Ich bin bereits am 30. August 2016 einmal von einem hohen deutschen Gericht verurteilt worden. Ich habe mich somit bereits einmal schon erfolglos gegen den Vorwurf, mich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland mitgliedschaftlich beteiligt zu haben, verteidigt.
Ich bin Kurde, der seit Kindheit Unterdrückung und Entrechtung durch den türkischen Staat auch persönlich erfahren und erleiden musste. Hiergegen habe ich mich zur Wehr gesetzt habe, seit ich denken kann. Anklage und Urteil ließen durchblicken, dass man durchaus zur Kenntnis genommen habe, dass sich der türkische Staat schwerster Menschenrechtsverletzungen, extralegaler Vollstreckungen und des Verschwindenlassens von Menschen schuldig gemacht hat. Dem kurdischen Widerstand gegen den Terror der türkischen Staatsregierungen wurde jedoch eine Berechtigung abgesprochen.
Ich erhoffe vom Gericht eine Abkehr von dieser offensichtlich in vielfachen Verhandlungen geprägten Rechtsprechung, und es bleibt mein Anliegen, auch hier und heute den historischen Hintergrund und die aktuellen Entwicklungen aus meiner Sicht darzustellen, die die mir vorgeworfenen Betätigungen aus meiner Sicht rechtfertigen. Ich bin der Überzeugung, dass die Wertung der PKK als Terrororganisation Realität und Wahrheit verdrehen. Dadurch werden Gerechtigkeit und Gewissen empfindlich verletzt. Die noch schwerwiegendere Folge ist allerdings, dass keinerlei ethische Kriterien in Betracht gezogen werden und der türkische Staat und seine Interessen gestützt und beschützt werden. Ich empfinde es als eine Beleidigung, wenn der Freiheitskampf des kurdischen Volkes, der einem rassistischen und faschistischem Staat gegenübersteht, der hundert Jahre lang die kurdische Kultur, Sprache und Existenz verleugnet hat, als Terrorismus bezeichnet wird. Indem der deutsche Staat sich dieser Terrorismussichtweise anschließt, scheinen lange politische, wirtschaftliche und militärische Kooperationen eine Rolle zu spielen, wenn der Freiheitskampf des kurdischen Volkes als Terrorismus bezeichnet wird. Ich betrachte es geradezu als Auftrag, dem Gericht die Wahrheit und die historische Wirklichkeit mit allen ihren Aspekten zu erläutern.
Der Mittlere Osten ist seit Jahrhunderten der Ausgangspunkt von Problemen und Konflikten für die herrschenden Kräfte, die die Welt regieren. Der Ursprung hierfür ist das System der Nationalstaaten, die mit dem Lineal begründet wurden und über die die westlichen Staaten seit langem bestrebt sind, die Energiequellen unter Kontrolle zu halten. Während jedem arabischen Scheich ein Staat etabliert wurde, fanden sich die Kurden in vielen Nationalstaaten wieder. Damit wurde im Mittleren Osten ein System installiert, das mit der gesellschaftlichen, religiösen und sozialen Wirklichkeit unvereinbar war und wodurch permanente Konflikte und Kriege folgten, sodass die Kurden seit hundert Jahren Leid, Unterdrückung und Vernichtung ausgesetzt waren.
Nach dem Sykes-Picot-Abkommen vom 17. Mai 1916, das England und Frankreich untereinander abgeschlossen haben, wurde am 23. Juli 1923 die Lausanner Konferenz abgehalten, an der die Türkei und die Sieger des ersten Weltkrieges teilnahmen. Im dort verfassten Abkommen wurde die Existenz der Kurden verleugnet und eine 93-jährige Periode kultureller und physischer Vernichtung eingeleitet.
