Rechtsruck verhindern, Demokratie stärken, der Freiheitsbewegung zuhören

Es ist keineswegs so, als hätte die kurdische Freiheitsbewegung den Masterplan im Umgang mit Faschisten in der Tasche. Doch immerhin beweist diese Bewegung, was eine starke und organisierte Zivilgesellschaft bewirken kann.

Die Enthüllung des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV über das Geheimtreffen rechtsextremer Netzwerke in Potsdam war ein Paukenschlag. Der Schulterschluss der Faschisten mit ihrem „Masterplan“ zur Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland unter dem euphemistischen Stichwort „Remigration“ zeigt, wie konkret die Umsturzpläne sind.

Was Teile der Zivilgesellschaft längst wissen: Auch in Deutschland droht eine konzertierte Aktion von Rechtsradikalen, die das Ziel hat, die in der Verfassung garantierten Grundrechte auszuhebeln.

In einem bemerkenswerten Statement reagierte hierauf auch der kurdische Dachverband KON-MED und rief zum Widerstand auf. Das Besondere an diesem Appell ist, dass er von einer Seite kommt, die weiß, wovon sie spricht. Viele der bei KON-MED organisierten Aktivist:innen haben in der Türkei Angriffe auf Demokratie und Menschenrechte selbst erlebt und sind geübt im Umgang damit. Sie entwickelten feine Antennen für Anzeichen faschistischer Umtriebe, Verletzungen von auf dem Papier garantierten Grundrechten, und sie haben vor allem Erfahrung mit Gegenwehr. Diese besteht vor allem darin, auf die Kraft der Zivilgesellschaft zu setzen, sich in eigenen Strukturen zu organisieren und dabei dem Staat immer zu misstrauen.

In Deutschland wird jetzt quer durch alle bürgerlichen Parteien der Ruf nach einem Verbot der AfD lauter. Das kann man natürlich machen; der Weg wird – im Gegensatz zum Verbot migrantischer Organisationen – lang und steinig sein. Doch den faschistischen Bodensatz in der Gesellschaft wird man damit nicht austrocknen. Die eher hilflos wirkenden Rezepte der im Parlament vertretenen und nun aufgeschreckten Regierungs- und Oppositionsparteien zeigen die begrenzte Handlungsfähigkeit staatlicher Institutionen. Zu lange wurde abgewartet, verharmlost. Wir erinnern uns an die tausendfachen „Einzelfälle". Und hört man genau hin, richtet sich der Blick dann doch eher auf die nächsten Wahlen und den Machterhalt der eigenen Partei und nicht um Strategien zur Abwehr eines Umbaus der Gesellschaft von rechts.

Hätten die Politiker:innen, die heute den Zusammenhalt der Demokraten beschwören, den Kurd:innen seit den rassistischen Übergriffen in den 90er Jahren oder spätestens nach den NSU-Morden einmal zugehört! Hätten sie sich einmal ernsthaft beschäftigt mit dem Lösungsansatz einer „demokratischen Nation“, die von einer der größten Communities unter den Migrant:innen in Deutschland zur Diskussion gestellt wird! Hätten sie doch den immer wieder angebotenen Dialog aufgenommen, bei dem es darum ging, Wege aus Krisen und Kriegen zu finden, die Demokratie zu stärken, Minderheiten zu schützen und Menschenrechte zu wahren!

Doch diese Chance wurde verspielt. Lag die Verweigerung des Austauschs mit der kurdischen Bewegung am Festhalten einer von Bündnistreue und Kapitalinteressen geleiteten Außenpolitik oder war es einfach die Arroganz der Macht, dass man statt Dialog den Weg der Verbote und Kriminalisierung wählte?

Es ist keineswegs so, als hätte die Freiheitsbewegung, deren Kämpfe nicht in den Metropolen stattfinden, den Masterplan im Umgang mit Faschisten in der Tasche. Doch immerhin beweist diese Bewegung, was eine starke und organisierte Zivilgesellschaft bewirken kann: In Kurdistan mit der Demokratischen Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES), auch bekannt als Rojava, oder durch den erfolgreichen Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat.

Mittlerweile gibt es auch in den europäischen Metropolen höchst lebendige Strukturen dieser Bewegung. Den derzeit ratlos-irrlichternden Politiker:innen sei empfohlen, sich zu fragen, ob sie es sich noch leisten wollen, dieses Potential zur Organisierung demokratischer Strukturen zu ignorieren oder zu verbieten. Die Forderung „Weg mit dem Verbot der PKK“ ist keine beharrlich wiederkehrende Floskel, sondern heute mehr denn je ein Appell, endlich den Beitrag der kurdischen Freiheitsbewegung zur Stärkung der demokratischen Kräfte in diesem Land anzuerkennen und gemeinsam den Rechtsruck zu verhindern.

Titelbild: Fotokollektiv Links Unten Göttingen