Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) … Wer hätte gedacht, dass eine Partei, die vor 45 Jahren in einem winzigen Dorf weit hinten in Nordkurdistan gegründet wurde, heute zu einer weltweiten Bewegung wurde? Nicht vielen Parteien, die damals entstanden, gelang dies. Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs?
Die Gründung der PKK war zunächst die Antwort auf die bittere Alternative „Assimilation oder Auslöschung“ in einem Staat, der sich der Ideologie völkischer Homogenität verschrieben hatte. Abdullah Öcalan, Haki Karer, Kemal Pir, Sakine Cansız und eine Handvoll Mitstreiter:innen entschieden sich für den Weg des Widerstands gegen den damaligen Feudalismus und einen auf Ausbeutung und letztlich Ausrottung zielenden Kolonialismus.
Diese ersten Militanten verzichteten darauf, seitenlange Absichtserklärungen und theoretische Abhandlungen über Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu schreiben. Sie zogen die Praxis vor. „Wir müssen die Alternative leben, von der wir immer sprechen“, sagte Öcalan. So suchte man den Weg in die Gesellschaft, redete überall mit den Menschen, über ihre Alltagsprobleme, gründete kleine Zirkel der „Hilfe zur Selbsthilfe“ und zeigte, wie sich gesellschaftlicher Widerstand – auch im Kleinen – entfalten kann. Mit Empathie, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit zündete die noch junge PKK das Feuer der Selbstermächtigung. Berxwedan jiyan e – Widerstand heißt Leben.
Entscheidend dabei war und ist bis heute die Radikalität des gelebten Vorbilds derer, die als „Kader“ gelten. Sie verkörpern diese „leise Revolution“, die immer erst in den Köpfen beginnt. Die Strahlkraft von Werten wie kollektives Leben, Solidarität, Verbundenheit mit Kultur und Natur, Überwindung von Individualismus, Egoismus und patriarchaler Herrschaft hinterlässt nachhaltigen Eindruck. Eine der stärksten „Waffen“ der PKK ist die Entwicklung der Persönlichkeit. Sie wird begleitet von Angeboten zur Weiterbildung und ergänzt durch regelmäßigen Austausch im Kollektiv mit Kritik und Selbstkritik. Niemand wird allein gelassen.
Ständige Weiterentwicklung statt Stillstand und Selbstzufriedenheit im einmal Erreichten gelten nicht nur für das Individuum, sondern auch für die Organisation insgesamt. Es ist vor allem den Analysen von Abdullah Öcalan zu verdanken, dass sich innerhalb der PKK ein ausgeprägtes historisches Bewusstsein ausgebildet hat, wobei Theorien anderer Philosophen mit einflossen. So konnte sich ein Paradigma entwickeln, das heute profunde Antworten auf die multiplen Krisen des 21. Jahrhunderts liefert.
Eine der größten Errungenschaften ist der Bruch mit dem Konzept der Nationalstaaten. Überall dort, wo die PKK-Bewegung aktiv ist, wird versucht, den Staat zurückzudrängen und auf gesellschaftliche Selbstorganisation zu setzen. Eine schleichende „Graswurzel-Revolution“. Die 2005 ausgerufene „Deklaration des demokratischen Konföderalismus“ als strategische Neuausrichtung der Partei ist ein Beweis für die Fähigkeit der PKK, aus Fehlern zu lernen und mit neuen Antworten auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren.
Mit der erzwungenen Flucht aus den verschiedenen Teilen Kurdistans verbreiteten sich die Ideen der PKK-Bewegung – vor allem in Europa. Obwohl in der Diaspora andere Bedingungen galten, wird am Gedanken der gesellschaftlichen Organisierung von unten festgehalten. So entstanden viele Enklaven mit der schwierigen Aufgabe, Gegenstrukturen aufzubauen, die an das Leben in den Zentren der Kapitalistischen Moderne angepasst werden mussten.
Oft wird die PKK vor allem mit ihren kämpfenden Strukturen, der Guerilla, in Verbindung gebracht. Das ist der Grund, weshalb die Freiheitsbewegung immer wieder in die Schlagzeilen gerät und als „terroristisch“ diffamiert wird. Da Staaten nur sich selbst Armeen zugestehen, kann der Kampf der PKK in ihren Augen nicht als legitime Selbstverteidigung akzeptiert werden. Dass die PKK in einer hochgerüsteten Welt, in der Krieg als Mittel der Politik gilt, auf den Schutz der eigenen Strukturen beharrt, ist eine weitere Stärke. Es wäre fahrlässig, darauf zu verzichten. Die Guerilla ist die Lebensversicherung der Freiheitsbewegung.
Nach 45 Jahren ist aus dem Versuch, dem repressiven türkischen Kolonialismus zu trotzen, eine Bewegung entstanden, die weltweit Anerkennung und Unterstützung findet. Sie organisiert internationale Kongresse, hat ein weit verzweigtes Mediensystem und agiert auf dem Parkett der Diplomatie ebenso wie in den Kriegstunneln. Eine Erfolgsgeschichte dank der tiefen Überzeugung: „Wenn du leben willst, dann lebe in Freiheit.“
Titelbild: Abdullah Öcalan mit Kämpferinnen und Kämpfern der Guerilla am 15. August 1991 in der Mahsum-Korkmaz-Akademie / libanesische Bekaa-Ebene © Serxwebûn