Özgür: Fallt nicht auf die Spezialkriegspropaganda herein

Hezil Özgür ist Kommandantin der kurdischen Frauenguerilla YJA-Star. Im ANF-Interview spricht sie über den Einsatz der Medien als Mittel des Spezialkriegs gegen die Freiheitsbewegung Kurdistans.

Psychologische Kriegsführung ist integraler Bestandteil des türkischen Spezialkriegs gegen die Freiheitsbewegung Kurdistans. Hezil Özgür, eine der Kommandantinnen der kurdischen Frauenguerilla YJA-Star (Yekîtîya Jinên Azad), hat sich im ANF-Interview zu dieser besonderen Form des Kriegs und die Rolle der Staatsmedien geäußert.

Welche Rolle spielen die türkischen Staatsmedien im Spezialkrieg?

Der türkische Staat benutzt die Presse im Sinne seiner eigenen Interessen. Je geringer der Erfolg des Staates ist, desto erfolgreicher versucht er sich in den Medien darzustellen. Die Presse wird benutzt, um die Bevölkerung zu betrügen. Durch sie wird der Diskurs in der Gesellschaft beeinflusst. Um die Gesellschaft zu kontrollieren, wird alles, von der Wirtschaft bis hin zur Kultur, als Mittel eingesetzt, um die Wahrnehmung zu beeinflussen. So soll die Gesellschaft ihrer Reflexe beraubt werden. Wer trotzdem noch reagiert, soll durch den Staatsterror unterworfen werden.

Diese psychischen und sozialen Zerstörungen werden bei den jungen Menschen, die davor weglaufen und sich der Freiheitsbewegung anschließen, mehr als deutlich. So ermöglicht der Staat alles, vom Drogenkonsum bis zur Prostitution, stellt sich aber dann als Retter dar. Und nun sind mit der letzten Teilamnestie auch noch alle möglichen Verbrecher von Drogenhändlern bis hin zu Vergewaltigern freigelassen worden. Wenn ein freies Denken und ein freier Wille entsteht und sich organisiert, dann kommt der Staat nicht mehr dagegen an. Deshalb wird in allen Bereichen Gewalt angewandt und die politischen Gefangenen werden aus der Teilamnestie ausgenommen. In den Medien wird das ganze aber dann als das Größte propagiert.

Wie wird dieser Spezialkrieg gegen die Guerilla und das kurdische Volk umgesetzt?

Das Hauptziel des Spezialkriegs ist Assimilation. Jeder, der nicht die Parole von einem Staat, einer Nation, einem Vaterland, einer Fahne, einer Sprache und einer Konfession unterstützt, wird als Feind betrachtet. Demokratie wird nicht akzeptiert. Auch in diesem Zusammenhang spielen die Staatsmedien eine wichtige Rolle. Sie bemühen sich darum, diesen Zustand zu normalisieren und zu legitimieren. Das kurdische Volk will aber seine eigene Identität leben. Deswegen ist es das Ziel des Spezialkriegs, den Glauben der Bevölkerung an die PKK zu brechen und sie von ihr zu entfernen. Die Propaganda, man habe die PKK fertig gemacht, es seien nur noch so wenige in den Bergen, verfolgt dieses Ziel. Dass der Staat ein paar Leute vor der HDP-Zentrale protestieren lässt, ist ebenfalls Teil dieser Strategie. Er lässt sie sagen, die PKK hätte ihre Kinder entführt. Er stellt junge Frauen vor die Kamera und lässt sie Geschichten erzählen, sie seien von der PKK entführt und vergewaltigt worden. So wird versucht, die Bevölkerung zu beeinflussen.

Außerdem jeden Tag erneut behauptet, es wäre eine wer weiß wie starke Waffe gebaut worden. Damit soll die Bevölkerung eingeschüchtert und ihre Hoffnung in die Guerilla zerstört werden. Währenddessen werden Guerillaaktionen und gefallene Soldaten, sogar wenn sie von der Guerilla auf Video dokumentiert und veröffentlicht worden sind, einfach unter den Teppich gekehrt.

Warum wurden in den vergangenen Jahren insbesondere Frauen zum Ziel des Spezialkriegs?

Die Frauen in der PKK führen die Revolution an. Es handelt sich um eine Bewegung, die sich auf der Grundlage der Frauenbefreiung entwickelt hat. Der Staat hat gesehen, wie aktiv Frauen in der PKK sind und wie sie die Führung übernehmen. Das Regime hat bemerkt, wie weit sich die Gesellschaft organisiert und politisch entwickelt hat. Abdullah Öcalan schreibt, man solle die Frau nicht als Geschlecht, sondern als Nation betrachten. Die Frauen führen in der Politik, in der Gesellschaft, im militärischen Bereich und in der Diplomatie. Deswegen werden diese Gewalttaten an Frauen verübt. Deswegen befinden sich die Frauen in der Guerilla besonders im Visier der Propaganda. So als ob die Frauen und jungen Menschen der PKK nicht zuvor in der Gesellschaft gelebt hätten. So als ob sie etwas Neues entdeckt hätten.

Die Frauen haben in der PKK ihren Willen und ihre Identität kennengelernt. Sie haben ihre Gedanken befreit, die Bedeutung ihrer Existenz erkannt und die Freiheit zu reden entwickelt. Denn in der Türkei haben Frauen ebenso wenig wie die Gesellschaft die Möglichkeit, sich frei auszudrücken.

Die Frauen werden angegriffen, weil eine Schwächung der Frauen eine Schwächung der PKK bedeutet. Im System wird Frauen niemals das Recht auf Freiheit zugestanden. In der letzten Zeit werden Soldatinnen, Polizistinnen und Dorfschützerinnen in den Vordergrund gestellt. Aber wir als PKK sind eine Freiheitsbewegung, die gegen alles Unrecht und für alle Frauen kämpft. Wir wissen, wofür wir kämpfen. Für unsere geraubten Rechte, unsere Identität, unsere Sprache und unsere Kultur. Aber wissen denn diese Dorfschützerinnen, wofür sie kämpfen?

Was kann man gegen die Spezialkriegspolitik unternehmen?

Wir müssen die Spezialkriegspolitik des türkischen Staates ganz genau betrachten. Das kurdische Volk wird als Nation angegriffen. Es soll keinesfalls als Nation anerkannt werden. Frauen, Männer, junge Menschen, die ganze Gesellschaft, wenn wir uns als Nation bewusst werden, können wir die Machenschaften des türkischen Staates stoppen. Alle unsere Aktionen richten sich gegen dieses Unrecht. Wenn man kein blindes und taubes Gewissen hat, dann erkennt man das.

Wir appellieren an alle, wachsam gegenüber den Lügen des türkischen Staats zu sein. Unsere Jugend soll sich den Bergen zuwenden. Sie soll sich vom Schatten der Mentalität des türkischen Staates befreien. Wer die Freiheit sucht, dessen Platz ist in den Bergen. Jede Kurdin und jeder Kurde, wo auch immer sie oder er ist, muss sich selbst vor diesen Methoden des Spezialkriegs schützen.