„Ein kleines Kurdistan“: Fotos von Camp Lavrio

Das selbstverwaltete Flüchtlingslager Lavrio in Griechenland war bis zur Räumung im vergangenen Sommer wie ein kleines Kurdistan. Jacques Leleu hat das Camp jahrelang unterstützt, seine Fotos werden in einer Ausstellung in Athen gezeigt.

Im Buchladen Meteorite in Athen wird eine Ausstellung mit Fotos aus dem ehemals selbstverwalteten Flüchtlingslager Lavrio gezeigt. Der Fotograf ist der Franzose Jacques Leleu, der das Camp mit dem Kollektiv Convoi Solidaire jahrelang mit Hilfslieferungen unterstützt hat. Die Ausstellung beinhaltet Fotos aus den Jahren 2016 bis zur Räumung im Sommer 2023.

Leleu erklärte zu der Ausstellung, dass niemand freiwillig sein Land verlasse und sich auf eine Flucht ins Ungewisse begebe. In Lavrio hätten die Menschen trotz erlittenem Schmerz und Armut gemeinschaftlich zusammengelebt: „Sie erschufen ein kleines Kurdistan, in dem sie in ihrer Sprache sprechen und ihre Kinder mit der eigenen Kultur aufwachsen konnten. Sie hatten Hoffnung, sie lachten, sie tanzten. Und sie träumten vom Tag des Sieges, an dem sie in ihre Heimat zurückkehren könnten.“


Lavrio ist eine Kleinstadt in der griechischen Provinz Attika, ca. 60 Kilometer südlich von Athen. Dort befand sich eines der ältesten Flüchtlingslager Griechenlands: Erbaut in den 1960er Jahren für Flüchtlinge des Kalten Krieges aus der Sowjetunion, kamen in den 80er Jahren hauptsächlich politische Flüchtlinge aus der Türkei, die dem Militärputsch dort entkommen waren. Lavrio war als Aufnahmelager für kurdische Schutzsuchende bekannt und wurde von der türkischen Regierung als „terroristisches Ausbildungslager" angefeindet. Ab 2014 kamen vermehrt kurdische Familien aus Rojava/Nordsyrien hinzu, die vor den Angriffen des Islamischen Staates (IS) flüchteten. Zuletzt machten sie die Mehrheit der Bewohner:innen aus, aber auch Kurd:innen aus Bakur, Rojhilat und Başûr lebten im Lager.

Das Camp wurde bis 2017 als offizielle Einrichtung mit Hilfe des griechischen Roten Kreuzes betrieben. Als dem Lager überraschend die staatliche Unterstützung entzogen wurde, entstand eine Art Selbstverwaltungszone, finanziert aus Spenden, unter anderem vom Kurdischen Roten Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê). Die Selbstverwaltung des Lagers arbeitete nach dem Prinzip der Demokratischen Autonomie. Es gab Komitees für Sicherheit, Sauberkeit, Gesundheit, Frauen, Jugend und Verwaltung.

Im Juli 2023 wurde das Camp von einem Großaufgebot der griechischen Polizei zwangsgeräumt. Die Räumung erfolgte kurz nach einer Erklärung der neuen rechten Regierung Griechenlands, einen Neubeginn im Verhältnis zur Türkei zu starten. Wenige Tage später fand ein NATO-Gipfel in Litauen statt, auf dem es erneut um die von der Türkei blockierte Aufnahme Schwedens ging.

Der Aktivist Hasan Hüseyin Ebem vom kurdischen Gesellschaftszentrum in Athen ist davon überzeugt, dass die Räumung des selbstverwalteten Lagers eine Geste der griechischen Regierung an den türkischen Staat gewesen ist. „Camp Lavrio hatte eine historische Bedeutung“, sagte Ebem bei der Ausstellung in Athen. Das Lager habe Raum für ein menschenwürdiges Leben geboten und sei von der Erdogan-Regierung als Angriffsziel ausgewiesen worden: „2023 wurde das Camp geräumt und unsere Leute wurden ihrem Schicksal überlassen. Die griechische Regierung ist der türkischen Politik gefolgt. In seiner siebzigjährigen Geschichte war das Lager ein Zufluchtsort für Tausende Menschen, Zehntausende sind auf der Flucht hier gewesen. Wir verurteilen die Räumung. Die Staaten überlassen mit ihrer schmutzigen Politik Menschen dem Tod. Die Schließung von Camp Lavrio ist eines der jüngeren Beispiele für diesen unmenschlichen Umgang.“