Ayata: Die Türkei ist das Zentrum des Terrors

Im zweiten Teil seines Interviews beschreibt das PKK-Zentralkomiteemitglied Muzaffer Ayata die Rolle der Türkei als Terrorunterstützerin und Kriegstreiberin in der Region.

Muzaffer Ayata, Zentralkomiteemitglied der PKK, beschreibt im zweiten Teil seines Interviews die zerstörerischen Auswirkungen der türkischen Kriegspolitik im Inland und in der umliegenden Region.

Wie würden Sie die aktuelle Phase des Krieges in Kurdistan einordnen?

Wir können den aktuellen Widerstand in Kurdistan und das Bestreben des türkischen Staates, diesen Widerstand zu unterdrücken, als die letzte Etappe einer großen historischen Auseinandersetzung betrachten. Das Finale eines 40-jährigen Krieges ist in vollem Gange. Der Faschismus hat alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt. Aktuell geht er mit chemischen Waffen und schwersten Bomben vor. Der türkische Staat verfügt ohnehin über eine riesige Armee. Seit 70 Jahren ist er Mitglied der NATO und verfügt so über die gesamte Ausrüstung des Militärbündnisses. Seit ihrer Gründung hat die Republik Türkei nur gegen das kurdische Volk Krieg geführt. Diese historische Dimension wird oft übersehen. Die türkische Armee hat keinen anderen Krieg geführt. Da wäre die Invasion Zyperns im Jahr 1974. Sie kann jedoch nicht als ein Krieg bezeichnet werden. Es war eine einfache Landungsoperation und die griechische Armee hat nicht gekämpft. Es gab keinen Krieg, wie wir ihn kennen. Natürlich wurde der Norden Zyperns besetzt. Die Konterguerilla hatte bereits den Boden für die Besetzung vorbereitet, indem sie vor Ort für Chaos gesorgt hatte.

Gegen das kurdische Volk aber wurden die gesamte Luftwaffe, alle legalen und illegalen Kräfte, die brutalsten Methoden, von der Konterguerilla, der Hisbollah, JITEM, Personen wie Mehmet Ali Ağca und Mehmet Ağar und Söldnerkonzerne wie SADAT, bis hin zu Söldnerbanden wie IS und al-Nusra in den Krieg geschickt.

Führt der türkische Staat diesen umfassenden Krieg allein?

Natürlich nicht. Die Türkei verfügt nicht über so große Ressourcen, denn der Guerillakrieg ist ein Zermürbungskrieg. Nicht nur die Kosten für Waffen, Munition und Personal, sondern auch viele soziale, gesellschaftliche, psychologische, diplomatische und politische Aspekte sind dabei einzubeziehen – der Preis für einen solchen Krieg ist daher sehr hoch. Die Türkei wäre ohne Unterstützung der NATO nicht in der Lage, diesen Krieg zu führen. Diesen Krieg weiterzuführen wäre nicht möglich gewesen, wenn die PKK nicht unter Federführung der USA zu einer terroristischen Organisation erklärt worden wäre und die NATO nicht permanent die Waffen und die Ausrüstung der türkischen Armee erneuern würde.

Der Aufstand unter Führung der PKK unterscheidet sich von den klassischen kurdischen Aufständen. Zuvor waren die Bemühungen der Kurdinnen und Kurden, sich zu organisieren und sich auf den Krieg vorzubereiten, eine Strategie und Taktik zu entwickeln und entsprechende Organisationen aufzubauen, nicht umfassend gewesen. Vielmehr hatte sich der Staat vorbereitet und angegriffen. Er provozierte den Krieg und setzte alle Mittel ein, insbesondere auch die Widersprüche unter den Kurd:innen. Aus diesem Grund blieben alle Widerstände und Kämpfe meist auf ein enges Gebiet beschränkt und konnten so auch in kurzer Zeit unterdrückt werden.

Die Macht des Staates kann mit der Situation heute verglichen werden, aber darum geht es nicht. Der Staat verfügte über eine Armee, eine Bürokratie, Medien, Diplomatie und Außenbeziehungen. Seine Vorbereitungen waren umfassend. Er hatte einen Haushalt und dieser wurde für den Krieg verwendet. Die andere Seite hatte all dies nicht. Auch einen organisierten Guerillakrieg konnte sie nicht führen. Wenn die Lebensräume der Menschen zerstört, ihre Dörfer geräumt oder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt werden, können sich solche Bewegungen in der Regel nicht halten und lösen sich auf. Dies hat das Selbstvertrauen der Kurdinnen und Kurden massiv beeinträchtigt. Sie haben das Gefühl entwickelt, dass sie sich nicht gegen den Staat durchsetzen könnten. Einschätzungen wie „Wir können den Staat nicht besiegen, der Staat ist stark, er gewinnt immer, wir sollten uns nicht gegen ihn stellen“ haben die Gesellschaft bis ins Mark durchdrungen.