Der türkische Staat hat nach der Lausanner Konferenz im Jahre 1924 eine zweite Verfassung aufgestellt. Mit dieser wurde das Paradigma „eine Nation, eine Sprache, eine Religion‘‘ eingeführt und das kurdische Volk, welches seit tausend Jahren in Anatolien und Mesopotamien lebte, auf einmal als nicht existent dargestellt. In Folge dieses rassistischen Paradigmas wurde Kurdistan zwischen 1924 bis 1938 geradezu erneut okkupiert, das kurdische Volk wurde der Vernichtung ausgesetzt. Diese Vernichtungs- und Verleumdungspolitk wurde von 1924 bis 1925 in den Gebieten Diyarbakir, Elazığ, Bingöl und in den gleichen Jahren in den Gebieten Sason, Batman, Siirt, in den Jahren 1929 bis 1930 in den Gebieten Ağrı und Serhat und 1937 bis 1938 in Dersim (Tunceli) gegenüber dem alevitischen Volk umgesetzt. In diesen Jahren wurden die grundlegenden Werte und die grundlegenden Dynamiken des kurdischen Volkes der Vernichtung ausgesetzt. Die Institutionen eines Volkes wurden vernichtet. In den gleichen Jahren wurden Teile der kurdischen Bevölkerung zur Auswanderung gezwungen oder sie wurden vertrieben, die kurdischen Kinder wurden zwangsweise in Internatsschulen geschickt und so eine brutale Assimilationspolitik umgesetzt. Der türkische Staat stellte die Behauptung auf, ein Volk der Kurden habe niemals existiert, es gäbe keine kurdische Sprache. Die kurdischen Namen der Städte, Gemeinden und Dörfer, die Namen der Berge, Flüsse und Täler wurden gelöscht und mit türkischen Namen ersetzt. Von allen historischen Büchern und historischen Dokumenten und in allen Lebensbereichen wurde alles Kurdische ausradiert. Da die kurdische Sprache verboten war, wurden die kurdische Literatur, Musik und andere Elemente der kurdischen Kultur türkisiert und den Türken zu geschrieben. Das kurdische Volk konnte nicht einmal zu Hause die eigene Sprache sprechen. Seit dieser Phase dauert die Feindseligkeit gegen die Kurden, die in den Strukturen des türkischen Staates und der türkischen Justiz begründet sind, bis heute an. Aber das kurdische Volk hat eine Kultur und Sprache, welche sich seit über tausend Jahren entwickelt haben. Es möchte seinen historischen Weg mit seinen Wurzeln, basierend auf seiner Kultur und seinen Vorstellungen auch in Zukunft erhalten. Es kann nicht in seiner Existenz negiert werden, auch nicht mit Massakern. Man kann das Volk nicht mit Gewalt türkisieren. Eine existierende Wahrheit und eine Wirklichkeit kann nicht als nicht existent bezeichnet werden. Eine Mentalität, die das tut, ist eine faschistische, rassistische, eine nicht zeitgenössische Sichtweise. Die Tradition des türkischen Staates beinhaltet diese Mentalität.
In der Weltgeschichte sind viele blutige Kriege geführt worden. Kriege zwischen Imperien, Königen, Dynastien. Es gab Sieger und Verlierer. Es gab aber niemals und nirgendwo ein Volk, welches durch eine überlegene Kraft verleugnet wurde. Keiner der Herrschenden hat die Verwegenheit besessen, ein Volk als nicht existent zu bezeichnen. Aber wenn wir den Mittleren Osten betrachten, dann wurde das kurdische Volk als nicht existent gesehen und verleugnet. Wenn das Volk zu existieren versuchte, wurde ihm mit Massakern entgegnet. Seit 1938 wurde das kurdische Volk der Türkisierung unterworfen. Es wurde versucht, bis in die Wohnungen des kurdischen Volkes hinein die kurdische Sprache zu verbieten. Gegen alle Kurden, die auf der Straße kurdisch sprachen, wurden Geld- oder Haftstrafen verhängt. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden Kurden gezwungen, in türkische Städte zu immigrieren. Der türkische Staat hat sich jeder winzigen Entwicklung, welche die Kurden und Kurdistan betroffen haben, gewaltsam widersetzt.
