Einigung: Keine türkischen Imame mehr in Deutschland

Die Entsendung türkischer Imame nach Deutschland wird schrittweise beendet, die Vorbeter sollen direkt hierzulande ausgebildet werden – um den Einfluss auf das, was in deutschen Moscheen gepredigt wird, zu unterbinden. Dabei gibt es ein Problem.

Seit Jahren schon steht die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“, kurz Ditib, als verlängerter Arm des türkischen Staates in der Kritik. Der Verband, dem bundesweit rund 900 Moscheen unterstellt sind, wird vom türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet), das direkt Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan untersteht, angeleitet. Er gilt als deutsches Sprachrohr der Erdoğan-Partei AKP, Ditib-Imame werden von Ankara aus finanziert.

Der Islamverband selbst beteuert immer wieder, unabhängig zu sein. Doch Skandale brachten in der Vergangenheit nicht selten zu Tage, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Ditib und dem türkischen Regime tatsächlich ist. Seit Enthüllung einer Spionageaffäre 2016 etwa ist bekannt, dass Import-Imame für den türkischen Nachrichtendienst als Informationszuträger und Hinweisgeber aktiv waren, unliebsame Personen wie Aktive aus dem kurdischen Spektrum oder Anhänger des Predigers Fethullah Gülen ausspionierten und ihre Spitzelberichte nach Ankara gesandt haben.

Ditib ließ in Moscheen für „Sieg“ der Türkei in Efrîn beten

Auch gilt als geläufig, dass Ditib-Gemeinden regelmäßig Hetze gegen Andersdenkende und Minderheiten verbreiten – 2018 ließ der Verband in seinen Moscheen in Deutschland für den „Sieg“ der Türkei und ihrer dschihadistischen Hilfstruppen beim Angriffskrieg gegen die kurdische Region Efrîn in Nordsyrien beten – und ihre Funktionäre neben Bekenntnissen zur rechtsextremen Organisation „Graue Wölfe“ sowie der Muslimbruderschaft auch islamistische Inhalte veröffentlicht haben. Juristische Konsequenzen gab es für den Moscheeverband quasi nicht und getan hat sich seither wenig. Ein Grund: die Ditib ist der zentrale Ansprechpartner für die deutsche Politik, wenn es um Fragen der Integration geht oder um Religionsunterricht an deutschen Schulen.

Bundesregierung will Imame in Deutschland ausbilden – über Ditib

Doch glaubt man nun der Bundesregierung, sollen künftig keine Prediger mehr aus der Türkei nach Deutschland entsandt, sondern stattdessen direkt in der Bundesrepublik ausgebildet werden. Darauf hätten sich das Bundesinnenministerium, die Diyanet und Ditib verständigt und einen entsprechenden Fahrplan erarbeitet, teilte das Ministerium am Donnerstag mit. Es sprach von 100 Imamen, die jährlich in Deutschland ihre Ausbildung abschließen sollen. Die Arbeit der derzeit in Deutschland tätigen türkischen Imame – etwa tausend an der Zahl – solle entsprechend schrittweise enden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von „langen Verhandlungen“, nannte die Einigung aber auch einen „Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland“. Und weiter: „Wir brauchen Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen und für unsere Werte eintreten.“ Faeser betonte: „Wir wollen, dass Imame sich in den Dialog zwischen den Religionen einbringen und Glaubensfragen in unserer Gesellschaft diskutieren.“

Akbulut: „Erdoğan lacht sich ins Fäustchen“

Bei Civan Akbulut lösten die Worte Faesers überwiegend Kopfschütteln aus. Der Essener Lokalpolitiker (Linke) empfindet die Einigung zwischen Berlin, Ankara und der Ditib als Hohn. „Mit der Beendigung der Imam-Entsendung aus der Türkei endet nicht der Einfluss des türkischen Regimes auf die Moscheegemeinden in Deutschland“, erklärte Akbulut gegenüber ANF. Wer das glaube, sei naiv und blende Jahre voller Skandale und Einflussnahme aus. Es lasse sich nicht leugnen, dass Ditib in personeller, finanzieller und ideologischer Abhängigkeit zu Ankara stehe. Auch sei kein Geheimnis, dass Diyanet alles bestimme, was bei der Ditib passiert und gleichzeitig alles untersagen könnte, was ihr nicht passt.

Diyanet-Chef Ali Erbaş auch Vorsitzender von wichtigstem Ditib-Beirat

An Hohn kaum zu überbieten dürfte unter anderem der Plan der Bundesregierung sein, die Ausbildung von Imamen zunächst im Rahmen eines Programms der Ditib im nordrhein-westfälischen Dahlem abwickeln zu lassen – laut Akbulut die „Außenstelle von Diyanet in Deutschland“. Und um den ausländischen Einfluss auf das, was in deutschen Moscheen gepredigt wird, noch vor dem endgültigen Ende der Entsendung von Imamen zurückzudrängen, soll die fachliche Verantwortung für diese Prediger im Laufe des Jahres 2024 nicht mehr bei den türkischen Generalkonsulaten liegen, sondern auf Ditib übergehen. Akbuluts Einwand: „Der Diyanet-Chef Ali Erbaş ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Ditib-Beirats, welcher zumeist die endgültige Entscheidungsbefugnis hat.“ Im Grunde ändere sich mit der neuen Vereinbarung nur der Ausbildungsort der Ankara-treuen Vorbeter, sonst nichts, meint der Lokalpolitiker, der im Integrationsrat seiner Stadt sitzt. Dass Faeser die Einigung als wichtigen Meilenstein für die Integration nannte, bezeichnete Akbulut als ein Armutszeugnis. „Erdoğan lacht sich ins Fäustchen“, glaubt er.

Immerhin: Die Verantwortlichen für die Imam-Ausbildung streben eine Kooperation mit dem Islamkolleg Deutschland in Osnabrück an. Im September hatten dort erstmals Imame eine Ausbildung in deutscher Sprache absolviert. Das Islamkolleg gilt als Modelleinrichtung und wird vom Innenministerium gefördert.

Titelbild © Sharon Ang via Pixabay