Der türkische Staat verbreitet immer wieder Meldungen von unzähligen getöteten Guerillakämpfer:innen. Worauf zielen diese Meldungen ab?

Der Kriegsminister Hulusi Akar ist ein echter Beerdigungsminister geworden. Ein Minister für Todesfälle. „Wir haben seit 2015 35.000 Terroristen ausgeschaltet“, behauptete er. 35.000 Menschen bedeuten 35.000 Familien. Diese angeblichen Toten sind ja nicht auf dem Feld gewachsen, sie haben Familien, Nachbarn, Stämme, Verwandte. So wird die ganze kurdische Gesellschaft in Trauer gestürzt. Leichen werden als Maßstab des Erfolgs und des Selbstlobs benutzt. Natürlich handelt es sich dabei um psychologische Kriegsführung. Wenn wir dieses Vorgehen betrachten, dann sehen wir, dass der Staat jegliche menschliche Grenze überschritten hat. Seine Sprache ist toxisch und eiskalt. Er hat nicht einmal Respekt vor den Toten. Es werden bestimmte Begriffe verwendet, um das Gewissen und den Verstand der Gesellschaft zu vernebeln. Wenn es um Manipulation und Verwendung des Verstandes zum Negativen geht, dann sind sie Weltspitze. Sie sprechen von 35.000 „Terroristen“, die sie „neutralisiert“ hätten, und nicht von Menschen, die Familien haben.

Natürlich sind auch diese Zahlen umstritten. Das wird in Rojava sehr deutlich. Jeden Tag heißt es: „Wir haben fünf Terroristen neutralisiert, zehn Terroristen, die einen Infiltrationsversuch an der Grenze vorbereiteten.“ Die meisten dieser Nachrichten sind Lügen.

So soll eine bestimmte Wahrnehmung geschaffen werden. Man will den Gesellschaften und Staaten der Welt sagen: „Wir sind bedroht, unsere Grenzen sind nicht sicher. Unsere Grenzen werden ständig überschritten und verletzt. Aus diesem Grund greifen wir Syrien an. Wir tun dies, um den Terrorismus zu neutralisieren.“ Aber die ganze Welt ist in Syrien präsent. Die Lufthoheit liegt in den Händen der USA und Russlands. Auch Großbritannien und Frankreich sind da. Es gibt die Koalition gegen den IS. Die Kurdinnen und Kurden haben die Türkei nie von Syrien aus angegriffen. Sie haben keine Offensivkräfte und keine Absicht in dieser Hinsicht. Alle wissen das, denn alle Nachrichtendienste, Aufklärungsflugzeuge und Satelliten beobachten die Region. Die Kurdinnen und Kurden haben keine Flugzeuge, keine Panzer. Warum sollten sie die Türkei angreifen? Der IS hat sie angegriffen und sie haben sich gewehrt. Sie haben gegen den IS gekämpft. Die Koalition hat sich mit den Kurdinnen und Kurden zusammengetan und der IS wurde zerschlagen.

Die Kurdinnen und Kurden in Syrien werden durch Falschmeldungen, Drohungen und Erpressungen immer wieder unter Druck gesetzt. Der türkische Staat nährt den IS und öffnet ihm seine Gebiete. Er schafft Instabilität, Unsicherheit, Angst und Panik in Syrien und Rojava. Er zwingt die Menschen zu Flucht und Migration. Er versucht, durch Attentate, Sabotage und Spionage Verwirrung zu stiften und den Frieden in der Region zu zerstören. Mit anderen Worten: Der türkische Staat tut alles, um eine Gesellschaft zu zerstören. Er tut alles, was man überhaupt einem Nachbarn antun kann. Das ist ungerecht, einseitig, grausam. Die Kurdinnen und Kurden wollen nichts von der Türkei, sie haben keine Forderungen. Der türkische Staat steht für Zerstörung und Vernichtung. Er ist eine Quelle des Übels; seine Denkweise ist auf dem Übel aufgebaut und er verbreitet sie in seiner Umgebung.

