Prozess gegen Mustafa Çelik in Hamburg fortgesetzt

In Hamburg ist der PKK-Prozess gegen Mustafa Çelik fortgesetzt worden. Der Angeklagte gab eine ausführliche Erklärung ab, woraufhin sich im Gerichtssaal eine politische Diskussion über die kurdische Frage entspann.

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg ist der Prozess gegen Mustafa Çelik wegen Mitgliedschaft in der PKK fortgesetzt worden. Çelik, der in seinem Umfeld unter seinem kurdischen Namen „Amed“ bekannt ist, steht schon zum zweiten Mal vor Gericht. Dem schwerkranken Aktivisten aus Bremen wird erneut „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ nach §129a/b vorgeworfen. Bereits im August 2016 war er vor dem Oberlandesgericht Celle zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der 43-Jährige leidet unter mehreren chronischen Erkrankungen und ist seit seiner Festnahme im Januar 2020 unter schweren Bedingungen zunächst in der JVA Bremen und jetzt in Hamburg in Untersuchungshaft.

Nachdem bei der Verhandlung am Mittwoch ein Vertreter des Verfassungsschutz mitgeteilt hatte, welche Erkenntnisse über die PKK und Mustafa Çelik vorliegen - ohne jedoch zu erklären, woher die Behörde diese Erkenntnisse hat - kam der Angeklagte heute selbst zu Wort und gab eine politische Erklärung zu den Vorwürfen ab, die sein Anwalt Heinz Schmitt auf Deutsch verlas. Vor allem erklärte er dem Senat die Legitimität des kurdischen Widerstandskampfes und die Verbrechen des türkischen Staates. Die anwesenden Prozessbeobachter*innen applaudierten.

Die Richterin nahm die Erklärung zur Kenntnis und fragte nach, ob Mustafa Çelik sich zu dem ihm vorgeworfenen Tatbestand der „Gebietsleitung“ der PKK äußern wolle. Er sehe sich nicht als Teil einer hierarchischen Struktur, es gehe ihm vielmehr darum, dass sein Anliegen verstanden werde, erklärte Çelik. Die PKK sei seiner Meinung nach die fortschrittlichste und zeitgemäßeste Organisation, um das Anliegen der Kurd*innen zu vertreten.

Es ist sogar schlimm, wenn eine Biene oder ein Schmetterling stirbt

Die Richterin zählte daraufhin eine Reihe von Anschlägen auf, die in der Türkei von der PKK gegen Polizei und Soldaten angeblich verübt wurden. Auch Zivilisten seien dabei zu Schaden gekommen. Mustafa Çelik reagierte auf diese Vorwürfe ziemlich erbost, auch aus dem Publikum kamen Zwischenrufe, ob die Richterin denn wisse, dass Krieg in Kurdistan herrsche.

„Es ist sogar schlimm, wenn eine Biene oder ein Schmetterling stirbt“, so Mustafa Çelik, „aber zahllose unserer Menschen sind ermordet und vergewaltigt worden“. Seit Jahrzehnten versuche Abdullah Öcalan eine friedliche Lösung für den Konflikt zu finden, werde aber von keiner Seite unterstützt. 1999 nach seiner Verschleppung in die Türkei habe er für den Rückzug der Guerilla von türkischem Staatsgebiet gesorgt, etliche Menschen hätten ihr Leben auf diesem Rückzug geopfert. Auch er selbst habe in dieser Situation sein Leben aufs Spiel gesetzt. Die türkische Armee habe jedoch auf dieses Friedensangebot mit einer maßlosen Militäroperation geantwortet, hunderttausende Soldaten wurden eingesetzt, um die Guerilla beim Rückzug anzugreifen. „Wenn Sie nach Terrorismus suchen, dann suchen Sie bei der türkischen Armee“, so Çelik.

Die Richterin redete während der Ausführungen des Angeklagten einfach dazwischen, was Mustafa Çelik sich verbat. Die Erdoğan-Gesinnung unterscheide sich nicht vom IS, fuhr er fort. Ein aktuelles Beispiel sei der Chemiewaffenangriff in Rojava im Oktober 2019, bei dem vor allem Kinder zu Schaden gekommen seien. Auch der Bundestag hätte zugegeben, dass die Angriffe auf Rojava nicht legitim sind. Das Völkerrecht sei auf der Seite der PKK. „Warum verkauft Deutschland immer noch Waffen an die Türkei, obwohl bekannt ist, dass Erdoğan völkerrechtswidrig Waffen an den IS und nach Libyen liefert?“, fuhr Mustafa Çelik fort.  

Die Richterin erklärte daraufhin, die Ziele des Angeklagten seinen vollkommen legitim, jedoch nicht die Mittel. Tuncay Karaman, einer der beiden Verteidiger, sagte, jeder, der sich politisch in der Türkei für die kurdische Sache einsetze, lande im Gefängnis. Als Beispiel nannte er die kurdische Abgeordnete Leyla Zana. Im Gerichtssaal entspann sich eine politischen Diskussion über die kurdische Frage. Verteidiger Heinz Schmitt erklärte, sein Kollege habe mit seinen Ausführungen auf die Frage der Richterin nach den Mitteln reagiert. Sein Mandant stünde nicht für Aktivitäten in der Türkei vor Gericht.

Die Richterin erklärte nach diesem Meinungsaustausch den Verhandlungstag für beendet. Der Prozess wird am 6. August um zehn Uhr fortgesetzt.