Angriffe auf Kolbar nehmen zu

In Rojhilat eskalieren die Angriffe auf Kolbar. Mindestens fünf Lastenträger sind nahe Pawe durch direktes Feuer von Irans Revolutionsgarde verletzt worden. Eine Initiative zählt für das vergangene Jahr sogar 32 tote und 267 verletzte Kolbar.

Im Grenzgebiet zwischen Ost- und Südkurdistan sind mindestens fünf Lastenträger durch direktes Feuer der iranischen Revolutionsgarde (IGRC) verletzt worden. Der Übergriff auf die Gruppe ereignete sich der Initiative „Kolbarnews“ zufolge bereits am Donnerstagabend in der Nähe des nördlich von Pawe gelegenen Distrikts Nosûde (Nowsud) in der Provinz Kirmaşan. Die Männer erlitten teils schwere Verletzungen durch Schrotmunition und wurden in ein Krankenhaus gebracht.

Kurdische Lastenträger, die sich selbst „Kolbar“ – je nach Mundart auch „Kolber“ – nennen, leben davon, Lasten wie Haushaltswaren, etwa Matratzen, Fernseher, Decken und Tee über die gefährlichen Grenzen Irans und Iraks zu bringen und einen Handel zwischen den verschiedenen kurdischen Regionen möglich zu machen. Die Ware ist im Irak billiger als in Iran, das zudem einem von den USA initiierten Wirtschaftsboykott unterliegt. Bis zu 50 Kilogramm schleppen Kolbar über die Passrouten – oft nur in Alltagskleidung, und erhalten nur einen minimalen Tagelohn. Den weiteren Verkauf übernehmen die „Kesibkar“, die von Stadt zu Stadt reisen, um für die Waren, die von den Lastenträgern über die Grenze gebracht wurden, Abnehmende zu finden.

Fatwa gegen „Schmuggler“

Seit Ende 2018 häufen sich Angriffe iranischer Truppen auf kurdische Lastenträger, die oftmals tödlich enden. Der für Sicherheitsangelegenheiten zuständige damalige Vize-Innenminister Hossein Zolfaghari hatte eine verfassungsfeindliche Fatwa ausgesprochen und im Grenzgebiet tätige Lastenträger als „Schmuggler, die getötet werden müssen“ bezeichnet. Das Drama der Kolbar und Kesibkar, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Perspektiven und der hohen Arbeitslosigkeit infolge der gezielten Verarmung in Rojhilat (Ostkurdistan) unter schwierigsten Umständen ihr Leben riskieren, um wenigstens irgendein Einkommen für sich und ihre Familien zu erzielen, reißt seitdem nicht ab.

32 Lastenträger 2023 im Grenzgebiet gestorben

Laut einem Jahresbericht von Kolbarnews kamen 2023 mindestens 32 Lastenträger im iranisch-irakischen Grenzgebiet ums Leben, weitere 267 wurden verletzt. Etwa zwei Drittel der Todesopfer sowie ein Großteil der Verletzten wurden von Grenztruppen des iranischen Regimes ins Visier genommen. Andere Todesfälle oder Verletzungen sind durch Minenexplosionen, Lawinenabgänge, Stürze oder durch Erfrieren verursacht worden.  Die Zahlen von Kolbarnews sind im Hinblick auf das tatsächliche Ausmaß der Gewalt gegenüber Lastenträgern nur begrenzt aussagefähig, da gerade in diesem Deliktbereich die Dunkelziffer hoch eingeschätzt werden muss. Viele Opfer fürchten eine weitere Verfolgung durch das Regime, wenn sie Angriffe auf Kolbar öffentlich machen. In den ersten Tagen des laufenden Jahres zählte die Initiative bisher elf verletzte und zwei getötete Kolbar.