Während der Widerstand in den Bergen weitergeht, befinden sich die nordkurdischen Städte im Belagerungszustand. Können Sie uns etwas über die Situation dort sagen?

Ja, die Guerilla spielt eine Rolle auf dem Schlachtfeld und trägt eine schwere Last. Es herrscht eine schwere Repression gegen die Menschen in Nordkurdistan. Der Staat hat im Städtekrieg Hunderte Menschen massakriert. Dabei wurde jedes Gesetz missachtet. Er lässt den Menschen keine Luft zum Atmen, keine Möglichkeit, sich zu organisieren. Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und alle, die sich irgendwie bewegen, werden inhaftiert. Versammlungen, Demonstrationen und Proteste sind in Orten wie Colemêrg (tr. Hakkari) und Wan seit Jahren verboten. Offiziell wurde in diesen Regionen nicht der Ausnahmezustand verhängt. Auch das Kriegsrecht wurde nicht verhängt. Aber die verfassungsmäßigen Rechte und Gesetze wurden de facto außer Kraft gesetzt. Der Gouverneur verlängert die Verbote immer von neuem um 15 Tage. Drogen, Prostitution, Spionage, Vertreibung, Exilierung in den Westen, das Dorfschützerwesen, die organisierte Kriminalität, all das wird in den Dienst der Kurdenfeindschaft gestellt. Dieser Hass beschränkt sich nicht auf das Töten. Eigentlich sterben mehr Menschen in den Städten als in den Bergen.

Wenn man Menschen in Prostitution und Drogenabhängigkeit stürzt, dann tötet man sie. Diese Person kann sich nicht an die Gesellschaft anpassen und verliert den sozialen Boden. So wird die Gesellschaft von innen heraus zerstört. Auf diese Weise will der türkische Staat seinen Völkermord vollenden. Er will die kurdische Gesellschaft und Nation zerstören und vernichten, indem er sie tötet, vertreibt, verarmt, entlässt, in die Auswanderung treibt, zur Kapitulation und Unterwerfung zwingt oder sie andernfalls zu Spionen macht, sie in die Prostitution lockt oder sie in den Drogensumpf stürzt. Der Staat will so den sozialen Zusammenhalt brechen. Mentale Bindungen, menschliche Solidarität, Zusammenarbeit, das Streben nach Rechten, Gerechtigkeit, Gewissen – all dies wird so unterminiert. Die Ziele der psychologischen Kriegsführung sind Herz und Hirn. Es sollen Menschen geschaffen werden, deren Gewissen abgestumpft ist, die Richtiges mit Falschem und Falsches mit Richtigem verwechseln, die unfähig sind zu denken und richtige Entscheidungen zu treffen und Widerstand zu leisten. Es werden Milliarden von Dollars ausgegeben, um die Gesellschaft daran zu hindern, die Wahrheit zu erfahren, um sie daran zu hindern, entsprechend der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu handeln.

In diesem Sinne erleidet auch die Türkei einen großen Schaden. Wenn der türkische Staat die Kurdinnen und Kurden zerstören und unterdrücken will und sämtliche Ressourcen für negative Ziele einsetzt, wenn er diejenigen toleriert, die Verbrechen begehen, weil sie gegen Kurden vorgehen, dann kann es weder eine funktionierende türkische noch eine kurdische Gesellschaft geben. Alles wird verrotten. Erdoğan lässt alles überall verrotten. Auch die internationalen Beziehungen befinden sich im Zerfall.

Warum schweigen Organisationen wie die PDK in Südkurdistan demgegenüber?

Auch unter den Kurdinnen und Kurden gibt es Kollaborateure, dafür ist die PDK ein Beispiel. Das an sich ist schon ein Problem. Jetzt wütet die Türkei täglich in Südkurdistan. Die Türkei setzt die 30 Kilometer tiefe für Syrien angekündigte „Sicherheitszone“ tatsächlich im Irak um. Sie will alle Grenzlinien unter ihre Kontrolle bringen und hat Dutzende von Militärstützpunkten errichtet. Der türkische Staat macht zivile Gebiete unbewohnbar. Es werden Menschen aus ihren Dörfern vertrieben – und die PDK unterstützt dies. Die PDK gibt der PKK die Schuld. Sie verliert kein Wort über die Türkei. So viele Zivilistinnen und Zivilisten werden massakriert, aber es wird nicht einmal eine Beileidsbekundung veröffentlicht.