In den siebziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts haben kurdische Studierende und Intellektuelle in den Universitäten versucht, sich zu organisieren, um die kurdische Frage auf die Tagesordnung zu setzen. Es wurden Dutzende Organisationen und Parteien gegründet, mit demokratischen politischen Tätigkeiten begonnen. Man befasste sich mit der Existenz und den Rechten der Kurden. Die Entstehung der kurdischen Parteien und Organisationen wurde allerdings vom türkischen Staat als Unterfangen „gegen die Einheit und Urteilbarkeit des Staates und der Nation‘‘ betrachtet und hart verfolgt und bestraft. Mit dem Putsch des Militärs am 12. September 1980 begann ein Angriff gegen alle kurdischen Parteien und Organisationen. Die Mitglieder und Sympathisanten, die es nicht geschafft hatten, ins Ausland zu fliehen, wurden festgenommen und schwersten Folterungen ausgesetzt. Es wurde beabsichtigt, das nationale Erwachen und das Bewusstsein durch Foltermethoden zu unterdrücken und zum Ersticken zu bringen. Gefangene wurden gezwungen, zu akzeptieren, dass Kurden Türken seien. Sie wurden zu Geständnissen gezwungen, um verkünden zu können und zu demonstrieren, dass die Kurden der Vergangenheit angehören. Die Gefangenen der PKK erwiderten die unmenschlichen Foltermethoden mit großem Widerstand, Hunderte wurden ermordet, viele verloren durch Todesfasten ihr Leben.
Man kann in bestimmen Zeiten einen Teil oder die Gesamtheit eines Volkes oder einer Gesellschaft zum Schweigen bringen. Aber man kann niemals ein Volk oder eine Gesellschaft für immer zum Schweigen bringen. Gegen jedes ungerechte und grausame System inmitten einer Gesellschaft entwickelt sich eine Kraft, die sich dem Unrecht entgegenstellt.
Das kurdische Volk hat gegen den türkischen Staat von seinem legitimen Selbstbestimmungs- und Verteidigungsrecht Gebrauch gemacht, um seine Existenz zu bewahren und seine Freiheit zu erlangen. Begonnen zu verwirklichen hat dies die PKK. Die Guerilla der PKK hat am 15. August 1984 in Eruh und Şemdinli staatliche Institutionen angegriffen, was eine beachtliche Wirkung dieses ersten Schrittes der legitimen Verteidigung auf das kurdische Volk ausübte. Das kurdische Volk begann sich um die PKK zu formieren, während die kurdischen Parteien und Organisationen, die ins Ausland gegangen waren, sich wirkungslos auflösten. In den Jahren 1989 bis 1990 begannen Volksaufstände. Von 1984 bis 1999 eskalierten die Auseinandersetzungen erneut, als seitens des türkischen Staates 3.500 kurdische Dörfer verwüstet und mit ihren Bewohnern verbrannt wurden. 20.000 kurdische Zivilistinnen und Zivillisten verloren ihr Leben, die Menschenrechte wurden unermesslich verletzt. In dieser Zeit haben die Länder der EU und der deutsche Staat dem türkischen Staat mit Kriegsmaterial Unterstützung geleistet. Die kurdischen Dörfer wurden mit deutschen Gerätschaften in Brand gesetzt und verwüstet. Die Sicherheitskräfte waren mit deutschen Waffen ausgestattet.
