DAVA – Erdoğans Stellvertreter in Deutschland

Aktuell debattiert die Politik über die angekündigte Gründung der Partei „DAVA“ und ihre mögliche Teilnahme an der Europawahl. Doch wer sich zurecht gegen Spaltung und Hetze sowie Einflussnahme aus dem Ausland ausspricht, muss sich auch Ditib abgrenzen.

Die „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“, kurz DAVA, ist nicht die erste Partei, die von Türkei-stämmigen Menschen ins Leben gerufen wird, und nicht die erste Struktur, die als verlängerter Arm des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner AKP in Deutschland gilt. Die „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD) wurde 2004 in Köln gegründet. Nach ihrer Umbenennung 2018 agiert sie als „Union Internationaler Demokraten“ (UID). Nicht wenige Namen, die bereits im Kontext dieser Strukturen agier(t)en, tauchen nun auch im Zusammenhang mit DAVA auf. Fatih Zingal, der als Spitzenkandidat bei der Europawahl im Juni antreten soll, war an der Gründung der UETD beteiligt und dort lange Jahre stellvertretender Vorsitzender. Bis vor kurzem war er zudem Sprecher der UID. Zu nennen sind im Kontext von Parteien mit unmittelbarem Türkeibezug auch das 2010 gegründete „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BiG) sowie die 2016 gebildete „Allianz Deutscher Demokraten“ (ADD). Zu DAVA ist noch hinzuzufügen, dass der Vorsitzende Teyfik Özcan als Autor bei „TRT Deutsch“, dem deutschsprachigen Medium des türkischen Staatssenders TRT aufgeführt ist.

Wie der Name bereits sagt, hat DAVA ein Anliegen – im Türkischen bedeutet „Dava“ „Sache“, „Mission“, „Ereignis“, oder „Verfahren“, im juristischen Kontext auch „Klage“. Übrigens erklärte auch Staatspräsident Erdoğan wiederholt, dass die AKP eine „Dava-Partei“ sei. Während die UETD ethnische Konnotationen in ihrem Namen hatte, versucht sich die neue Partei über eine Identifikation mit Deutschland und dem momentan besonders positiv im Kurs stehenden Attribut der Vielfalt. Damit erhofft sich die Partei eine wirkmächtigere Unterstützung, insbesondere unter den muslimischen migrantischen Communities, um etwa den Einzug ins Europaparlament zu schaffen. Den Vorgängerstrukturen ist es nicht gelungen, Erfolge bei Wahlen zu sichern. Bei den Bundestagswahlen 2017 bekam die ADD, die nur in NRW antrat, 0,1 Prozent der Stimmen. Die BiG erlangte nur einige kommunale Mandate. Dennoch ist die Europawahl in vielerlei Hinsicht interessant für die neue Partei. Es existiert keine Sperrklausel (Fünf-Prozent-Hürde) und die Wahlbeteiligung ist in der Regel nicht sehr hoch. Gelingt der Einzug ins Europaparlament, wird der Eindruck erweckt, dass die Partei reelle Chancen hat, auch auf anderen Ebenen ein relevanter politischer Akteur zu werden.

Selbst wenn es dieser Partei nicht gelingt, zu einem Einflussfaktor in der hiesigen Politik zu werden, bleibt mit dem Moscheen-Verband Ditib der Einfluss des türkischen Staates unter der Führung von Erdoğans AKP in Deutschland, sowohl auf die türkischstämmige migrantische Community als auch die deutsche Politik.         

Insbesondere Politiker:innen der Union echauffieren sich dieser Tage über die Ignoranz beziehungsweise Fahrlässigkeit der Ampel-Koalition und der ihr angehörenden Parteien im Umgang mit der bevorstehenden Parteiengründung. DAVA sei eine weitere extreme Partei in Deutschland; der Einfluss radikaler Kräfte steige dadurch. Inhaltlich ist daran nichts auszusetzen. Der Seitenhieb auf die Verabschiedung der neuen Regularien für die doppelte Staatsbürgerschaft zeigt, worum es ihnen eigentlich geht: Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund einzuschränken. Die Forderung nach einer Unterbindung der Auslandsfinanzierung von Moscheen ist ebenfalls richtig, aber vor dem Hintergrund der zuvor genannten Aspekte weder ehrlich noch lösungsorientiert. Denn in den 20 Jahren CDU-geführter Koalitionen pflegten genügend Politiker:innen intensive Kontakte zu Ditib-Moscheen und Funktionsträgern der AKP nahestehenden Organisationen.  

Antisemitismus, Kurden-, LGBTQ+ und Minderheitenfeindlichkeit sind zentrale Charakteristika der AKP, was sich auch in den Ablegern hier widerspiegeln wird. Bezeichnend ist auch, dass keine der genannten Parteien jemals eine Vorsitzende hatte.

Als Konföderation der Gesellschaften Kurdistans in Deutschland begrüßen wir die Kritik aus der Politik in Bezug auf DAVA. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass Kritik zur Ditib weiter unangetastet bleibt. Es sind Politiker:innen verschiedener im Bundestag vertretenen Parteien, die regelmäßig Ditib-Moscheen besuchen. In diesen Moscheen stehen unter anderem Kurdenfeindlichkeit und Antisemitismus auf der Tagesordnung. Die Auslandsfinanzierung, die gerade insbesondere von Politiker:innen der Unionsparteien angesprochen wird, ist eine Realität, auf die wir seit Jahren hinweisen. Ditib ist unmittelbar der türkischen Religionsbehörde Diyanet und diese wiederum direkt dem türkischen Präsidenten unterstellt. Wer sich zurecht gegen Spaltung und Hetze sowie Einflussnahme aus dem Ausland auch im Kontext von DAVA ausspricht, muss sich auch von Ditib abgrenzen.

In diesem Zusammenhang ist aber auch auf die Gefahr von türkischen Rechtsextremisten aus dem Spektrum der Grauen Wölfe zu verweisen. Hier müssen ebenfalls alle Maßnahmen, einschließlich juristischer Optionen, ergriffen werden.


Die Autor:innen sind die beiden Ko-Vorsitzenden der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED). Der bundesdeutsche Dachverband kurdischer Einrichtungen vereint rund 250 Organisationen, darunter Räte, Kommunen sowie Kultur- und Sportvereine.