht nur körperlich zu verstehen ist, sondern auch als Schutz und Erhalt eines freien, selbstbestimmten Lebens.
Frauenstrukturen in Şengal als Beispiel für Selbstverteidigung
Ein zentrales Beispiel dafür boten die Frauenstrukturen in Şengal (Südkurdistan/Nordirak), die sich nach dem Genozid und Feminizid an der ezidischen Bevölkerung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) organisiert haben. Unter Führung der Frauenbewegung wurde dort eine autonome Selbstverwaltung aufgebaut, orientiert am Konzept des von Abdullah Öcalan entworfenen Demokratischen Konföderalismus – einem politischen Modell, das auch in der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien Anwendung findet.
Diese Strukturen umfassen unter anderem ein Ko-Vorsitzsystem mit paritätischer Besetzung, Frauenpresse, Kultur- und Bildungseinrichtungen, sowie medizinische und juristische Einrichtungen. Die Frauenstiftung Şengals sucht weiterhin nach verschleppten Personen aus dem Jahr 2014 und unterstützt Überlebende des Völkermords. Die Fraueneinheiten YJŞ sowie die Widerstandseinheiten YBŞ schützen die Region gegen Angriffe verbliebener IS-Zellen, das irakische Militär und wiederholte Drohnenangriffe der Türkei.
Im Anschluss wurde diskutiert, was unter „Selbstverteidigung“ im heutigen Kontext verstanden werden kann. Die Antworten reichten von Gewaltprävention im Kindesalter über digitale Sicherheit bis hin zur mentalen Resilienz gegenüber psychischer Kriegsführung. Ein zentrales Fazit des Abends: Feminizide und faschistische Gewalt sind Ausdruck des kapitalistischen Patriarchats und müssen im Zusammenhang betrachtet werden. Feministische Selbstverteidigung sei daher ebenso lokal wie international notwendig.
Zweite Veranstaltung über Lage in Nord- und Ostsyrien
In einer zweiten Veranstaltung während des Festivals berichteten zwei Aktivistinnen über die aktuelle Lage in Syrien sowie über die gesellschaftlichen Errungenschaften der Frauenrevolution in Nord- und Ostsyrien. Rund 60 Besucher:innen erfuhren anhand konkreter Alltagsbeispiele, wie in der Region trotz anhaltender militärischer Bedrohung Selbstverwaltung und gleichberechtigtes Zusammenleben gestaltet werden.
Dabei wurde auch auf die Risiken für die dortige Autonomie durch eine mögliche weitere Stärkung islamistischer Kräfte hingewiesen. Die Referentinnen betonten, dass viele Menschen in der Region nicht auf äußere Hilfe hoffen, sondern auf ihre eigene politische und soziale Organisierung setzen.