Am 15. Februar 1999 wurde der Führer des kurdischen Volkes durch internationale Kräfte aus Kenia entführt und an die Türkei ausgeliefert. Diese Aktion traumatisierte und verletzte das kurdische Volk bis heute. Vom Jahr 2000 bis zum 28. Februar 2015, dem Zeitpunkt, als Erdogan die „Dolmabahçe-Vereinbarung“ als Resultat der politischen Verhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der KCK aufkündigte, war das Ziel, die kurdische Frage mit friedlichen Mitteln zu lösen. Die KCK und Abdullah Öcalan spielten hierbei die größte Rolle. Auch wenn es in dieser Zeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam, die vom türkischen Staat ausgingen, war vorherrschend der Versuch, eine Lösung auf politischem und friedlichem Wege zu finden. Obwohl in Paris Sakine Cansiz, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez ermordet wurden, in Roboskî 34 kurdische Jugendliche durch Kriegsflugzeuge getötet wurden, im Jahre 2009 tausende kurdische Politiker festgenommen wurden, waren die Kurden gewillt, die kurdische Frage auf friedlichem Wege zu lösen. Dies zeichnete sich auch durch zahlreiche einseitig verkündete Waffenstillstände aus. Dieser Versuch einer friedlichen politischen Lösung der kurdischen Frage wurde durch Erdogan beendet, als er am 28. Februar 2015 eine Erklärung abgab, mit der erneut die These aufgestellt wurde, es gäbe keine kurdische Frage. Der zuvor von Vertretern der KCK und türkischer Regierungsstellen einschließlich des türkischen Geheimdienstes ausgehandelte und feierlich auf einer Pressekonferenz im Dolmabahçe-Palast öffentlich gemachte Vereinbarungstext wurde annulliert. Der Plan der PKK, einen Kongress abzuhalten und zu beschließen, den bewaffneten Kampf gänzlich zu beenden, war damit gescheitert. Die regierende AKP hat die Politik der Assimilierung und Vernichtung wieder aufgenommen. Die Angriffe gegen die inzwischen eingerichteten legalen Institutionen des kurdischen Volkes, gegen die Provinzhauptstädte und Kreisstädte Kurdistans, gegen das Volk und die Guerilla-Einheiten wurden wieder aufgenommen.
In der darauffolgenden Zeit, in der der IS im Irak erstarkte und mächtig wurde, war trotz gegenteiliger Bekundungen auch eine Annäherung des türkischen Staates mit diesem Terrorismusphänomen entstanden. Erdogan verstand es, die Existenz dieses menschenverachtenden Gebildes für sich zu nutzen und es in Syrien gegen Kurden und das syrische Regime, im Irak wiederum gegen Kurden und Schiiten zu verwenden. Unrühmliche Beispiele sind der Anschlag des IS in Suruç, die Ausbildung und Bestattung von IS-Mitgliedern in der Türkei, ihr Transfer nach Syrien und Irak sowie die Ausstattung mit schweren Waffen und Bomben durch den türkischen Staat. Unter dem Vorwand einer Operation gegen den IS ist das türkische Militär in Dscharablus einmarschiert mit dem Ziel, die Kurden in Rojava anzugreifen und zu bombardieren.
Nachdem der Dolmabahçe-Vereinbarungstext annulliert und die Wahlergebnisse vom 7. Juli 2015 als ungültig erklärt wurden, wurde durch die Vertreter des kurdischen Volkes die Selbstverwaltung ausgerufen. Am 14. Dezember 2015 schickte die AKP-Regierung die türkische Armee mit Panzern, Artillerie und Kriegsflugzeugen auf die kurdischen Städte und Gemeinden los. Gimgim, Kerboran, Farqîn, Sûr, Silopiya, Hezex, Cizîr, Gever, Şirnex, Bismîl und Nisêbîn wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die dort lebenden Kurden wurden vertrieben, andere in den Kellern ihrer Häuser getötet, mit Benzin übergossen und verbrannt. Die Leichname waren so zugerichtet, dass man ihre Identitäten nicht mehr feststellen konnte.
Soviel zu den Grausamkeiten des vom türkischen Staat ausgeübten Terrors, welcher sich noch vielfach weiter darstellen ließe. Wichtig sind mir die weiteren politischen Überlegungen, die den Willen des kurdischen Volkes in dieser Zeit dokumentierten. Es bleibt für mich bis heute unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass der türkische Staat einerseits als Mitglied des Europarates mit der EU in Verbindung steht und verhandelt und auf der anderen Seite gegen das kurdische Volk in mörderischer Weise vorgeht. Ich kann nicht verstehen, warum die EU-Länder hierzu schweigen, vor allem die Bundesrepublik Deutschland, aber den kurdischen Freiheitskampf als Terrorismus stigmatisieren. Dass die Kurden, die eine große Bevölkerungszahl auf einem geografischen Gebiet verkörpern, welches größer als Deutschland ist, keinerlei Status besitzen, ihre Sprache, Kultur und Identität verboten und verleumdet wird, dass sie schwersten Angriffen ausgesetzt sind, dass ihre Dörfer und Städte verwüstet werden, dass diese Tatsachen nicht täglich in diesen fortschrittlichen Ländern zur Sprache gebracht und angeprangert werden.
