TagX, Anti-Kriegsbewegung und der Aufbau realer Gegenmacht

Um ein stärkeres gemeinsames internationalistisches Zeichen zu setzen, rufen Gruppen und Einzelpersonen von #RiseUp4Rojava auf, sich den anderen an der Kampagne beteiligten Ländern anzupassen.

Nachdem wir die letzten Wochen mit der Mobilisierung gegen einen weiteren Einmarsch der Türkei in Rojava und mit den Aktionstagen der Kampagne #Riseup4Rojava am 6. und 7. September verbracht haben, stehen wir jetzt an dem Punkt, dass wir einige Analysen und Reflexionen dazu teilen wollen.

An den Aktionstagen wurde mit über 48 Aktionen in 16 Ländern ein starkes Zeichen gegen die Angriffe des faschistischen Regimes der AKP/MHP und ihrer internationalen Unterstützung auf Rojava gesetzt: die Akteure wurden benannt, besucht und blockiert. Die meisten dieser Aktionen waren leider noch keine Massenaktionen. Dennoch haben wir deutlich gemacht, dass die Errungenschaften der Revolution in Rojava/Nordostsyrien überall auf der Welt gegen den Faschismus verteidigt werden müssen, in Rojava selbst, aber auch in den kapitalistischen Zentren, die die Angriffe auf so vielen Ebenen mittragen und mitverantworten.

Wir wissen, dass dieses starke Wochenende noch nichts daran ändert, dass die Kriegsmaschinerie weiter ihre Zahnräder dreht, dass sie weiter Profit mit dem Tod unserer Freund*innen und tausenden anderen Menschen macht. Deshalb müssen wir uns damit befassen, wie es weiter gehen kann. Wir freuen uns, wenn mehr Menschen und Strukturen ihre Gedanken dazu teilen und zur Diskussion stellen. Dafür möchten wir euch zwei Texte aus den letzten Wochen empfehlen, welche die aktuelle Lage analysieren, einen kritischen Beitrag zur Tag X-Mobilisierung in Deutschland leisten und versuchen eine gemeinsame Perspektive aufzeigen.

Rojava verteidigen, aber wie? und Gemeinsam kämpfen, aber wie?

Wir teilen die Perspektive, dass einzelne Aktionen, Aktionstage oder Aufrufe zu Tag X nicht ausreichen, die Revolution in Rojava und der gesamten Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien, welche Hoffnungsträger, Vorbild, Heimat und Bezugspunkt ist – zu verteidigen. Durch den Aufbau und die Stärkung von gesellschaftlichen Strukturen an den Orten an denen wir leben, kann eine wirkliche Alternative zum System durch Selbstverwaltung möglich und praktisch lebbar gemacht werden. Diese Erfahrungen und Verbindungen in einen Kontext internationaler Kampagnen und Mobilisierung gestellt, können zu einer Anti-Kriegsbewegung beitragen, welche wirkmächtig in den militärisch-industriellen Komplex in Deutschland eingreifen kann. Und wir teilen die Perspektive, dass es eine stärkere ideologische Selbstverteidigung durch Bildung und das Erreichen eines gemeinsamen Bewusstseins geben muss, denn das System basiert auf der Hegemonie über unser Denken und Wollen.

In der weltweiten Kampagne RiseUp4Rojava steckt ein großes Potential, jedoch kommt es auf die Annäherung an und wie sie in die Praxis umgesetzt wird. Sie sollte lokale Aktionen durch einen internationalen Bezug sichtbarer machen, global Dynamiken freisetzen und verbinden, zur Formulierung gemeinsamer Ziele und Strategie beitragen und über die Thematisierung der Revolution in Rojava den Blick für die gesamte Lage in Kurdistan und den Mittleren Osten schärfen. Und dabei sollte sie sich nicht auf die ausschließliche Mobilisierung gegen weitere, mögliche Angriffe auf Rojava verengen. Denn der Krieg steht nicht bevor, er ist bereits im vollen Gange.

„Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen“ - Andrea Wolf

Eine Stärke der Kampagne ist die Vernetzung und Koordinierung so vieler Strukturen, also Menschen aus sehr vielen unterschiedlichen Ländern. Damit können wir den internationalen Kampf stärken, voneinander lernen, uns unterstützen, kritisieren und gemeinsam weiterwachsen. Eine gemeinsame Kraft entwickeln – und so die internationale Solidarität auf eine neue Ebene heben.

Vor allem machen wir unsere schon vorhandene Stärke durch gemeinsame Momente wie Tag X-Mobilisierung und Aktionstage sichtbar und beziehen uns aufeinander. Gemeinsame Momente auf der Straße vor den Toren Rheinmetalls in Unterlüß im Zusammenhang der internationalen Aktionstage lassen uns erahnen, welche Relevanz und Stärke aus einer internationalen Kampagne in Verbindung mit lokalen und regionalen Kämpfen entwickelt werden kann. Eine Kraft, welche in der Lage ist, ins politisch-militärische Geschehen, ob im Mittleren Osten oder in Kolumbien, durch eine Anti-Kriegsbewegung in den Metropolen einzugreifen.

Dafür ist wichtig, dass Aktionen, Termine, Strategien gut aufeinander abgestimmt sind. Ein kleiner Schritt dafür ist internationale Koordinierung – welche bis jetzt meist erfolgreich, aber in einem Punkt lückenhaft verlaufen ist. Die Kampagne hat für den Fall eines erneuten Einmarsches/ Angriffs auf Rojava dazu aufgerufen eine Tag X+1 Mobilisierung in den verschiedenen Ländern und Städten zu forcieren. In Deutschland haben wir bis jetzt auf Tag X mobilisiert. Hiermit rufen wir alle Strukturen dazu auf, die Mobilisierung auf Tag X+1 zu ändern. Ort und Zeit (in den meisten Städten 18 Uhr an einem zentralen Ort) können unverändert bleiben.

Dieser Aufruf ist nach einer Diskussion von Strukturen aus mehreren Städten entstanden, die der Meinung sind, dass es zentral ist, sich den anderen an Riseup4Rojava beteiligten Ländern anzupassen, um ein stärkeres gemeinsames internationalistisches Zeichen zu setzen.

Abgesehen von den konkreten Planungen und der Mobilisierung für einen Tag X+1, der eine konkrete Reaktion auf einen Einmarsch in Rojava bedeutet, ist uns wichtig zu betonen, dass eine solche Mobilisierung nicht dazu einladen soll, auf eine Invasion zu warten. Wir müssen uns vor Augen führen, in welcher Situation unsere Freund*innen gerade jetzt – jeden Tag – in Rojava, in den Bergen Başûrs und Bakurs kämpfen und die Revolution verteidigen.

Demnach sollten auch wir jeden Tag unsere Verantwortung als Internationalist*innen und Revolutionär*innen wahrnehmen und unsere Rolle erfüllen, die Revolution auch hier zu verbreiten und aufzubauen, den Kampf als internationalistischen Kampf begreifen – auf allen Ebenen. Egal wo auf der Welt wir uns befinden, solange wir ernsthaft die Werte und Prinzipien einer befreiten Gesellschaft aufbauen und verteidigen, werden wir damit auch die Revolution in Kurdistan verteidigen.

Gruppen und Einzelpersonen aus der Kampagne RiseUp4Rojava in Deutschland

Titelbild: Aktivist*innen der Kampagne und dem Rheinmetall-Entwaffnen-Camp vor dem Wohnsitz von Armin Papperger, Vorstand der Rheinmetall AG