Dokumentationen zur kurdischen Frage im Visier des Staates

Vergangenes Jahr wurden die Regisseure Çayan Demirel, Ertuğrul Mavioğlu und Veysi Atay für ihre Reportagen verurteilt, dieses Jahr stehen die Regisseure Kazım Öz, Özay Şahin, Kutbettin Cebe und Şiyar Dicle vor Gericht.

Erneut stehen dieses Jahr mehrere Regisseur*innen, die Dokumentationen zur kurdischen Frage erstellt haben, vor Gericht. Der Staat benutzt die Vorwürfe der „Terrorpropaganda“ und der „Unterstützung einer Terrororganisation“, um Dokumentationen zu kriminalisieren und Filmschaffende zu inhaftieren.

Im Februar und März finden Verhandlungen gegen mehrere kurdische Regisseure wie Kazım Öz, Özay Şahin, Kutbettin Cebe und Şiyar Dicle statt. Für Kutbettin Cebe wird es der zweite Prozesstag sein. Er soll für seine Dokumentation Roza İki Nehrin Ülkesi” (Roza – das Land der zwei Ströme) aus dem Jahr 2016 wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt werden. Wir sprachen mit Cebe über die Repression im Allgemeinen und das Verfahren im Besonderen.

Sie stehen wegen der Dokumentation „Roza – das Land der zwei Ströme” vor Gericht. Könnten Sie eine Einschätzung zum Verfahren abgeben?

Ich stehe wegen der Dokumentation „Roza – das Land der zwei Ströme” vor Gericht. Ich wurde 2018 festgenommen und wegen „Terrorpropaganda“ angeklagt. Aber um welche Organisation ging es dabei? Es ging um die YPG. Ja, um die Organisation, die sich durch ihren Kampf gegen den „Islamischen Staat” den Respekt der ganzen Welt verdient hat. Diese Organisation wird nun in den Anklageschriften des türkischen Staates als „Terrororganisation“ geführt und diejenigen, die ihren Namen erwähnen, können alle möglichen Strafen erhalten. Das Verfahren, das mich vor Gerichte brachte, entwickelte sich genau so. Wir hatten den Namen einer Organisation genannt, deren Namen zu erwähnen unser „heiliger Staat“ verboten hatte.

In der Türkei stehen viele oppositionelle Filmemacher*innen und Regisseur*innen vor Gericht. Bei der Mehrheit handelt es sich um kurdische Regisseur*innen. Allein in den nächsten zwei Monaten stehen vier kurdische Filmemacher vor Gericht. Wie betrachten Sie die Verfolgung kurdischer Regisseur*innen?

Kurdische Regisseur*innen, Regisseur*innen aus der Türkei und Videoaktivist*innen stehen vor Gericht. Es scheint, als habe der Staat die Kraft des Kinos entdeckt. Wir kennen den Beitrag von Dokumentationen, Filmen und Videos für den Prozess der Entwicklung eines Bewusstseins über Alternativen. Es ist offensichtlich, dass der Staat in den vergangenen fünf Jahren, in denen er seine Hegemonie zu verfestigen sucht, ein Auge auf das Kino geworfen hat. Insbesondere das Vorgehen gegen kurdische Regisseur*innen und Menschen aus der Türkei, die Filme über die kurdische Frage machen, hat sich verschärft. Es gab Strafen für den Film „Bakur“ und für den Film „Nujîn“. Zusammengefasst glaube ich, dass die kurdischen Regisseure und die Filmschaffenden aus der Türkei ins Visier geraten sind, seitdem das Land unter den Problemen zusammenzubrechen droht.

Gut, aber was sagen Sie zum Vorwurf der „Terrorpropaganda“?

„Terrorpropaganda“ ist ein hervorragender Begriff, den der Staat entdeckt hat, um vom Staat unabhängige Filmschaffende einzuschüchtern. „Terrorpropaganda“ ist eine Legitimation sowohl nach innen als auch nach außen. 99 Prozent der Verurteilungen finden unter diesem Begriff statt.

Für viele der Regisseur*innen ist es mittlerweile unmöglich Säle zu finden, in denen ihre Filme aufgeführt werden. Wie beeinflusst dies die Filmproduktion? Behindert die Repression die Produktion von Dokumentationen und Kinofilmen?

Aufgrund der staatlichen Repression gibt es Schwierigkeiten Räumlichkeiten zu finden. Unabhängigen Filmen wird auf Festivals mit Verdacht und Zweifel begegnet. Filme, die sich mit der kurdischen Frage beschäftigen, finden gar keinen Platz. Es ist klar, dass dies von Nachteil ist. Allerdings sind unabhängige Filmemacher nicht so abhängig von Sälen und Festivals wie die Filmindustrie.

So haben wir beispielsweise eine unserer Dokumentationen in Cafés gezeigt. Der Bourgeois liebt die Festivals und die Vernissagen. Natürlich sind die Festivals Orte, an denen wir uns als Filmschaffende präsentieren, aber wenn sie fehlen, dann denke ich, kann eine revolutionärere Phase mit noch größerem Eifer eingeleitet werden.