Dem gegenüber wird der Freiheitskampf der Kurden unter dem Begriff Terrorismus manipuliert. Die Bezeichnung als Terrorismus und die Aufnahme in die Terrorliste bedeutet doch von der Zielsetzung, dass man sich dem angewandten Vernichtungs- und Verleumdungssystem beugen soll, dass man sich nicht gegen das Vernichtungs- und Verleumdungssystem wehren soll, dass man nicht nach seinen Sprach- und anderen Rechten verlangen soll. Man soll sich beugen. Aber nichts ist wertvoller als Unabhängigkeit und Freiheit. Das kurdische Volk will mit seinen unabhängigen Ideen, seiner Sprache und Identität in die Zukunft blicken. Diejenigen, die die PKK des „Terrorismus“ beschuldigen, sollten ihre eigene Vergangenheit betrachten. Sie müssten wissen, dass es Terrorismus bedeutet, wenn die Sprache und Kultur eines Millionen zählenden Volkes verboten wird. Dass es Terrorismus ist, wenn über hundert Jahre ein kultureller Völkermord praktiziert und dann eine physische Vernichtung stattfindet. Angesichts dessen finde ich es unerträglich, die PKK, die die Kraft des Freiheitswillens eines Volkes ist, mit Terrorismus gleichzusetzen.
Vor einigen Jahren hat das deutsche Parlament einen Beschluss gefasst und bestätigt, dass an dem armenischen Volk ein Völkermord verübt worden ist. Es wurde festgehalten, dass der deutsche Staat sich auch an dem Massaker an Armeniern beteiligt hatte und daher die Deutschen auch Fehler gemacht hatten. Dass die Politik des deutschen Staates damals den Völkermord an Armenien billigte, wird heute vom Bundestag als großer Fehler bewertet. Die Interessen können nicht die Wahrheit und Wirklichkeit bestimmen. Der deutsche Staat hätte damals den osmanischen Staat am Völkermord hindern können. Ich hoffe sehr, dass es nicht weitere hundert Jahre dauert, bis der deutsche Staat ausspricht, dass er gegenüber den Kurden einen Fehler gemacht hat.
Da der Krieg und die Vernichtung, die in Syrien stattfinden, mit den Kurden in Verbindung steht und die Türkei für diese Vernichtung und den Krieg Verantwortung trägt, ist es notwendig, an dieser Stelle auch darüber zu debattieren. Der türkische Staat begnügt sich nicht damit, die Kurden, die innerhalb seiner Grenzen leben, als nicht existent zu bestimmen, zu vernichten und zu verleugnen. Damit die Kurden in Syrien keine Autonomie oder einen föderativen Status erreichen, hat er islamistische Gruppen aus der ganzen Welt in die Türkei gebracht, sie ausgebildet und bewaffnet und von ihnen die kurdischen Städte überfallen lassen. Waffen für alle politischen islamistischen Gruppen werden von der Türkei bereitgestellt. Diese Waffenlieferungen wurden vor einigen Jahren durch die Fahndung eines mutigen Staatsanwalts in Adana entlarvt. Da die Nachricht dieser Fahndung von der Tageszeitung Cumhuriyet veröffentlicht wurde, wurde gegen die Zeitung ein Verfahren eingeleitet. Der Chefredakteur Can Dündar wurde angeklagt und zu einer über fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Staatsanwalt, der dafür sorgte, dass die Kriegswaffen gefunden wurden, wurde - immerhin - nur suspendiert. Dokumente belegen, dass das Öl, welches in den besetzten Gebieten durch den IS erworben wurde, mit dem türkischen Staat gemeinsam vermarktet wurde. Die Angriffe auf kurdische Städte und Gemeinden, die Massaker und Zwangsvertreibungen durch politische islamistische Gruppen bezwecken, dass die Kurden keinen politischen Status erlangen.
