Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED) hat zu den Enthüllungen faschistischer „Remigrationspläne“ eine Erklärung abgegeben, die wie wie folgt dokumentieren:
Faschistische Konferenz in Potsdam – Gemeinsam Widerstand leisten
Eine Konferenz faschistischer Kräfte hat sich am 25. November in Potsdam getroffen und einen sogenannten „Masterplan“ für die Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vorgestellt. Dabei sollen auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft aus Deutschland vertrieben werden. Besonders brisant ist die Beteiligung von CDU-nahen Personen. Die Verquickung von Faschisten, Unternehmern und Konservativen ist eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung – es ist an uns, die Katastrophe zu verhindern.
Wahrscheinlich hat es seit dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des dritten Reiches keine derart große Bedrohung durch faschistische Kräfte in Deutschland gegeben wie zurzeit. Dass Faschisten Pläne schmieden für eine Zeit nach der Machtergreifung, ist ein deutliches Warnzeichen. Wir rufen die Zivilgesellschaft in Deutschland dringend dazu auf, sich vereint mit allen demokratischen Kräften gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu stellen.
Dass Pläne zur Deportation in Vernichtung umschlagen, kann nicht ausgeschlossen werden. Denn wie schon der Auschwitz-Überlebende Livo Premi sagte: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“
Die Rhetorik wird menschenverachtender, die Gesetze auch
Schon seit einigen Jahren wird die Stimmung in Deutschland gegenüber Geflüchteten und Menschen mit Migrationsgeschichte immer feindlicher. Nicht nur an Stammtischen wurde gegen Menschen, die vor Krieg, Verfolgung, Unterdrückung und der Zerstörung ihrer Lebensräume geflohen sind, auf üble Weise polemisiert. In vielen Medien, vor allem den Talkshows, konnten Rassist:innen ihre antidemokratische Haltung offen zum Besten geben. Auch auf Regierungsebene und in den Parlamenten wurde, wieder einmal, populistische Politik auf dem Rücken von Menschen gemacht, die alles verloren haben.
Neue Gesetze führten dazu, dass Geflüchtete in den Ämtern und Behörden mit noch mehr Repression konfrontiert werden als zuvor. Die kasernierte Unterbringung und entmenschlichende Behandlung in Lagern und Wohnheimen hatte unter anderem ihren Anteil an mehreren Suiziden unter kurdischen Geflüchteten. Menschen werden bewusst in die Verzweiflung getrieben, um damit vorgeblich eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Ihr Tod wird schulterzuckend in Kauf genommen.
Vermeintlich waren diese Zugeständnisse an die antidemokratischen Kräfte nötig, um die Abwanderung von Wählerstimmen zu rechten Parteien zu verhindern. Rückblickend auf die Ereignisse der letzten Tage lässt sich wohl sagen, dass diese Rechnung nicht aufgegangen ist. Es ist fraglich, ob überhaupt jemand ernsthaft an sie geglaubt hat. Zu oft macht es den Eindruck, als treibe der rechte Populismus die etablierten Parteien nicht vor sich her, wie immer regelmäßig behauptet wurde. Vielmehr lassen sich die etablierten Parteien freiwillig vor den Karren der Populisten und Menschenfeinde spannen.
Aus der Zivilgesellschaft gab es immer Gegenwehr
Aus der Zivilgesellschaft gab es immer Gegenwehr gegen diese antidemokratischen Kräfte. Tausende stellten sich trotz massiver Polizeirepression rechten Aufmärschen in den Weg, hielten trotz Morddrohungen und Gewalt stand, verhinderten Zusammenkünfte der Rechten und deckten Strukturen und Hintergründe auf. Es macht uns als Dachverband kurdischer Kulturvereine in Deutschland Mut, diesen progressiven politischen Ausdruck zu sehen und die damit verbundene Solidarität zu erfahren.
Dennoch dürfen wir nicht die Augen vor der Ergebnissen der alle zwei Jahre von der Friedrich Ebert Stiftung veröffentlichten „Mitte-Studie“ verschließen, die aufzeigt, dass zwar noch immer eine Mehrheit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands zustimmt, diese Zahl aber von Studie zu Studie abnehmend ist. Verbunden mit einem gleichzeitigen Anstieg der Zustimmung zu verschwörungstheoretischen Narrativen sowie zu rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Aussagen wächst das Lager der Feinde der Demokratie.
