Die Bürgerhalle Münster wird vom 9. Juli bis zum 13. August die Ausstellung „Über Leben. Ezidinnen nach dem Femizid 2014 – Aufarbeitung, Gerechtigkeit, Menschenrechte“ des Vereins Women for Justice e.V. zeigen. In Interviews und Fotos erzählen ezidische Mädchen und Frauen über ihre Herkunft, die Ankündigung und Ablauf des Femizids, Verschleppung und Versklavung durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), die Befreiung und ihre Zukunftswünsche.
Am 3. August 2014 wurde die Weltöffentlichkeit Zeuge eines genozidalen Angriffs durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) mit dem Ziel der Auslöschung einer der ältesten Religionsgemeinschaften, den Ezidinnen und Eziden. Durch systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen sowie der Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten erlebte die ezidische Gemeinschaft den 74. Völkermord in ihrer Geschichte. Mindestens 10.000 Menschen fielen Schätzungen nach den Massakern des IS zum Opfer. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden entführt, mehr als 400.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und weitere Tausende werden bis heute vermisst. Während in den letzten Jahren eine große Zahl von verschleppten Mädchen und Frauen befreit werden konnte, befinden sich noch mindestens 2.500 von ihnen in IS-Gefangenschaft. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.
Über Leben sprechen
Die Ausstellung von Women for Justice, deren Vorläuferin die „Plattform für Verschleppte Frauen“ war, widmet sich ezidischen Frauen, denen die Flucht vom IS gelang und die den Mut fanden, über die Gewalt zu berichten, die der IS ihnen angetan hat. Sie wurden zwischen Dezember 2017 und März 2018 in Qamişlo (Rojava/Nordostsyrien), in Şengal (Şingal/Sinjar, Nordirak) und im Raum Baden-Württemberg interviewt. Sie wollen Zeugnis für mögliche Gerichtsverfahren gegen die Täter ablegen, die Kriegsverbrechen gegen sie bekannt machen und künftig unterbinden, und über noch gefangene Menschen berichten. Sie erzählen eine Geschichte von Leid sowie großer Stärke. Ihnen ist wichtig, ÜBER LEBEN zu sprechen, denn ihre Kraft erwächst aus der Hoffnung, durch Aufarbeitung, Gerechtigkeit, Menschenrecht und internationalen Schutz zum Frieden für alle Ezid:innen zu gelangen.
Der Verein Women for Justice e.V., der in Burgwedel bei Hannover sitzt, möchte mit dieser Ausstellung die oft vorhandene Unkenntnis über die ezidische Kultur und Religion überwinden. Diese trage dazu bei, dass Ezid:innen immer wieder verfolgt wurden. Die Kette der Genozide und zunehmenden Femizide muss unterbrochen werden, fordert die Organisation. Zu ihren Aufgabenfeldern gehört in erster Linie die gerichtsfeste Dokumentation der IS-Gräuel, Traumabewältigung und Hilfsprojekte in Şengal. Unterstützt wird die Ausstellung von UN WOMEN Nationales Komitee Deutschland e.V. und dem Deutschen Frauenring e.V.
Vortrag: „Wenn Menschen Völkermord überleben - Über die Narben der Gewalt und das Weiterleben mit dem Trauma“ – von der Historikerin Diana Grings
Am 6. August wird Diana Gring um 18.30 Uhr im Rahmen der Ausstellung einen Vortrag mit dem Titel „Wenn Menschen Völkermord überleben - Über die Narben der Gewalt und das Weiterleben mit dem Trauma“ halten. „Einblicke in die Lebensgeschichten von Überlebenden des Holocaust und anderer Völkermorde zeigen, wie zeitlos traumatische Erinnerung sein kann und wie sie in jedem Lebensabschnitt neue Herausforderungen mit sich bringt. Im Prozess vom ‚Opfer‘ zum ‚Zeitzeugen‘ entwickeln von Genoziden Betroffene häufig bewundernswerte Bewältigungsstrategien und Ressourcen“, heißt es in der Ankündigung. Diana Gring arbeitet als Historikerin in der Gedenkstätte Bergen-Belsen, ist systemische Traumafachberaterin und engagiert sich im Verein Women for Justice e.V. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.