Ein für diesen Samstagabend geplantes Konzert des Istanbuler Kulturzentrums Mesopotamien (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) zum 32. Gründungsjubiläum ist von den türkischen Behörden verboten worden. Das teilte die kurdische Künstlerin Rewşen Apaydın auf einer Pressekonferenz im NÇM mit. „Ein Volk existiert mit seiner Sprache, Kultur und Kunst. Das NÇM schützt und fördert seit 32 Jahren die kurdische Kultur und Kunst. Diese große Widerstandstradition inspiriert und stärkt alle Bevölkerungsgruppen in diesem Land“, sagte Rewşen Apaydın. Die kurdische Kultur sei seit der Gründung der Republik Türkei vor hundert Jahren mit Verboten und Verleugnung konfrontiert, in den letzten Jahren sei daraus ein systematischer Vernichtungsfeldzug geworden.
Geplant war für heute ein großes Konzert, das unter dem Motto „Roja Azad, Hunera Azad“ im Eventcenter Yahya Kemal Beyatlı stattfinden sollte. Die Jubiläumsveranstaltung wurde wie in den vergangenen beiden Jahren „zum Schutz der öffentlichen Sicherheit“ verboten. „Wir wissen, dass diese Entscheidung politisch und willkürlich ist. Deshalb erkennen wir die Entscheidung nicht an. Wir möchten eindeutig festhalten, dass wir sie nicht gelten lassen. Kunst kann nicht verboten werden. Dieses Verbot ist die Fortsetzung einer hundertjährigen kulturellen Assimilierung und gleichzeitig Bestandteil der aktuellen politischen Atmosphäre“, erklärte Rewşen Apaydın im Beisein weiterer NÇM-Mitarbeiter:innen und solidarischer Kulturschaffender aus Istanbul. „Wir werden alle Hindernisse, mit denen die kurdische Kultur aufgehalten werden soll, mit unseren Liedern, Tänzen und Trillern zerschlagen.“
Anstelle der geplanten Veranstaltung kündigte Rewşen Apaydın für 18 Uhr zwei Konzerte in den Bezirksverbänden der DEM-Partei in Bağcılar und Sancaktepe an.
Die Geschichte des NÇM
Das Kulturzentrum Mesopotamien, dessen türkische Name Mezopotamya Kültür Merkezi lautet, wurde 1991 in Istanbul gegründet. Bekanntester Mitbegründer war der kurdische Schriftsteller Musa Anter, der 1992 vom türkischen Staat ermordet wurde. Das Kulturzentrum leistete in den Bereichen Musik, Theater, Tanz, Film und Literatur wertvolle Beiträge gegen die Assimilierung und Ignoranz, der die kurdische Kultur insbesondere in der Türkei ausgesetzt ist. Nach Istanbul wurden Zweigstellen in mehreren kurdischen Städten gegründet, die inzwischen alle durch das Erdoğan-Regime wieder geschlossen worden sind.