Zürich: Transparentaktion am feministischen Streikhaus

„1 von 100 Gründen gegen die femizidale Politik Erdogans: Ezidisches Shengal verteidigen!” Mit einer Transparentaktion am feministischen Streikhaus zeigt Women Defend Rojava in Zürich Solidarität mit Şengal.

In Solidarität mit Şengal (Shengal) haben am Dienstag Aktivist*innen von Women Devend Rojava Zürich ein Transparent mit der Aufschrift „1 von 100 Gründen gegen die femizidale Politik Erdogans: Ezidisches Shengal verteidigen!” am feministischen Streikhaus in Zürich aufgehängt. Mit der Initiative wollen sie gleichzeitig auf die Kampagne „100 Gründe, um den Diktator zu verurteilen” der kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) aufmerksam machen. In einer dazu veröffentlichen Erklärung heißt es:

Die Shengal-Region ist einmal mehr bedroht. Mit unserem Transparent wollen wir unsere Solidarität mit dem Kampf um Selbstbestimmung ausdrücken und zur Unterstützung der ezidischen Bevölkerung aufrufen. Erdogans Angriff auf die Autonomie Shengals bildet einen von 100 Gründen, ihn für seine frauenfeindliche und tödliche Politik in die Verantwortung zu nehmen, wie es die neu initiierte Kampagne „100 Gründe” der kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) fordert.

Transparentaktion am feministischen Streikhaus in Zürich

Keine Entscheidungen zu Shengal ohne ezidische Beteiligung!

Die Region Shengal, die offiziell zum Irak gehört, ist die Heimat der Ezid*innen, die das Gebirge als heilig betrachten. Seit Jahrhunderten werden die Ezid*innen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert, ausgegrenzt und vertrieben. Im August 2014 überfielen die Terrorbanden des «Islamischen Staates» (IS) die Region. Gezielt wurden ezidische Frauen ermordet, verschleppt, vergewaltigt und versklavt. Tausende sind nach wie vor verschwunden. Der 73. Ferman – wie die Ezid*innen die versuchten Genozide gegen sie nennen – hatte die Vernichtung der ezidischen Identität zum erklärten Ziel. Sowohl die irakischen Sicherheitskräfte wie auch diejenigen der kurdischen autonomen Region liessen sie im Stich. Einzig die PKK-Kämpfer*innen haben die ezidische Bevölkerung gegen den IS verteidigt und vor dem Genozid gerettet, indem sie einen Korridor nach Rojava freikämpften.

Am 9. Oktober 2020 vereinbarte die irakische Zentralregierung in Bagdad mit der südkurdischen Demokratischen Partei Kurdistans (PDK), die Kontrolle über die Shengal-Region zu übernehmen und sämtliche Selbstverteidigungskräfte aufzulösen – dies auf Druck von den USA und der Türkei und natürlich ohne die ezidische Bevölkerung und die Selbstverwaltung der Shengal-Region miteinzubeziehen. Die mit der Türkei verbündete PDK hatte die Bevölkerung der Region 2014 schutzlos dem IS überlassen – ebenso wie die irakische Regierung – und möchte nun die Herrschaft über die Region erneut beanspruchen. Nur die HPG-Guerilla und später die Volksverteidigungs- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ aus Rojava halfen 2014 bei der Verteidigung Shengals gegen den IS, und anschliessend eigene Selbstverteidigungskräfte und eine demokratische Selbstverwaltung in der Region aufzubauen. Im Jahr 2018 zogen sich die HPG nach dem Abschluss dieser Aufgabe aus der Region zurück. Shengal schützt sich seither selbst und die Menschen dort sind angesichts von 73 Massakern in der ezidischen Geschichte nicht mehr bereit, ihre Sicherheit und ihre Verwaltung Kräften von aussen zu überlassen.

In einer gemeinsamen Erklärung am 11. Oktober fordern die ezidischen Organisationen, die nicht in die Verhandlungen einbezogen wurden: «Keine Entscheidungen zu Shengal ohne ezidische Beteiligung!» Sie wollen die sofortige Auflösung des Abkommens und erklären: „Verschlimmernd kommt hinzu, dass eine Vereinbarung getroffen worden ist, welche dem Wunsch und den politischen-geostrategischen Zielvorstellungen von Erdogan voll und ganz entsprechen. Das ist eine katastrophale Entwicklung für die Ezid*innen und infolgedessen vollkommen inakzeptabel. Diese Strategie, wenn sie so verfolgt und umgesetzt würde, kann und wird nur den Prozess der Auswanderung und die damit hergehende Entwurzelung der Ezid*innen forcieren.”

Seit Anfang Oktober protestieren deshalb in der Shengal-Region und weltweit Ezid*innen gegen das Abkommen. Die Sprecherin der ezidischen Frauenbewegung TAJÊ, Sebîhe Sebrî, wies in ihrem Redebeitrag bei einer Demonstration in Shengal am 26. Dezember 2020 darauf hin, dass vor allem die ezidischen Frauen von einem erneuten Vernichtungsangriff bedroht sind: „Der gesellschaftliche Widerstand der Ezid*innen sowie der Kampf gegen geschlechterbasierte Gewalt ist aus dieser Perspektive betrachtet von existenzieller Bedeutung.”

100 Gründe”

Mit ihrer neu initiierten Kampagne „100 Gründe” fordert die kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) die internationale Anerkennung von Feminiziden als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie prangert die frauenfeindliche und tödliche Politik der türkischen AKP-Regierung unter Erdogan an. Dazu ist eine Petition gestartet worden, um bis zum 8. März 100.000 Unterschriften zu sammeln.

Im Rahmen dieser Kampagne wird auch die Freilassung von Leyla Güven gefordert. Die kurdische Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses (KCD) und ehemalige HDP-Abgeordnete ist am 21. Dezember 2020 von einem türkischen Gericht unter dubiosen Terrorvorwürfen zu einer Freiheitsstrafe von 22 Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Unter anderem wird ihr vorgeworfen, sich gegen die türkische Invasion in Afrin 2018 geäussert zu haben.

Freiheit für Leyla Güven! #FreeThemAll! Verteidigen wir Shengal gegen die femizidale und faschistische Politik der Türkei! Solidarität mit dem Kampf um Selbstbestimmung in Shengal und anderswo!