Diese Angriffe werden durch den türkischen Staat und im Interesse des türkischen Staates ermöglicht. Kobanê wurde dem Erdboden gleichgemacht und entvölkert. Ziel war die Ansiedlung arabischer Bevölkerungsteile. Auch die ezidische Stadt Şengal wurde angegriffen, um eine Fusionierung Südkurdistans mit Rojava zu verhindern. Die Angriffe auf Şengal, auf die Kurden in Rojava, die Angriffe auf Christen, Turkmenen und Aleviten wurden durch die PKK und ihr nahestehende bewaffnete Kräfte verhindert und die Menschen dort in Schutz genommen. Als Şengal angegriffen wurde, hat die Peschmerga der PDK das Volk dort nicht verteidigt und sich zurückgezogen. Die Menschen sind in die Berge geflüchtet, tausende ezidische Kurdinnen und Kurden wurden ermordet, tausende Ezidinnen wurden versklavt und verkauft. Die HPG-Guerilla intervenierte gegen diese unmenschlichen, barbarischen, bestialischen Angriffe. Die Menschen wurden befreit und in sichere Gebiete verfrachtet. In Şengal sind ca. 300.000 ezidische Kurdinnen und Kurden vertrieben worden. Die Angriffe von regierungstreuen Soldaten, vom IS und anderen islamistischen Gruppen wurden durch HPG, YPG und YPJ bekämpft, den Verfolgten wurde Schutz gewährt. Gegen die Angriffe des IS in den Städten Hewlêr, Mexmûr, Kerkûk in Südkurdistan standen die Guerillakämpfer*innen der HPG und YJA-Star. Sie haben zum Schutz des kurdischen Volkes gegen den IS gekämpft. Mesut Barzani, der Präsident der Autonomieregion Kurdistan im Nordirak, kam persönlich nach Mexmûr und dankte den HPG für ihre Verteidigung der Kurden in Südkurdistan. Ist es angesichts dieser Geschehnisse gerechtfertigt, PKK und HPG als Terrororganisationen zu bewerten und sie als auf Mord und Totschlag ausgerichtete Organisationen zu bezeichnen? Wenn in Rojava, Şengal, Hewlêr, Mexmûr und Kerkûk nicht die HPG-Kräfte vor Ort gewesen wären, hätte niemand den Kurden dort Schutz gewähren können.
Natürlich müssen die Kurden sich in erster Linie selbst schützen. Die kurdischen Parteien und Verteidigungskräfte werden ihrem Volk Schutz gewähren. Die grundlegenden Parteien und eigentliche Verteidigungskraft sind die HPG, die YJA-Star und die PKK. Das sind die grundsätzlichsten Kräfte der Verteidigung und die Freiheitskräfte des kurdischen Volkes. Dadurch, dass die PKK und die verwandten Institutionen oder die ihr nahestehenden Gruppen als Terrororganisationen diskreditiert werden, wird der kurdische Widerstand geschwächt und der türkische Staat in seiner Vernichtungspolitik unterstützt. Die Entwicklungen zeigen, dass die PKK und mit ihr verbundene Institutionen die eigentlichen Verteidigungs- und Schutzkräfte der Kurden im Mittleren Osten sind, zeitweilig unterstützt durch amerikanische Streitkräfte, die sie aber inzwischen schmählich im Stich gelassen, geradezu verraten und einem wiedererstarkenden „Islamischen Staat“ ausgesetzt haben.