Die Operation wird „Klauen-Schloss“ genannt. Mit anderen Worten: Es geht um die Abriegelung der Grenzen für die Kurdinnen und Kurden, die Trennung des Nordens vom Südens, die Zerschlagung der Guerillagebiete. Es heißt, man werde hier ein Schloss anlegen. Wenn wir genau hinschauen, befindet sich das wahre Schloss am Mund von Barzanî. Er macht seinen Mund nicht auf. Kein Wort zum Wohle des kurdischen Volkes. Stattdessen öffnet er das ganze Gebiet der Türkei und rechnet damit, dass diese die Guerilla auslöschen wird. Damit ebnet er de facto den Weg zur Besatzung von Südkurdistan.

Jetzt werden die politischen Organisationen der Turkmenen bewaffnet. Diese Organisationen arbeiten ohnehin bereits seit Jahren für den türkischen Staat. Die Türkei schürt Unruhe im Irak und rechnet damit, dass sie vielleicht Kerkûk und Mosul einnehmen wird, wenn sie die Kurden ausschalten, Rojava auflösen und sich im Süden festsetzen kann. Das ist eigentlich der Plan. Sie kündigt es nicht offiziell an, aber das steht hinter den Angriffen. Wenn der türkische Staat mit diesen Angriffen Erfolg hat, wird er sich bereits hier niedergelassen haben. Er wird die Annexion von Kerkûk und Mosul mit Hilfe der Turkmenen realisieren. Der Faschistenchef Erdoğan sagte bereits: „Kerkûk ist türkisch.“ Eine kurdische Präsenz dort wird nicht toleriert. So wurde Kerkûk den Kurdinnen und Kurden bereits abgenommen. Mit dem von Mesûd Barzanî 2017 initiierten Unabhängigkeitsreferendum wurden Kerkûk und Germiyan den Kurden vor den Augen der gesamten Bevölkerung entwendet. Darauf hatten sich Ankara, Bagdad und Teheran verständigt. Jetzt werden andere in den kurdischen Gebieten in Kerkûk angesiedelt und die kurdische Bevölkerung wird vertrieben.

Das Erdoğan-Regime versucht, sich auch mit Damaskus zu verständigen. Worum geht es dabei?

Der türkische Staat will alle Staaten und Nachbarländer in seine Kurdenfeindschaft miteinbeziehen. Würden sich seine Vertreter sonst mit Bashar al-Assad treffen? Worum wird es sonst gehen? Wird der türkische Staat sagen: „Es tut mir leid, wir werden eine Entschädigung zahlen? Wir haben eure Fabriken geplündert, wir haben eure historischen Artefakte geraubt und das Öl gestohlen. Wir plündern die Oliven in Efrîn.“ Wird der türkische Staat sein Bedauern darüber bekunden? Wird er sagen, er ziehe seine Truppen zurück, er habe einen Fehler gemacht und beende nun die Besatzung? So etwas wird nicht passieren. Es wird um folgendes gehen: „Wir haben Efrîn und Serêkaniyê in Zusammenarbeit mit den USA und Russland vollständig eingenommen, aber wir konnten die Kurden nicht fertig machen, wir konnten sie nicht liquidieren. Die autonomen Regionen haben überlebt. Ihr von unten, wir von oben, wir treiben sie in eine Ecke und liquidieren sie.“ Alle anderen Fragen kommen später auf den Verhandlungstisch.

Wenn wir es genau verfolgen, dann sehen wir, dass überall dort, wo der türkische Faschismus hingeht, Grausamkeit und Übel sprießen. Er hat keinen Respekt vor Recht, Gerechtigkeit und der Souveränität der Völker, er will kein gleichberechtigtes Leben. Er setzt seine Macht immer zur Unterdrückung ein. Die Arabische Liga kritisierte die Türkei und verurteilte die Besetzung von Efrîn und Serêkaniyê. Erdoğan hat darauf heftig reagiert und den arabischen Staaten erklärt, sie seien wertlos. Er sagte, wenn man alle arabischen Staaten zusammenzähle, seien sie nicht einmal eine Türkei wert. Das waren nicht nur Worte, denn dieser Mensch ist nicht naiv. Er hat den Staat bereits jahrzehntelang regiert und den gesamten Staatsapparat in seiner Hand. Wenn er Waffen und Truppen übrig hat, exportiert er Gewalt und militaristische Tyrannei in die ganze Welt. Indem er Verbrecher um sich schart, exportiert er Terror in die ganze Welt. Zurzeit ist die Türkei das Zentrum des weltweiten Terrorismus. Die Quellen des Terrors, die Beziehungen, die Finanzierung, die Ausbildung und die Unterbringung werden durch den türkischen Staat organisiert. Die Terroristen suchen Schutz in den von der Türkei besetzten Gebieten; die Türkei beherbergt sie. Das ist eine Entscheidung. Es ist nichts, das aus Versehen oder zufällig geschieht.

