Zehra Doğan ist von der in London ansässigen Einrichtung Index of Censorship mit dem diesjährigen Freedom of Expression Award ausgezeichnet worden. Die internationale Einrichtung zeichnet Persönlichkeiten aus, die mit Kunst, Kampagnen, digitalen Aktivitäten und Journalismus gegen Zensur kämpfen.
Am 24. Februar wurde Zehra Doğan nach zwei Jahren und einem Monat aus dem Gefängnis entlassen. In Tarsus saß die 30-Jährige aufgrund einer Verurteilung wegen „Terrorpropaganda“ in türkischer Haft. Den Preis für Meinungsfreiheit nahm die Künstlerin persönlich entgegen. In ihrer Dankesrede, die sie auf Kurdisch hielt, widmete sie die Auszeichnung der kurdischen Politikerin Leyla Güven, die seit 149 Tagen mit einem Hungerstreik gegen die Isolation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan protestiert, und allen politischen Gefangenen in der Türkei sowie den gegen Unterdrückung Widerstand leistenden Völkern weltweit.
Stellen Sie sich vor, in einer vom Krieg zerstörten Stadt zu sein
„Stellen Sie sich vor, als Künstlerin oder Künstler in einer vom Krieg zerstörten Stadt zu sein. Können Sie an etwas anderes denken, als die Zerstörung darzustellen, die Sie vor Augen haben? ‚Dieses Werk [für das Zehra Doğan verurteilt wurde] hat die Grenzen der künstlerischen Kritik bei weitem überschritten‘, lauteten die Worte des Richters, der mich verurteilte. Ob es einen Konsens über Kunst geben kann, darüber streitet sich seit Jahrhunderten die gesamte Welt der Kunst. Die Türkei scheint sich aber sicher zu sein, dass es diesen Konsens gibt“, erklärte Doğan.
Wer ist Zehra Doğan?
Zehra Doğan gehört zu den Gründerinnen der Frauennachrichtenagentur JINHA. Als Künstlerin thematisiert sie die politischen Verhältnisse und das Leben von Frauen. Während des Selbstverwaltungswiderstands in Nordkurdistan hatte die Journalistin aus Nisêbîn (Nusaybin) und Cizîr (Cizre) berichtet. Aufgrund ihrer Berichterstattung und einem Bild, das die türkische Flagge über von Panzern zerschossenen Häusern zeigt, wurde Zehra Doğan am 21. Juli 2016 festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Die Anklage lautete „Mitgliedschaft“ und „Propaganda für eine terroristische Organisation“. Am 9. Dezember 2016 wurde Zehra Doğan vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristische Organisation freigesprochen, aber ein Berufungsgericht bestätigte am 2. Juni 2017 das erstinstanzliche Urteil über zwei Jahre, neun Monaten und 22 Tage Gefängnis wegen ihrer Aktivitäten in sozialen Medien und der „Terrorpropaganda“. Sie kam erneut ins Gefängnis, zunächst in Amed (Diyarbakir), später wurde sie mit zwanzig weiteren Frauen gegen ihren Willen nach Tarsus verlegt.
Während ihrer Haft machte Zehra Doğan Reportagen mit ihren Mitgefangenen und malte Bilder auf Zeitungspapier und Kartons, weil ihre Malutensilien beschlagnahmt wurden. Ihre Bilder sind in vielen europäischen Ländern ausgestellt worden.
Weltweit bekannt wurde Zehra Doğan durch ein riesiges Wandbild, mit dem der britische Street-Art-Künstler Banksy in New York gegen ihre Inhaftierung protestierte. Das etwa 20 Meter breite Kunstwerk zeigte stellvertretend für die Tage ihrer Haftstrafe eine Strichliste, die an einer Stelle zugleich ein Gefängnisgitter darstellen.