Kurdisches Filmfestival Hamburg beginnt mit Mano Khalils „Nachbarn“

In Hamburg hat am Mittwochabend das 13. Kurdische Filmfestival mit dem Film „Nachbarn“ von Mano Khalil begonnen.

Mit dem Film „Nachbarn“ des schweizerisch-kurdischen Regisseurs Mano Khalil begann am Mittwoch im Hamburger Zeise Kino das 13. Kurdische Filmfestival. Im Vorprogramm spielte „Koma Hivron“.

Yilmaz Peşkevin Kaba führte in die Veranstaltung ein und stellte das Programm vor. Er erinnerte daran, dass die Leiden, die in kurdischen Filmen gezeigt werden, keinesfalls der Vergangenheit angehören, sondern heute mit Chemiewaffenangriffen auf die Guerilla und mit Femiziden andauern. Die kurdische Bewegung führe jedoch auch die Revolution im Nahen Osten an, wie jetzt auch in Rojhilat, dem östliche Teil Kurdistans im Westiran, unter der Parole „Jin Jiyan Azadî“. Er erklärte, dass das Festival angesichts der Serhildan (Aufstände) in Rojhilat und Iran Jina Amini gewidmet sei.

Yasir Irmak aus dem Vorbereitungskomitee begrüßte die Gäste im gut gefüllten Zeise Kino und erklärte das Programm der kommenden Tage. Mano Khalil selbst konnte nicht an der Hamburg-Premiere seines Films teilnehmen, meldete sich aber per Video.

Meine eigene Geschichte“

Mano Khalil erklärte, dass es sehr wichtig für ihn gewesen sei, diesen Film zu machen, denn die Geschichte des kleinen Şero sei quasi seine eigene Geschichte. Er selbst habe im Alter von sechs Jahren am Stacheldrahtzaun zwischen dem durch die Türkei und Syrien besetzten und geteilten Kurdistan gestanden und seinen Onkel durch den Stacheldraht begrüßt.

Schon in seinem Film von 1992, „Wo Gott schläft“, der auf den ersten kurdischen Filmtagen gezeigt worden war, hatte Khalil dieses Thema bearbeitet. Khalil erklärte, dass Faschismus nicht nur in der Vergangenheit, sondern heute in der Türkei, in Syrien und im Iran stattfinde. Von Mano Kalil waren auch schon die Filme „David der Tolhildan“, „Die Schwalbe“ und „Der Imker“ auf früheren Hamburger Filmtagen gezeigt worden.

„Nachbarn“ führt die Zuschauer:innen in die 1980er Jahre des von Syrien besetzten Rojava, damals in der kurdischen Bewegung noch „Kleiner Süden“ genannt. Der kleine Şero erlebt sein erstes Schuljahr. Ein neuer Lehrer kommt in das kleine Grenzdorf. Unwillkürlich denkt man an den Roman „Ein Winter in Hakkari“, in dem ein türkischer Lehrer in ein nordkurdisches Dorf kommt. Şeros Kindheit verliert ihre Leichtigkeit, als er die Repression durch seinen neuen Lehrer, einen strammen Assad-Anhänger erleben muss, wie die jüdische Nachbarsfamilie, die eng mit seiner eigenen verbunden ist, zum „zionistischen Erzfeind“ stilisiert wird. Şeros kurdische Sprache wird als wertlos diffamiert, wenn die Schüler nicht in Arabisch auf die Fragen des Lehrers antworten können, werden sie geschlagen. Şero und seine Familie erleben Gewalt und Willkür, sowohl durch die syrische als auch durch die türkische Seite. Die eigene Familie jedoch erkämpft sich jeden Tag Würde, Liebe und Solidarität.

