Ausnahmezustandskomission oder Anklagebehörde?

Mehr als 300 Anträge der aufgrund von Dekreten Entlassenen wurden von der Ausnahmezustandskommission von Wan gestützt auf Geheimdienstinformationen abgelehnt. Der Jurist Erhan Çiftçiler bewertet das Vorgehen als Verletzung internationalen Rechts.

In Wan (Van) haben Hunderte Arbeiter*innen und Angestellte im öffentlichen Dienst, die im Rahmen von Notstandsdekreten (KHK) entlassen wurden, bei der Ausnahmezustandskommission Widerspruch eingelegt. Die Kommission hat nun 300 Fälle bearbeitet und alle Widersprüche abgewiesen. De facto stellen die Antworten der Kommission regelrechte Anklageschriften gegen die Antragsteller*innen dar, in denen es sogar als ein Vergehen angelastet wird, in den legalen Verein Kurdi-Der gegangen zu sein, um Kurdisch zu lernen.

Das Interessante an den Antworten auf die Anträge ist auch, dass ständig der Satz, „Zur Verfügung gestellten Geheimdienstinformationen entsprechend“, fällt. Aus juristischer Perspektive ist es allerdings zwingend erforderlich, die Informationen aus Geheimdienstquellen mit Beweisen zu untermauern. In den Antworten der Kommission wird den Kläger*innen vorgeworfen „Mitglieder einer [verbotenen] Organisation“ zu sein.

Rechtswissenschaftler Çiftçiler: Geheimdienstinformationen dürfen nicht gegen eine Person verwendet werden

Der Rechtwissenschaftler Erhan Çiftçiler erklärte, dass Geheimdienstinformationen nach dem Polizeiaufgabengesetz belegt werden müssen. Auf der Basis von unbelegten Geheimdienstinformationen dürfe keine juristische Verfolgung oder Ermittlung eingeleitet werden. „Solche Informationen sind juristisch nicht verwertbar und können von Gerichten nicht als Beweise benutzt werden. Deshalb steht auf den Informationsdossiers des Geheimdienstes, ‚Geheimdienstliche Bewertungen dürfen nicht gegen eine Person verwendet werden‘. Die Geheimdienstinformationen werden demnach der Staatsanwalt oder der Polizei übergeben und dort werden sie durch Beweise bestätigt und dann ans Gericht übergeben. Aber in diesem Fall wird dieses Verfahren eben nicht eingehalten. Zur Ablehnung des Antrags der Betroffenen wurde eine regelrechte Anklageschrift verfasst. Entscheidungen, die auf diese Weise getroffen werden, verletzen internationales Recht. Menschen werden alleine aufgrund ihrer Gedanken entlassen“, so Çiftçiler.

Es wird versucht, die öffentlich Beschäftigten zu kriminalisieren

Einige der Aussagen in den Ablehnungen der Widersprüche in Wan sind:

- Der Antragssteller ist nach zur Verfügung gestellten Informationen Mitglied des aufgrund von Zugehörigkeit, Kollaboration oder Verbindung mit der PKK/KCK geschlossenen Vereins zur Erforschung und Entwicklung der kurdischen Sprache von Van gewesen.

- Die Kommission des Gouverneursamts kam zu der Auffassung, dass er Mitglied in der PKK/KCK ist, mit ihr eng verbunden ist oder mit ihr in Verbindung steht.

- Nach von UYAP zur Verfügung gestellten Informationen wurde in einer Akte des Strafgerichtshofs von Van festgestellt, dass der Antragssteller nach den in den Publikationen der PKK verbreiteten Aufrufen zu Demonstrationen im Rahmen der Strategie der Organisation an unerlaubten Versammlungen und Treffen teilgenommen hat.

Die Kommissionsmitglieder scheinen nicht zu bremsen zu sein. Sie übernehmen die Rolle der Staatsanwaltschaften und kriminalisieren die Angestellten, indem sie diese mit der Ideologie und Strategie der PKK in Verbindung bringen.