Frust über unfähige PDK-Regierung entlädt sich auf der Straße

Dass die südkurdische Regionalregierung in Hewlêr zu elementaren Dienstleistungen unfähig ist, treibt die Bevölkerung immer wieder auf die Straße. Auch gestern fanden wieder Demonstrationen und Kundgebungen statt, die teilweise gewaltsam aufgelöst wurden.

Frustriert über die südkurdische Regionalregierung in Hewlêr (Erbil) gehen seit Wochen wieder viele Menschen auf die Straße. Vor allem bei der jüngeren Generation, die Reformen, Mitbestimmung und Demokratie verlangt, macht sich zunehmend Resignation und Pessimismus breit. Der ökonomische Stillstand, die grassierende Jugendarbeitslosigkeit und die Allmacht der Clans lässt junge Menschen verzweifeln. Zwar schwimmt die PDK-geführte kurdische Autonomieregion im Nordirak buchstäblich im Erdöl, trotzdem ist die Regierung zu elementaren Dienstleistungen unfähig. Beamtengehälter werden seit Monaten wieder nicht ausgezahlt, Universitätsabsolvent*innen haben keine Perspektive, regelmäßigen Strom gibt es ohnehin nicht. Die Region importiert alles, produziert aber nichts, ist weitestgehend vom Regime in Ankara abhängig. Besatzungsbestrebungen und völkerrechtswidrige Angriffe der Türkei werden geduldet oder sogar unterstützt. Der Name Barzanî prägt die Machtverhältnisse, und die sich in den vergangenen Jahren etablierte Vetternwirtschaft und Korruption wird immer sichtbarer. Jeglicher Widerstand gegen die Machtkonzentration des Clans wird niedergeschlagen.

Dennoch sind auch gestern wieder in etlichen Städten Menschen auf die Straße gezogen und haben die Regierung zum Rücktritt aufgefordert. Sicherheitskräfte in PDK-kontrollierten Gebieten zeigten überall massive Präsenz, um Proteste zu verhindern. In Şîladizê (Shiladze) wurde im Vorfeld einer Demonstration sogar eine Ausgangssperre erteilt. In dem Distrikt östlich von Amêdî (Amediye) befindet sich der türkische Militärstützpunkt Sire, der Anfang letzten Jahres von der Bevölkerung als Reaktion auf tödliche Luftangriffe gestürmt worden war. Um sozialen Dissens zu unterbinden, kommt es dort regelmäßig zu Truppenkonzentrationen. So wurden gestern alle Ortseingänge von Sicherheitskräften blockiert, um die Einreise von Protestierenden aus anderen Regionen zu verhindern. Geschäfte mussten ebenfalls geschlossen bleiben und auch in Dihok durften die Läden nicht öffnet.

 

In Hewlêr gab es aufgrund der starken Truppenpräsenz ebenfalls keine Demonstrationen, allerdings wurden der Abgeordnete der Bewegung Nifşê Nû (Neue Generation) Kawa Abdulqadir und dessen Leibwächter festgenommen. Während Abdulqadir, der nach seiner Festnahme geschlagen worden sein soll, am Abend wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, befinden sich seine Wachen weiterhin in Gewahrsam. Zu Spannungen und Gewalt kam es aber auch in den von der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) kontrollierten Regionen.

In Silêmanî versammelte sich eine Menschenmenge im Azadî-Park zu einer Kundgebung. Lautstark wurde eine Änderung des Regierungssystems, die Umsetzung von Reformen und die Auszahlung einbehaltener Löhne gefordert. Der Nifşê-Nû-Vorsitzende Şaşwar Abdulwahid sagte in einer Ansprache, „notfalls tausendmal“ zu protestieren, „bis die Revolution kommt“. Diejenigen an der Spitze der Regierung seien es seit 30 Jahren nicht müde geworden, Menschen zu unterdrücken. „Aber wir werden nicht müde, dagegen zu protestieren“, fügte Abdulwahid hinzu. Nach der Aktion wurde der Politiker auf dem Weg zu seinem Fahrzeug von einer Menschengruppe angegriffen. Um wen es sich dabei handelt, ist unklar.

Silêmanî

Weiter nordöstlich in der Stadt Ranya, wo es seit Wochen täglich zu Protesten kommt, wurde eine Demonstration am Marktplatz von Sicherheitskräften mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen. Mehrere Aktivist*innen wurden nach Krankenhausangaben verletzt, die genaue Zahl war zunächst unklar. Auch der RojNews-Korrespondent Muhammed Hasan, der die Aktion verfolgte, wurde von einer Plastikkugel getroffen. Einige Demonstrierende reagierten mit Steinwürfen auf die Gewalt.

Ranya

Der Frust gegen die Regierung trieb auch Menschen in Kelar in der Germiyan-Region östlich von Kifrî auf die Straße. Die Demonstration begann vor dem Leyla-Qasim-Park und sollte zunächst durch die Stadt führen. Als ein Teilnehmer von Sicherheitskräften aus dem Zug gefischt und festgenommen wurde und es dann auch noch Tränengasgranaten und Gummigeschosse auf die Menschenmenge hagelte, änderten die Protestierenden kurzfristig ihre Route und zogen vor das Polizeipräsidium. Von dort ging es weiter bis zum Rathaus, dessen Innenhof angezündet wurde. Daraufhin wurde die Demonstration gewaltsam aufgelöst.

Kelar

Die Proteste in Helebce endeten erst in der Nacht zum Sonntag. Nachmittags hatte zunächst eine Demonstration ohne Zwischenfälle durch die Stadt geführt. Auch hier stachen Parolen, mit denen der Rücktritt der Regierung gefordert wurde, hervor. Abends zogen dann vor allem junge Leute wieder auf die Straße. Wie es heißt, sollen ein Gebäudeteil der Bezirksverwaltung, ein Kontrollpunkt der Polizei und das Rathaus in Brand gesteckt worden sein. Sechs Personen wurden verletzt, drei davon durch Gummigeschosse.

Helebce