Mano Khalil hat es geschafft, der Brutalität und Gewalt der Besatzer nicht nur Schwere und Trauer entgegenzusetzen, sondern die Geschichte des kleinen Şero mit Humor und Satire zu erzählen. Jede Szene dieses Films ist mit viel Liebe zum Detail beleuchtet, sei es die vom Wind zerzauste syrische Fahne, die über dem Dorf weht, oder die sterbende Palme, die symbolisch für die Verkommenheit des Regimes steht. Mano Khalil ist es wirklich gelungen, die unbekannte Geschichte von Rojava vor der Revolution zu erzählen. Dieser Film macht deutlich, wie wichtig es ist und war, dass die Kurd:innen sich organisiert haben, um sich ihre Würde und Freiheit zu erkämpfen. Dem geliebten Onkel von Şero bleibt nichts als der Weg in die Berge zu den Freiheitskämpfer:innen, als er brutal gefoltert wird und zum syrischen Militär eingezogen werden soll.

Mehr als 30 Jahre an dem Film gearbeitet

Nach dem Film konnte noch mit den Schauspieler:innen Derya Uygular, die die Jüdin Hannah spielt, und Ismail Zagros gesprochen werden. Auf die Frage, ob die Rolle des Lehrers überzogen sei, erklärte Ismail Zagros, dass die Brutalitäten, die die Kinder in der Dorfschule im Film erleben, noch weit untertrieben wären. Er beschrieb die Atmosphäre der Dreharbeiten, die leider aufgrund der Repression nicht in Rojava selbst stattfinden konnten, wie es sich Mano Khalil gewünscht hätte, sondern in Südkurdistan bei Amêdî. Während der Dreharbeiten sei die US-Armee aus Rojava abgezogen, was das Team sehr geschockt hätte, seien doch die Kurd:innen, die gegen den IS gekämpft hatten, ein weiteres Mal im Stich gelassen worden. Auch hätten in der Nähe des Drehortes Kriegshandlungen stattgefunden, was insbesondere die Schweizer Crew schockiert habe. Die abziehenden US-Amerikaner seien von Dorfbewohner:innen aus Wut über den Verrat mit Steinen beworfen worden. Mano Khalil habe 30 Jahre über die Realisation dieses Filmes nachgedacht und an ihm gearbeitet. Später berichtete Zagros noch, dass Serhat Khalil, der Hauptdarsteller des Filmes, aus einem Geflüchtetenlager stamme und sich während des Drehs herausstellte, dass er mit Mano Khalil verwandt ist.

Derya Uygular erklärte, das sie selbst armenisch-kurdischer Herkunft sei, was dazu geführt habe, dass sie aufgrund ihrer Herkunft oft mit abfälligen Bemerkungen konfrontiert gewesen sei, daher sei ihr die Rolle der Hannah nicht fremd gewesen.

Selma Irmak, ehemalige Abgeordnete der HDP im Exil, sprach wohl für das ganze Publikum, als sie Mano Khalil zu dem Film gratulierte und den großen Wert dieses Filmes hervorhob, der wirklich zeige, welch hohes Niveau das kurdische Kino erreicht habe.

Fortsetzung des Filmfestivals im Kino 3001

Am Donnerstag geht es um 18.00 Uhr im Kino 3001 in der Sternschanze mit den Filmen „Pathway" von Lina Raza und „The other side of the River" von Antonia Kilian weiter

Um 20.00 Uhr beginnt der Film „This Rain will never stop“ von Alina Gorlova. Dieser Film wurde aus Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung ausgewählt. Der 20-jährigen Andriy Suleyman wurde als Sohn eines kurdischen Vaters und einer ukrainischen Mutter in Al-Hasaka Syrien geboren. Im Jahr 2012, als Andriy in der neunten Klasse war, floh seine Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Lyssytschansk, die Heimat seiner Mutter in der Ostukraine. Doch kurz nachdem sie ihr neues Leben begonnen haben, holt der Krieg die Familie wieder ein, als plötzlich ein neuer Konflikt in der Ukraine ausbricht.

Weitere Informationen zu den Filmtagen unter: http://hkff.info/