Es geht längst um mehr als „nur“ die AfD
Sicherheitsbehörden und Geheimdienste waren nicht nur seit Jahrzehnten auf dem rechten Auge blind, sie waren selbst von rechten Netzwerken durchsetzt. Es fast waren fast immer engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft, die deren Umtriebe wie auch in diesem Fall recherchierten und offenlegten. Das spricht Bände über den Zustand der Sicherheitsbehörden in Deutschland.
Zwar wird in den letzten Jahren immer häufiger ein Verbot der zunehmend offen rechtsradikalen AfD gefordert. Die Erkenntnisse im Zusammenhang mit der geheimen Konferenz der rechtsradikalen Strukturen machen jedoch deutlich, dass die AfD nur die berüchtigte Spitze des Eisbergs ist. Bei diesem konspirativem Treffen zur Abschaffung der Demokratie traf sich eine Mischung aus bekannten gewaltbereiten Neonazis, Rechtsradikalen wie Sellner, schwerreichen Investoren, die auch in Wirtschaftsforen und auf Banketten gern gesehene Gäste sind, sowie Menschen aus der bürgerlichen Mitte, wie zum Beispiel der Vorstand der „Werteunion“ der CDU/CSU und des „Vereins Deutsche Sprache“, der ebenfalls CDU-nah ist.
Die Vertreibung wird uns Kurdinnen und Kurden treffen
Auch die Menschen, die sich in den unserem Verband angeschlossenen Vereinen engagieren, sind gemeint, wenn Pläne zur gewaltsamen Vertreibung aller migrantisch gelesenen Menschen aus Deutschland geschmiedet werden. Die Urheber dieser Pläne sollten sich jedoch auf eine starke Gegenwehr der Zivilgesellschaft gefasst machen, sowohl aus der Selbstorganisation der Menschen mit Migrationsgeschichte als auch Gewerkschaften, Kirchen, sozialen Verbänden und demokratischen Strukturen in diesem Land, das allen gehört, die hier leben. Dieser Widerstand kommt letztendlich sogar denen zugute, gegen die er geleistet wird:
Faschismus katapultiert Menschen immer in die Katastrophe, er führt immer zu unermesslich viel Leid und wirft Gesellschaften weit zurück. Wenn dieser Staat, vor allem die so genannten etablierten Parteien inklusive der CDU/CSU, sich nicht selbst abschaffen wollen, müssen sie jetzt dringend klare Position beziehen und handeln.
Wir können uns nicht auf die Sicherheitsbehörden verlassen
Dazu gehört, dass alle Organisator:innen, Geldgeber und Teilnehmenden der Konferenz wegen ihres geplanten Angriffs auf die Freiheit und Menschenwürde aller Menschen in Deutschland zu Verantwortung gezogen werden. An dieser Stelle muss auch die Frage nach der Rolle der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste gestellt werden. Schließlich ist es ihre Aufgabe, diese Umtriebe zu ahnden und die Öffentlichkeit, oder zumindest die Parlamente, zu warnen.
Stattdessen war es ein gemeinnütziges Autorenkollektiv, welches unter großem persönlichem Aufwand und unter Gefahr für Leib und Leben recherchierte und die Vorgänge öffentlich machte. Dafür danken wir als kurdischer Dachverband mit großem Respekt correctiv.org und allen, die daran mitgewirkt haben.
Wir erneuern darum an dieser Stelle unsere Forderung, die wir seit Jahren zusammen mit Menschenrechtsorganisationen, migrantischen Verbänden und zivilgesellschaftlichen Initiativen stellen, nach einer unabhängigen, demokratischen Überwachung der Sicherheitsbehörden sowie die Einsetzung einer Menschenrechtskommission, die die Wahrung der Menschenwürde und die Einhaltung der Menschenrechte in Deutschland für alle hier Lebenden sicherstellt. Zu häufig sind Beweismittel in Verfahren gegen rechtsradikale verschwunden, zu unbehelligt konnte der NSU morden, zu sehr waren Verfassungsschutz und NPD verquickt, zu viele rassistische und antisemitische „Witzchen“ wurden in Polizeichatgruppen gefunden und nicht zuletzt können wir den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, getrost zu den Feinden der liberalen Demokratie zählen.
Menschenrechte schützen, die Zivilgesellschaft stärken
Eine mögliche Antwort auf die faschistischen Umtriebe wäre der Aufbau lokaler Komitees zur Überwachung und Einhaltung der Menschenrechte. An diesen könnten sich Einzelpersonen und Gruppierungen der Zivilgesellschaft, beispielsweise religiöse Verbände, Menschenrechtsgruppen, Kulturvereine etc. beteiligen. Wir benötigen eine starke und organisierte Zivilgesellschaft, um der faschistischen Bedrohung zu begegnen.