Meine Grundüberzeugung also ist, dass die Bezeichnung der PKK als Terrororganisation gegenüber der Geschichte eine große Verdrehung und gegenüber dem kurdischen Volk ein großes Unrecht ist. Die PKK kämpft seit vierzig Jahren gegen Unterdrückung und Angriffe unter schwersten Bedingungen für die Freiheit des kurdischen Volkes. Sie hat versucht, mit friedlichen Mitteln zu einer Lösung zu kommen. Nachdem sie keine anderen Möglichkeiten mehr hatte, hat sie gegen den türkischen Staat von ihrem legitimen Verteidigungsrecht Gebrauch gemacht. Wenn die PKK das nicht gemacht hätte, hätte sie sich gegenüber dem kurdischen Volk schuldig gemacht. Denn der türkische Staat erkennt sein Existenzrecht nicht an. Er möchte noch nicht einmal auf demokratischen Wege über die kurdische Frage diskutieren. Wie die anderen Völker das Recht auf legitime Verteidigung haben, so hat auch das kurdische Volk das Recht, sich legitim zu verteidigen. Die PKK macht von diesem Recht gegenüber dem türkischen Staat Gebrauch. Überdies hat sie sich weiterentwickelt und eine demokratische Entwicklung durchgemacht. Je nach der Realität der Völker im Mittleren Osten ist das Mehrheitsprinzip das Grundprinzip der Demokratie und diese Lebenskultur bildet die grundlegende Wirklichkeit der Ethik der PKK. Gegenüber der rückständigen Sichtweise im Mittleren Osten insbesondere auf Frauen geht die Perspektive der PKK davon aus, dass Frauen als Grundglied einer Gesellschaft zu sehen sind und dementsprechend eine Zukunftsvision verkörpern. Die PKK, die Frauen im Mittleren Osten in allen Bereichen der Gesellschaft in den Vordergrund treten lässt, anstatt sie mit schwarzen Tüchern zu bedecken und zu Hause gefangen zu halten, ist die demokratischste Partei im Mittleren Osten. Sie stellt mit ihrem Programm eine Zukunftsperspektive für den Mittleren Osten dar.
Die deutsche Regierung sollte ihre falsche Politik revidieren und dem Freiheitskampf des kurdischen Volkes und damit auch der PKK gerecht werden.
Ich beteilige mich als demokratischer Politiker für die Freiheit des kurdischen Volkes an den Tätigkeiten in kurdischen Institutionen. Ich betrachte es als Quelle einer großen Ehre, dass ich der Freiheit des kurdischen Volkes dienen kann, für ein Volk, welches seit einem Jahrhundert im Angesicht eines Völkermordes leben musste, dessen Sprache und Kultur verboten wurde und das eines der ältesten Völker ist. Wenn ich die Möglichkeit dafür bekomme, so werde ich mich auch in der Zukunft für das kurdische Volk politisch betätigen. Nach so viel Leid und Grausamkeit muss es auch ein Recht auf Freiheit geben. Nichts ist wertvoller als die Unabhängigkeit und die Freiheit. Das kann niemand verhindern. Die Wahrheit und die Wirklichkeit werden letzten Endes ihr Ziel erreichen.
Wie bereits erwähnt, waren dies meine Schlussworte im Prozess vor dem OLG Celle und auch hier in Hamburg anlässlich meiner Ausführungen am dritten Verhandlungstag. Dass die Bundesrepublik Deutschland Aktivitäten, die mit der PKK oder bereits schon im Zusammenhang mit Aktivitäten zu ihrem Vorsitzenden Abdullah Öcalan oder dem Eintreten des mir durchaus bekannten Verbots der PKK als Straftaten verfolgt, war und ist mir bekannt. Man mag mir mangelnde Unrechtseinsicht vorwerfen. Ich verstehe mich als Mensch mit einem Bewusstsein der Notwendigkeit, gegen das jahrelang bestehende schreiende Unrecht des türkischen Staates gegenüber meinem Volk anzukämpfen. Der Konflikt, der für mich daraus erwächst, nämlich die Verpflichtung der Beachtung deutscher Gesetze einerseits und meiner empfundenen Verpflichtung, für die berechtigten Interessen meines Volkes einzustehen, ist nicht lösbar. Nach meiner Haftentlassung nach vollständiger Verbüßung der verhängten Freiheitstrafe war ich - wie gedanklich auch während der Haftzeit - auch in wiedergewonnener Freiheit nicht nur in meiner Familie, sondern auch bei meinen politischen Freunden aufgenommen worden und konnte meine kulturelle und politische Identität weiter verwirklichen.
