Seit 2006 gilt der 15. Mai als Tag der kurdischen Sprache. Das Datum geht auf die erste Herausgabe der Zeitschrift Hawar im Jahr 1932 zurück. Die in Damaskus herausgegebene Zeitschrift wird als Schule des kurdischen Verlagswesens angesehen und spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte der kurdischen Sprache.
In Amed (tr. Diyarbakir) finden anlässlich dieses Tages vielfältige Aktivitäten der Kurdischen Sprachplattform und des Netzwerks für Sprache und Kultur statt. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben am Samstag auf die Bedeutung von Sprache und die Assimilationspolitik des türkischen Staates aufmerksam gemacht.
Şilan Elmas Kan: In der Türkei darf es nur eine Sprache, Religion und Fahne geben
Vor dem Justizgebäude in Amed gaben die Anwaltskammer, der Menschenrechtsverein IHD, die Juristenvereinigung ÖHD und der Mesopotamische Verein für Sprache und Kultur (MED-DER) eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie auf die Unterdrückung der kurdischen Sprache hinwiesen und Maßnahmen zum Erhalt aller gefährdeten Sprachen forderten. Die monistische Staatspolitik müsse ein Ende finden, vielmehr müsse ein vielsprachiges und multikulturelles Leben gefördert werden. Dazu gehöre das Recht auf muttersprachlichen Unterricht, das in der Verfassung verankert sein müsse. Die Organisationen forderten außerdem, dass umbenannte Orte ihre ursprünglichen Namen zurückbekommen.
Şilan Elmas Kan, die Ko-Vorsitzende von MED-DER, sagte: „Es findet eine Politik statt, nach der es nur eine Sprache, eine Religion und eine Fahne geben darf. Die kurdischen und weiteren Sprachen werden unterdrückt und ausgelöscht. Wenn eine Sprache nicht gesprochen wird, verschwindet sie und wird vergessen. Damit verschwindet auch unsere Kultur. Wenn wir uns nicht für unsere Sprache einsetzen, wird die Unterdrückung des kurdischen Volkes und seiner Sprachen noch größer werden.“
Elvan Koçer: Das kurdische Volk kämpft um seine Existenz
Kurdische Kulturvereinigungen gaben vor dem Stadttheater in Amed eine Erklärung ab. Beteiligt waren die Musikschule MA, MED-DER und das Kulturzentrum Dicle-Firat. Die Schauspielerin Elvan Koçer erklärte, dass der gesellschaftliche Fortschritt auch vom Erhalt der eigenen Sprache abhängt: „Die Sprache und Kultur des kurdischen Volkes werden seit über 200 Jahren systematisch unterdrückt. Kurdische Kinder können bis heute nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Kurdische Lieder werden verboten, kurdische Musikerinnen und Musiker kommen für Jahre ins Gefängnis, weil sie kurdische Lieder singen. Zuletzt ist zu Newroz traditionelle kurdische Kleidung verboten worden. Kinder wurden sogar ausgezogen und halbnackt stehengelassen.“
Die Kurdinnen und Kurden führten einen Existenzkampf, alle Errungenschaften seien bedroht, sagte die Schauspielerin des Stadttheaters und rief dazu auf, sich für die Sprache, Kunst, Kultur, Existenz und Freiheit des kurdischen Volkes einzusetzen.