Am morgigen Tag, dem Tag der kurdischen Sprache, werden 16 Personen vom Verein zur Erforschung der kurdischen Sprache (Komeleya Lêkolînên Kurdî) aus Istanbul ihr Zertifikat als Kurdischsprachlehrer*innen erhalten. Seit mittlerweile 2006 bildet der Verein Lehrer*innen der kurdischen Sprache aus. Wir sprachen mit Eyyüp Subaşı, dem Vorsitzenden des Vereins, über die Situation der kurdischen Sprache in der Türkei und Nordkurdistan.
„Die Sprache soll weiterhin ausgelöscht werden“
Zur Situation der kurdischen Sprache in allen vier Teilen Kurdistan erklärt Subaşı: „Wir können heute sagen, dass die vier Staaten, auf welche die Kurd*innen aufgeteilt wurden, eine Politik verfolgten, die zur Auseinanderentwicklung der Sprache beitragen soll. Die Kurd*innen aus den verschiedenen Teilen sollten sich nicht mehr in ihrer Muttersprache verständigen können. Diese Politik dauert auch heute in Teilen an. Weiterhin wird daran gearbeitet, die Sprache auszulöschen. Lediglich in Südkurdistan ist die Situation heute anders. Denn die irakische Zentralregierung hat das Kurdische als zweite Amtssprache neben dem Arabischen anerkannt. Doch in den anderen Teilen Kurdistans haben die jeweiligen Zentralregierungen einen solchen Schritt bislang nicht getan. In Rojava hingegen ist es den Kurd*innen gelungen, auch ohne Einwilligung der Zentralregierung in Damaskus den kurdischsprachigen Unterricht aufzubauen. In den Schulen wird seit sieben Jahren Kurdisch gelehrt. Es gibt gar mittlerweile kurdischsprachige Universitäten.“
„Das Kurdischsprechen in Istanbul bleibt gefährlich“
Über die alltäglichen Probleme beim Gebrauch der kurdischen Sprache in Istanbul, wo schätzungsweise sechs Millionen Kurd*innen leben, berichtet Subaşı Folgendes: „Wenn es um den Gebrauch der kurdischen Sprache im Westen der Türkei geht, schauen alle auf den Bezirk Beyoğlu. Und tatsächlich kann man hier auch frei kurdisch sprechen. Das gilt allerdings nicht für die anderen Bezirke Istanbuls. Sprichst du dort auf offener Straße kurdisch, kann es schnell passieren, dass du tätlich angegriffen wirst. Das hat vor allem mit der feindseligen Politik des Staates gegenüber den Kurd*innen zu tun. Angriffe auf Kurd*innen bleiben straflos, die staatliche Justiz ahndet sie nicht. Und dadurch können Rassisten auf offener Straße frei walten und müssen nichts befürchten.“
„Wir dürfen nicht auf den Staat warten“
Subaşı ergänzt, dass an die Vorstellung, beispielsweise ein kurdischsprachiges Schild über einen Laden zu hängen, in Istanbul gar nicht zu denken ist: „Entweder steht dann die Polizei oder ein faschistischer Mob binnen weniger Minuten vor der Tür.“
Für den Vorsitzenden des Vereins zur Erforschung der kurdischen Sprache ist klar, dass die Anerkennung und Gleichbehandlung der kurdischen Sprache eng mit dem Status der Kurd*innen verknüpft ist. Das werde auch daran deutlich, wie die türkische Regierung sich derzeit im Umgang mit der Sprache der kurdischen Bevölkerung verhalte. „Sie will eindeutig, dass die Sprache vergessen wird. Wir hatten vor zwei Wochen das Beispiel, dass der türkische Botschafter in Japan intervenierte, weil an der Universität von Tokio kurdisch gelehrt wird. Die Türkei setzt also sogar diplomatische Mittel ein, um der Entfaltung der kurdischen Sprache Einhalt zu gebieten. Wir sollten deshalb nicht auf den Staat warten und nichts vom ihm erwarten. Sonst werden wir auch in den nächsten 30 Jahren keinen Schritt weiterkommen. Wir müssen stattdessen unsere Schulen selbst aufbauen. Das sollte Teil unseres politischen Kampfes werden. Wir müssen Schulen und Vereine für die Lehre und zur Entwicklung der kurdischen Sprache aufbauen. Nur so können wir den Staat vor vollendete Tatsachen stellen und uns durchsetzen.“