Erdoğan setzt seine intensive Suche nach Unterstützung für seinen Krieg fort. Wie erfolgreich ist er dabei?

Er führt Gespräche mit Putin und Iran. Er versucht, Allianzen gegen die PKK aufzubauen. Er bittet um Unterstützung für die Zerstörung und Zerschlagung von Rojava. Es sollen neue Besetzungspläne gemacht werden. Erdoğan erwähnt nie den Namen von al-Nusra. Er erklärt nicht, warum die türkische Armee sie in Idlib schützt. Wenn Putin sagt „Lasst uns gemeinsam gegen Terroristen kämpfen und koordiniert vorgehen“, ist das einzige, was Erdoğan versteht, gegen die Kurdinnen und Kurden, die YPG, YPJ und QSD vorzugehen. Er hat in diesem Zusammenhang nie über die Söldnergruppen oder al-Nusra gesprochen. Er erklärt ein 30 Kilometer auf syrisches Territorium reichendes Gebiet zu einer Sicherheitszone. Sie soll unter seiner Kontrolle stehen. Es soll dort keine Kurden geben. Wenn er sagt, es werde keine Terroristen geben, meint er eigentlich Kurdinnen und Kurden. Gibt es derzeit Terroristen in Efrîn? Er hat Efrîn mit seinen eigenen Söldnern gefüllt. Warum also lässt er die kurdische Bevölkerung nicht zurückkehren? Sie hat Land, Eigentum und Besitzurkunden. Ihre Wälder und Bäume werden geplündert. Efrîn hat sich seit Jahren in ein Gebiet der Vergewaltigung und Plünderung verwandelt. Kurdinnen und Kurden können nicht in dem von der Türkei besetzten Gebiet leben. Die Türkei hat jegliche Restriktion durchbrochen und greift überall an. Sie schart Kräfte um sich, die kein Recht anerkennen.

Wenn er unter Druck steht, sagt Erdoğan, er werde „den Terrorkorridor zerstören, nicht den kurdischen Korridor“. Warum wurden dann Kurden schon immer als „Terroristen“ stigmatisiert? Warum wird der Terror, den die Türkei ausübt, ignoriert? Ist er etwa legitim? Es ist Tyrannei, andere Länder zu besetzen, ihre Bevölkerung zu vertreiben und die demografische Struktur nach eigenem Bestreben zu verändern.

Die Türkei begeht diese Verbrechen vor den Augen aller Welt. Sie versucht, alle möglichen Deals in diesem Rahmen abzuschließen. Geheime Deals mit Russland, der NATO und jetzt mit dem syrischen Regime. Es geht um eine gemeinsame Basis zur Vernichtung der Kurdinnen und Kurden. Danach könnten dann alle anderen Punkte verhandelt werden.

Die Frage der aus Syrien in die Türkei geflüchteten Menschen kommt immer wieder auf der Tagesordnung, und es wird mit einer Invasion in Nordsyrien gedroht. Wie wirkt sich diese Situation auf das interne und externe Gleichgewicht der Türkei aus?

Dabei gibt es aktuell Auswirkungen auf die innere Stabilität. Es heißt, dass mehr als eine Million syrische Geflüchtete die türkische Staatsbürgerschaft erhalten haben. Erdoğan will sie für seine innenpolitische Stabilität in der Türkei nutzen. Die Syrerinnen und Syrer wurden nicht aus humanitären Gründen aufgenommen. Die Aufnahme war politisch motiviert. Die Schutzsuchenden wurden gedemütigt und als Billigstarbeitskräfte eingesetzt. Sie wurden ausgeschlossen und verachtet. Das ist bereits bekannt. Wenn diese billigen Arbeitskräfte gehen, wird die türkische Wirtschaft darunter leiden. Diese Menschen werden als Druckmittel gegen Europa eingesetzt. Die europäischen Länder sind nicht mehr in der Lage, Menschenrechtsverletzungen, Krieg, Massaker und Vergewaltigungen in der Türkei anzuprangern oder zu kritisieren. Die Türkei war einmal im Begriff, der Europäischen Union beizutreten. Sie sollte die Kopenhagener Kriterien erfüllen. Jetzt ist das Gegenteil der Fall.