Hamburg: Prozessauftakt gegen schwerkranken kurdischen Aktivisten

In Hamburg hat der PKK-Prozess gegen Mustafa Çelik begonnen. Nach der Verlesung der Anklageschrift wurde die Verhandlung zur Feststellung der Verhandlungsfähigkeit unterbrochen. Vor dem Gerichtsgebäude solidarisierten sich zahlreiche Menschen.

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg hat der Prozess gegen Mustafa Çelik begonnen. Dem schwerkranken kurdischen Aktivisten aus Bremen wird „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ nach §129a/b vorgeworfen. Da der 43-Jährige unter mehreren chronischen Erkrankungen leidet und seit seiner Festnahme im Januar 2020 unter schweren Bedingungen zunächst in der JVA Bremen und jetzt in Hamburg in Untersuchungshaft ist – eine „schon sehr lange Zeit“, wie die vorsitzende Richterin einräumte – hatten seine Verteidiger Heinz Schmitt und Tuncay Karaman eine medizinische Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten beantragt. Çelik leide in Haft unter permanenter Schlaflosigkeit und der unzureichenden medizinischen Versorgung. Diesem Antrag wurde stattgegeben, jedoch folgte zunächst die Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft.

Hier gab es eine lange Liste von angeblichen „typischen Leitungsaufgaben“, die die zuständigen Ermittler aus offensichtlich abgehörten Telefongesprächen vermeintlich herausgehört hatten. Darunter fielen das Anstoßen von Demonstrationen und Kundgebungen, der Verkauf von Bustickets zu Veranstaltungen in anderen Städten, das Werben für ein Frauenfest und eine Gedenkfeier für ezidische Genozid-Opfer, die Fürsorge für eine kranke kurdische Asylbewerberin, das Treffen mit anderen Aktivisten und der als „Einflussnahme“ gedeutete Kontakt zu der Partei „Die Linke“. Zur Einordnung der PKK als „Terrororganisation“ gab der Staatsanwalt ohne Quellenangaben, teils wortgetreu, den Inhalt einer Broschüre des Bundesverfassungsschutzes wieder.

Daraufhin referierte der beisitzende Richter über ein Verständigungsgespräch vom 24. Juni, in dem die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit einer Bewährung ausgeschlossen hatte und die Verteidigung hingegen die langjährige polizeiliche Überwachung als strafmildernd geltend machen wollte.

Die Richterin bestätigte, dass ein Bericht von Amnesty International zur Menschenrechtslage in der Türkei auf Antrag der Verteidigung zu den Akten genommen wurde, um über die Motivation des Angeklagten gegenüber dem dortigen AKP-Regime Auskunft zu geben.

Da der anwesende medizinische Gutachter ausschloss, eine Begutachtung während einer Verhandlungspause durchführen zu können, wurde die Hauptverhandlung bis Freitag, den 3. Juli, um 11 Uhr unterbrochen.

Vor dem Gerichtsgebäude solidarisierten sich zahlreiche Menschen mit Mustafa Çelik, der bereits im August 2016 vor dem OLG Celle zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Verhandlung wurde von seinem Vater Sadın Çelik, der Hamburger Linksfraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir, dem FED-DEM-Ko-Vorsitzenden Sait Bilgin, der Sprecherin des Frauenrats Rojbîn, Leyla Kaya, und weiteren Personen beobachtet. Als der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt wurde, applaudierten die Anwesenden im Zuschauerraum.