Zehra Doğan in Beirut mit Courage-Preis geehrt

Zehra Doğan ist von der libanesischen May-Chidiac-Stiftung mit dem Preis für mutigen Journalismus ausgezeichnet worden. Die Journalistin widmete den Preis ihren Kollegen, „die momentan in Rojava hinter echten Informationen her sind.”

Die kurdische Künstlerin und Journalistin Zehra Doğan ist im Libanon mit dem Courage-Preis der May-Chidiac-Stiftung geehrt worden. Damit werde sie für ihr Eintreten für außergewöhnlich mutigen Journalismus ausgezeichnet, teilte die Stiftung mit. Die 30-Jährige habe trotz Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei kritisch berichtet, damit die Stimme der Wahrheit nicht zum Schweigen gebracht wird. Die Preisverleihung fand bereits am Freitag in der Seaside-Arena in der libanesischen Hauptstadt Beirut statt.

„Auch wenn wir hier im Libanon ebenfalls nicht von einer freien und unabhängigen Presse sprechen können, so ist die Türkei bereits zu einem Gefängnis für Journalisten geworden. Wer nicht inhaftiert ist, der kann auch nicht schreiben. Und davon abgehalten zu werden, frei zu informieren, ist bereits wie in einem Gefängnis zu sein. Einige Journalisten widersetzen sich jedoch diesen Bedingungen, und Zehra ist eine von ihnen“, sagte die Stiftungspräsidentin May Chidiac in ihrer Laudatio.

Zehra Doğan betrat die Bühne in traditioneller kurdischer Frauenkleidung. Auf kurdisch erklärte sie: „Ich danke Ihnen für diesen Preis.

Während ich im Gefängnis saß, versprachen eine Mitgefangene, die seit 22 Jahren im Gefängnis sitzt und vor 25 Jahren Beirut besuchte, und ich uns gegenseitig: ‚Eines Tages werden wir uns in Beirut wiedersehen und uns gemeinsam Musik von Fairuz anhören.‘ Ich bin mittlerweile draußen, meine Freundin ist es nicht.

Die Türkei ist ein Gefängnis. Das ganze Land ist es. Hunderte Journalisten, Künstler, Politiker und Tausende Menschenrechtsverteidiger sind inhaftiert. Die Türkei gehört weltweit zu den Ländern, in denen es um die Pressefreiheit am schlimmsten steht. Auch heute wurden wieder Freunde und Kollegen festgenommen. Warum? Weil sie über Rojava berichtet haben.

In Rojava herrscht Krieg. In Rojava werden Menschen massakriert. Kinder werden bombardiert und getötet. Die Türkei greift Rojava an.

Heute habe ich auf den Straßen Beiruts gesehen, dass die Menschen ihre Unterstützung für Rojava demonstrierten. Es gab auch Erklärungen von Politikern, in denen der Angriff auf Rojava verurteilt wurde. Das haben wir begrüßt. Wir als kurdisches Volk werden seit Jahren angegriffen. Aber vergessen Sie nicht, dass wir uns seit Jahren dagegen zur Wehr setzen. Wir haben gestern Widerstand geleistet, und wir werden auch heute wieder Widerstand leisten.

In einer Phase wie dieser einen Preis zu erhalten, brachte mich tief zum Nachdenken. Dieser Preis gehört nicht mir. In meinem Namen kann ich ihn nicht annehmen. Ich nehme diesen Preis im Namen der Völker von Rojava entgegen und widme ihn meinen Journalistenkollegen, die gerade die momentan in Rojava hinter echten Informationen her sind.”

Wer ist Zehra Doğan?

Zehra Doğan gehört zu den Gründerinnen der weltweit ersten feministischen Frauennachrichtenagentur JINHA, die im Zuge des Ausnahmezustands im Oktober 2016 per staatlichem Dekret geschlossen wurde. Als Künstlerin thematisiert sie die politischen Verhältnisse und das Leben von Frauen. Während des demokratischen Selbstverwaltungswiderstands in Nordkurdistan hatte die Journalistin aus Nisêbîn (Nusaybin) und Cizîr (Cizre) berichtet. 

Aufgrund ihrer Berichterstattung und einem Bild, das die türkische Flagge über von Panzern zerschossenen Häusern zeigt, wurde Zehra Doğan im Juli 2016 festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Die Anklage lautete „Mitgliedschaft“ und „Propaganda für eine terroristische Organisation“. Fünf Monate später wurde Zehra Doğan vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristische Organisation freigesprochen, aber ein Berufungsgericht bestätigte im Juni 2017 das erstinstanzliche Urteil über zwei Jahre, neun Monaten und 22 Tage Gefängnis wegen ihrer Aktivitäten in sozialen Medien und der „Terrorpropaganda“. Sie kam erneut ins Gefängnis, zunächst in Amed (Diyarbakir), später wurde sie mit zwanzig weiteren Frauen gegen ihren Willen nach Tarsus verlegt. Im Februar dieses Jahres wurde sie entlassen.

Während ihrer Haft machte Zehra Doğan Reportagen mit ihren Mitgefangenen und malte Bilder auf Zeitungspapier und Kartons, weil ihre Malutensilien beschlagnahmt wurden. Ihre Bilder sind in vielen europäischen Ländern ausgestellt worden.

Weltweit bekannt wurde Zehra Doğan durch ein riesiges Wandbild, mit dem der britische Street-Art-Künstler Banksy in New York gegen ihre Inhaftierung protestierte. Das etwa 20 Meter breite Kunstwerk zeigte stellvertretend für die Tage ihrer Haftstrafe eine Strichliste, die an einer Stelle zugleich ein Gefängnisgitter darstellen.