Am dritten Tag des Kurdischen Filmfestivals Hamburg wurden die Filme „Eine Brücke nach Rojava“ von Ekrem Heydo, „Hinter den Barrikaden“ von O-Young Kwon und anderen und der Film „Govenda Ali û Daiyka Zin“ von Mehmet Ali Konar gezeigt. Am Rande des Filmfestivals hatte ANF die Möglichkeit, mit O-Young Kwon zu sprechen.
„Hinter den Barrikaden“ dokumentiert die Belagerung und Zerstörung kurdischer Städte durch die türkische Polizei und Armee ab Herbst 2015. In kurdischen Hochburgen wie Cizîr, Nisêbîn, Silopiya, Gever und dem Altstadtbezirk Sûr in Amed wurden damals Ausgangssperren verhängt, teilweise monatelang. Hunderte Zivilist:innen wurden durch Scharfschützen, Artillerie und Panzerfeuer getötet. In Cizîr wurden mindestens 177 Menschen teils lebendig in Kellern verbrannt. Als Reaktion auf die brutalen Angriffe formierten sich lokale Zivilverteidigungseinheiten (YPS) der kurdischen Bevölkerung. Die Gräben und Barrikaden, die die oft sehr jungen Kämpfer:innen aushoben und aufbauten, wurden zum Symbol einer neuen Phase des Ringens um demokratische Autonomie und Selbstbestimmung.
O-Young Kwon, ein in Hamburg lebender Fotograf mit koreanischen Wurzeln, fuhr damals mit Journalisten des Lower Class Magazine in die Region, um die Ereignisse zu dokumentieren.
Wie kam es dazu, dass du damals in die Kampfgebiete gefahren bist?
Ich bin in Neukölln in Berlin geboren und aufgewachsen und obwohl ich selbst keine Wurzeln im Nahen Osten habe, hatte ich viele Freunde und Bekannte aus der Region und bin mit ihnen aufgewachsen. Die meisten sind ja auch wegen der Verfolgung von dort geflohen. So habe ich den kurdischen Konflikt indirekt kennengelernt. Ich habe es damals schon als Ungerechtigkeit wahrgenommen, aber wusste nicht, warum niemand etwas tut. Die Wahrnehmung hat sich dann aber verändert, als die Kurdinnen und Kurden den größten Anteil im Kampf gegen den IS in Nordsyrien getragen und den IS letztendlich besiegt haben. Plötzlich waren die Kurden ein angesehener Partner des Westens. Gleichzeitig begann die sogenannte Flüchtlingskrise, mit der die Türkei hingegen wieder als guter Partner des Westens gezeichnet wurde, der die Geflüchteten der Festung Europa sozusagen vom Leibe hält. Genau diesen Moment wollten wir nutzen, um die Ereignisse zu dokumentieren. Den zweiten Kameramann kannte ich von vorherigen Reisen, wo ich über die YDG-H [Patriotische Revolutionäre Jugendbewegung] recherchiert habe, den Widerstand in den Städten der Türkei. Die beiden Redakteure vom Lower Class Magazine sind dann auf mich zugekommen, weil sie von mir gehört hatten. Durch ihre Kontakte konnten wir monatelang für deutsche Printmedien aus den Gebieten berichten.
Wie lange wart ihr da?
Während der Aufstände war ich einen Monat mit den dreien dort, das erste Mal im Januar 2016. Die anderen waren im März noch einmal dort und dann sind sie noch in die Qendîl-Berge gereist, wo sie auch das Interview mit Besê Hozat gemacht haben, das in dem Film gezeigt wird. Das Interview mit Figen Yüksekdağ wurde gemacht, als ich auch noch dabei war. Sie kam gerade aus Cizîr, wo die Menschen in den Kellern verbrannt worden waren.
Wie war die Situation bei den Dreharbeiten? Habt ihr euch auch selbst in Gefahr gebracht?
In Istanbul im Oktober und November 2015 wurde ich sehr schikaniert und angegriffen, beleidigt, angeschrien und willkürlich festgenommen. Der Staat hoffte, dass ich durch die Schikanen abgeschreckt werde, meine journalistische Arbeit weiterzumachen. Im Januar wurden wir in Gever durch Scharfschützen beschossen und festgenommen in Straßenpanzer gebracht, wo wir verhört wurden. Daraufhin haben wir beschlossen, um unauffälliger zu sein uns in Zweierteams aufzuteilen und in verschiedenen Regionen zu bewegen, weil wir auch gedacht haben, dass wenn uns etwas passiert, wenigstens die andere Gruppe dann jeweils das Material noch herausbekommt. So bedrohlich war die Situation. Teilweise konnten wir nur mit der Handykamera arbeiten. In Sûr waren wir auch während eines Gefechtes dabei, ansonsten in den anderen Gebieten zwischen den Ausgangssperren. Es gab ja 24-Stunden-Ausgangssperren für mehrere Monate, unter anderem in Nisêbîn, 38 Tage am Stück. Wir haben Momente abgepasst, in denen die Ausgangssperren aufgehoben wurden, um dorthin zu reisen.