Fünf Jahre nach Konstantins Tod in Serêkaniyê

Vor fünf Jahren starb Konstantin Gedig bei einem türkischen Luftangriff in Nordsyrien. Der Generalbundesanwalt lehnt Ermittlungen ab, offenbar aus politischer Rücksichtnahme auf den NATO-Partner Türkei. Die Eltern können ihren Sohn nicht beerdigen.

Generalbundesanwalt sieht keinen Ermittlungsbedarf

Am 16. Oktober 2019 töteten türkische Kampfbomber den verwundet am Boden liegenden Konstantin Gedig in der nordsyrischen Stadt Serêkaniyê (ar. Ras al Ain). Bestärkt durch eine Äußerung der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul (Grüne), bei einem persönlichen Gespräch im Außenministerium („...dann ist das ja ein Kriegsverbrechen“) recherchierten die Eltern, Ute Ruß und Thomas Gedig auch in Nordostsyrien und erstatteten über ihren Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann am 11. März 2024 Strafanzeige beim Generalbundesanwalt. In seiner Entscheidung vom 17. Juni 2024 teilte der Generalbundesanwalt mit, dass die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde keinen Ermittlungsbedarf sieht, obwohl mit Konstantin ein deutscher Staatsbürger ermordet wurde:

„...Auf Ihre vorgenannte Strafanzeige habe ich die Sach- und Rechtslage geprüft, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens jedoch gemäß S 152  Abs. 2 StPO abgesehen, da keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallende Straftaten vorliegen...“

Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Partner...“

Ute Ruß und Thomas Gedig erklärten dazu in einer Mitteilung: „Die deutschen Regierungen von Merkel und Scholz sowie deutsche Berufspolitiker:innen predigen uns den Einsatz für die Demokratie, den Schutz der Menschenrechte, das regelbasierte Zusammenleben der Menschen und Völker. Dabei reicht die Begründung, ,Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Partner...', damit alle diese Prinzipien wertlos werden, wenn die genannten türkischen Verbrecher wieder einmal mit Krieg auf Beutezug gehen.“

Leichnam geborgen und „zusammengesetzt“

Türkische Medien hätten unmittelbar nach der Ermordung von Konstantin nicht nur über seinen Tod berichtet, sondern auch, dass die türkische Armee seinen Leichnam geborgen und „zusammengesetzt“ habe, so die Eltern: „Weder für den Generalbundesanwalt noch für das deutsche Außenministerium ist die Kenntnis hiervon Anlass, uns zu helfen und die Bergung und Beerdigung eines getöteten deutschen Staatsbürgers wirksam zu unterstützen. Deutschland glaubt lieber den Lügen der türkischen Stellen, dass man von nichts wisse!“

Konstantins fünfter Todestag

Heute jährt sich zum fünften Mal der Todestag des deutschen Landwirts Konstantin Gedig. Der Kieler ging am 1. September 2016 als Frontsanitäter nach Nordostsyrien und kämpfte gegen die Terroristen des Islamischen Staates. In Raqqa, der ehemaligen Hauptstadt des Kalifats, wurde er im August 2017 verwundet und kehrte im November 2017 nach Kiel zurück. Die Kugel des IS-Scharfschützen konnte nur hier entfernt werden. Wieder arbeitend als Landwirt in Arpsdorf bei Neumünster sagte er Anfang 2019 seiner Familie: „Daesh ist noch nicht besiegt!“ und begab sich in das ezidische Siedlungsgebiet in der kurdisch-irakischen Region Şengal. Dort schützte er zurückkehrende Flüchtlinge, baute zerstörte Tempel wieder auf und löschte von IS-Banden gelegte Feld- und Waldbrände.

Als am 9. Oktober 2019 die türkische Armee auf Befehl von Recep Tayyip Erdogan völkerrechtswidrig Nordostsyrien mit einer weiteren Invasion überfiel, eilte Konstantin Gedig seinen Gefährt:innen aus dem Kampf gegen den IS zu Hilfe.

Verantwortliche der Invasion

Ute Ruß und Thomas Gedig benennen als Verantwortliche für die Invasions-Entscheidung:

• Recep Tayyip Erdoğan, Staatspräsident, 

• Hulusi Akar, Minister für Nationale Verteidigung,  

• Abidin Ünal, Kommandeur der türkischen Luftstreitkräfte, 

• Levent Ergun, Chef des Generalstabs Operations, 

• Selçuk Bayraktaroğlu, Stabschef des Generalstabs sowie 

• die Abgeordneten des türkischen Parlamentes von AKP, CHP, MHP und IYI, die die Invasion durch Parlamentsbeschluss politisch unterstützt haben.