In Konsequenz dessen habe ich an vielen kurdischen Veranstaltungen teilgenommen und auch an dessen Organisationen mitgewirkt. Insgesamt habe ich in der Vergangenheit politisch regional und auch überregional mitgewirkt.
Zu den Vorwürfen im Einzelnen:
Es trifft zu, dass ich in den unter Punkt 1 a), b), c) und d) der Anklageschrift dargelegten Veranstaltungen/Organisationen/Treffen verantwortlich mitgewirkt bzw. teilgenommen habe. Bei überregionalen Treffen mit Kurden aus anderen Gemeinden ging es im wesentlichen um die Verwirklichung gemeinsamer Projekte mit dem Ziel, deutschlandweit auf die Unterdrückung der Kurden aufmerksam zu machen.
Zu dem Punkt 1 e) der Anklageschrift möchte ich folgendes sagen: Die kurdische Gemeinde in Bremen versucht bei jeder Wahl, einen oder eine ihr nahestehende Kandidaten/Kandidatin zu unterstützen, um ihren Interessen in der Bürgerschaft eine Stimme zu verleihen. Es trifft zu, dass wir als Gemeinde bei der letzten Bürgerschaftswahl der Meinung waren, dass die Wahlstimmen der Kurden in Bremen für zwei Kandidaten mit kurdischem Hintergrund für den Einzug in die Bürgerschaft nicht ausreichen würden. Daher haben wir als Gemeinschaft die Entscheidung getroffen, Herrn Mazlum Koc bei der Wahl zu unterstützen. Ich erachte es mehr als legitim, dass in einem demokratischen Gemeinwesen eine Entscheidung zwischen zwei oder auch mehreren Kandidaten getroffen werden kann.
Hinsichtlich meiner politischen Beteiligung ab Mitte 2019 in der kurdischen Gemeinde im Raum Salzgitter/Hildesheim gilt folgendes: Ich habe an den in der Anklageschrift unter Punkt 2 genannten Veranstaltungen/Organisationen/Treffen verantwortlich mitgewirkt bzw. teilgenommen. In guter Erinnerung ist mir beispielsweise die Gedenkveranstaltung für die Eziden in Celle, da die Eziden insbesondere in den letzten sechs Jahren sehr großes Leid ertragen mussten.
Zu dem Besitz des Sticks, der mir eine Verantwortung an der Spendenkampagne zuschreibt, kann ich sagen, dass ich den Inhalt kannte, aber an der Spendenkampagne selbst nicht beteiligt war und insoweit keine Aufgaben übernommen habe.
Abschließend möchte ich sagen, dass es mir heute und in diesem Prozess nicht darum geht, einer Zuschreibung als „Gebietsleiter“ zu entgehen, um auf diesem Weg ein Verfahrenshindernis zu nutzen. Mir geht es darum, nach den Ausführungen zu meiner Motivation vor dem dargestellten gesellschaftlichen Hintergrund ein Verständnis dafür zu erzeugen, warum ich die eingestandenen Handlungen, die nach herrschendem Gesetzesverständnis nach deutschem Recht strafbar sind, begangen und für richtig gehalten habe.
Meine Hoffnung besteht darin, dass in naher Zukunft das unsägliche Verbot der PKK und die Etikettierung „terroristische Vereinigung“ aufgehoben werden, die mit dem Verbot verknüpfte Unterstützung der türkischen Regierung durch den deutschen Staat entfällt und es erlaubt wird, mit friedlichen Mitteln die Befreiung des kurdischen Volkes von staatlicher Unterdrückung voranzutreiben.
Das Wesen des Rechts ist Widerstand gegen das Unrecht. So möchte ich verstanden werden.
* Mustafa Çelik ist seit Januar 2020 in Untersuchungshaft. Am 2. Juli hat sein Prozess vor dem Oberlandesgericht Hamburg begonnen. Der vorliegende Text ist eine Erklärung, die er am 30. Juli vor Gericht abgegeben hat.