Antiregierungsproteste in Südkurdistan dauern an

Den fünften Tag in Folge kommt es im Großraum Silêmanî zu Protesten gegen die südkurdische Regionalregierung. Die Frust der Menschen richtet sich gegen ausstehende Löhne und Gehaltskürzungen sowie die Unfähigkeit Hewlêrs zu elementaren Dienstleistungen.

Im südkurdischen Gouvernement Silêmanî haben auch am Sonntag Proteste gegen die PDK-geführte Regierung in Hewlêr stattgefunden. Der Unmut richtet sich gegen die politische Elite, Misswirtschaft, Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Bei einem Großteil der Demonstrierenden handelt es sich um Beschäftigte aus dem Bildungssektor und öffentlichen Dienst, die ausstehende Löhne einfordern und gegen Gehaltskürzungen protestieren. Die Wut der Menschen staut sich aber auch aufgrund der Verschlechterung der öffentlichen Versorgung, der Wasserverschmutzung und des Strommangels auf.

Im nordwestlich des Gouvernements gelegenen Bezirk Pîremegrun blockierten Protestierende zum zweiten Mal in Folge die Verkehrsstraße zwischen Dukan und Silêmanî. Am Abend wurden die örtlichen Büros der Parteien PDK und YNK angezündet. In Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, sind Schüsse zu hören, die von Sicherheitskräften aus den Gebäuden willkürlich nach draußen abgefeuert werden. Verletzt worden sei nach bisherigem Stand niemand. Einem Team des Fernsehsenders NTV wurde der Zugang zum Ort verweigert. Auch in Takya bei Çemçemal kam es zu Straßenblockaden.

 Pîremegrun

Bei einer Demonstration in Ranya kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften, nachdem die Menschenmenge daran gehindert worden war, zum Verwaltungsgebäude der Stadt zu ziehen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur RojNews soll es zu etwa dreißig Festnahmen gekommen sein, außerdem wurden mehrere Personen verletzt. Die genaue Zahl war zunächst unklar. Am Donnerstag waren in Ranya bereits 25 Menschen bei Übergriffen durch Polizei und Asayîş verletzt worden.

Ranya

Laut der staatlichen irakischen Zeitung al-Sabah haben die südkurdische Führung in Hewlêr und die irakische Zentralregierung in Bagdad eine „grundlegende Einigung“ über die Bereitstellung der Gehälter des öffentlichen Sektors in der Autonomieregion erzielt. Im Rahmen der Vereinbarung soll Hewlêr der staatlichen Ölvermarktungsorganisation SOMO 250.000 Barrel Öl pro Tag sowie die Hälfte der an den Grenzübergängen erzielten Einnahmen abliefern. Im Gegenzug erhält Hewlêr einen Budgetanteil von 12,67 Prozent, was voraussichtlich 900 Milliarden Dinar (623 Millionen Euro) pro Monat entspricht.

Autonomieregion schwimmt im Erdöl

Nach dem Wiederaufflammen der Proteste in Südkurdistan hatte Ministerpräsident Mesrûr Barzanî auf einer Sitzung des Ministerrats den Beginn der Auszahlung der ausstehenden Gehälter für letzten Donnerstag angekündigt. Geschehen ist dies aber nicht. Bereits seit 2014 werden in Südkurdistan die Gehälter der öffentlich Beschäftigten entweder gekürzt oder gar nicht erst ausgezahlt. Die Regionalregierung argumentiert in der Regel, über kein Budget zu verfügen. Da Südkurdistan über eine große Beamtenschaft verfügt, sind die Aussetzungen der Lohnzahlung zu einem der Hauptprobleme der Region geworden. Hewlêr versucht das Ausbleiben der Gelder mit der politischen Krise mit der irakischen Zentralregierung, dem Absturz auf dem Dollarmarkt und der Corona-Pandemie zu erklären. Die Spannungen mit Bagdad dauern allerdings schon seit Jahren an.

Das letzte Gehalt wurde dem Großteil der Beamtenschaft in der Autonomieregion Mitte Oktober ausgezahlt – allerdings für September und mit einer Kürzung um 18 Prozent. Die Lohnzahlungen im Juli und August sind sogar um 21 Prozent gekürzt worden. Das Gehalt für den Monat Oktober wird um den gleichen Betrag gekürzt. Wann die Menschen damit rechnen können, steht allerdings in den Sternen.