Feleknas Uca: Şengal soll entvölkert werden

„Şengal ist eine strategisch wichtige Region. Auf der einen Seite liegt Rojava, in der anderen Richtung der Iran. Die USA verfolgen eigene Pläne in diesem Gebiet. Niemand hat das Recht, mit dem Schicksal unseres Volkes zu spielen“, erklärt Feleknas Uca.

Die HDP-Abgeordnete Feleknas Uca warnt davor, dass das im Oktober auf internationalen Druck zwischen der irakischen Regierung und der PDK in Bagdad geschlossene Abkommen zur Zukunft des ezidischen Hauptsiedlungsgebiets Şengal zu weiteren Massakern führen kann.

Die außenpolitische Sprecherin der HDP-Fraktion erinnert daran, dass es sich bei dem IS-Angriff auf Şengal im Jahr 2014 um den 75. Ferman gegen das ezidische Volk gehandelt hat:

„Vor den Augen der Weltöffentlichkeit ist im August 2014 ein Massaker am ezidischen Volk begangen worden. Die ganze Welt hat dabei zugesehen, niemand hat diesen Ferman verhindert. Hunderttausende Ezidinnen und Eziden sind im eigenen Land zu Flüchtlingen geworden. Ungefähr 150.000 Menschen sind über einen von kurdischen jungen Menschen freigekämpften Korridor auf den Şengal-Berg gezogen. Das ezidische Volk hat tagelang ohne Essen und Trinken gekämpft. Hunderte Menschen sind an Hunger und Durst gestorben. Nach dem Ferman ist in Şengal ein neues Leben aufgebaut worden. Das ezidische Volk hat seine Autonomie ausgerufen und eigene Räte gegründet. So wurden auch eigene Verteidigungskräfte gebildet. Frauen, die aus der IS-Gefangenschaft befreit werden konnten, traten danach den YPJ bei.“

 

Şengal soll entvölkert werden

Die Widerstandseinheiten YBŞ und YJŞ haben laut Uca hohe Opfer für die Verteidigung von Şengal erbracht. Zu dem Abkommen führt die HDP-Politikerin aus:

„Mit dem getroffenen Abkommen soll Şengal entvölkert werden. Es werden Entscheidungen getroffen, ohne die Bevölkerung einzubeziehen. Diese Entscheidungen sind politisch motiviert. Das gesamte Şengal-Konzept beruht auf einer Initiative, mit der ein US-Angriff auf den Iran ermöglicht werden soll. Şengal soll entvölkert werden, um den Weg nach Bagdad freizumachen. Das Abkommen ist nicht nur zwischen Bagdad und der PDK getroffen worden, dahinter stehen die USA. Außer der PDK sind alle Parteien und Einrichtungen in Südkurdistan dagegen.

Mit Şengal werden schmutzige Machenschaften betrieben. Solche Machenschaften gab es bereits früher, aber die Bevölkerung hat die Region nicht verlassen und diese Spiele ins Leere laufen lassen. Dass sich das ezidische Volk organisiert, macht diesen Kräften Angst, deshalb werden Pläne für weitere Ferman geschmiedet. Bereits am 14. August 2007 wurde ein schweres Massaker an den Eziden begangen, Hunderte Menschen kamen dabei ums Leben. Bereits damals sollte Şengal entvölkert werden. Seitdem will die ezidische Jugend ihre Heimat schützen und autonom sein. Nach dem IS-Angriff 2014 haben sie sich endlich organisiert und eigene Verteidigungskräfte aufgebaut.

Wer war 2014 in Şengal? Die PDK-Peschmerga war dort. Vor dem Massaker kamen die IS-Dschihadisten und verteilten Flugblätter, in denen sinngemäß stand, dass sie am Feiertag zum Teetrinken kommen. Und dann haben sie angegriffen. Bevor die IS-Dschihadisten kamen, hat die PDK-Peschmerga die Waffen der ezidischen Bevölkerung eingesammelt. Danach fand das Massaker statt. Vor ein paar Tagen wollte die irakische Zentralregierung Waffen der ezidischen Bevölkerung in Şengal einziehen. Das ist ein Zeichen für ein weiteres Massaker. Dem ezidischen Volk sollen alle Verteidigungsmöglichkeit genommen werden, damit das Massaker noch größer ausfällt. Aus diesem Grund ist eine politische Entscheidung getroffen worden, hinter der auch europäische Länder stecken.“

Politik der Besatzung

Uca verweist darauf, dass die USA zwischen Bagdad und Şengal einen sunnitischen Gürtel errichten wollen: „Şengal ist eine strategisch wichtige Region. Auf der einen Seite liegt Rojava, in der anderen Richtung der Iran. Die USA verfolgen eigene Pläne in diesem Gebiet. Sie wollen den Iran angreifen und brauchen dafür Şengal. Şengal befindet sich in zentraler Position. Dafür soll ein weiteres Mal das ezidische Volk geopfert werden. Die Ezidinnen und Eziden haben sich in der Vergangenheit nicht gebeugt und werden es auch jetzt nicht tun.“

Zu den türkischen Besatzungsambitionen in der Region erklärt Feleknas Uca, dass die PDK sich zum Partner der Türkei gemacht hat: „Die Medya-Verteidigungsgebiete werden täglich bombardiert, es finden ständige Operationen statt. Der türkische Staat will nicht nur Mexmûr und Şengal besetzen, sondern ganz Südkurdistan. Jeden Tag werden weitere Truppen dorthin verlegt. Die PDK und der türkische Staat arbeiten ganz offen zusammen.

Erdogan hat erklärt, dass er sich ein ähnliches Abkommen wie das über Şengal auch für Mexmûr wünscht. Die Bevölkerung von Mexmûr musste ihre Heimat in Nordkurdistan aufgrund der türkischen Kriegspolitik verlassen. Jetzt sollen die Menschen erneut mit einer schmutzigen Politik vertrieben werden. Mit dieser Politik sollen das ezidische Volk und die Menschen in Mexmûr getötet werden. Weder die Bevölkerung von Şengal noch die von Mexmûr werden sich dieser Politik beugen. Niemand hat das Recht, mit dem Schicksal unseres Volkes zu spielen.“


Feleknas Uca, eine in Celle geborene ezidische Kurdin, war bis 2009 Europaabgeordnete für die PDS bzw. Die Linke und lebt seit einigen Jahren wieder in der Türkei. Seit 2015 ist sie Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP). Wie gegen fast alle HDP-Abgeordnete läuft auch gegen sie ein Strafverfahren, ihr drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.