„Wir werden Frauenmorde stoppen“ wird nicht verboten

Der Verein „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (KCDP) wird nicht verboten, die Klage wurde von dem zuständigen Gericht in Istanbul abgewiesen.

Der Verein „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu, KCDP) wird nicht verboten. Das entschied heute ein Gericht in Istanbul. Gegen die 2010 in Istanbul von Familienangehörigen von Femizidopfern und Frauen aus verschiedenen Parteien und anderen Organisationen gegründeten Plattform war im vergangenen Jahr ein Verbotsverfahren wegen „Aktivitäten gegen das Gesetz und die Moral" eingeleitet worden. In der vierten Hauptverhandlung wurde die Klage abgewiesen.


Die Verhandlung im Justizpalast Çağlayan wurde von vielen Personen beobachtet, darunter Parlamentsabgeordnete der Grünen Linkspartei (YSP) und der Arbeitspartei (EMEP), die Istanbuler CHP-Vorsitzenden Canan Kaftancıoğlu und Vertreter:innen des schwedischen und des niederländischen Konsulats. Da der Gerichtssaal voll besetzt war, wurden viele Personen nicht mehr eingelassen.

Angehörige von Gewaltopfern als Zeuginnen

Mehrere Frauen, deren Schwestern oder Töchter ermordet wurden, traten in dem Prozess als Zeuginnen auf und schilderten, auf welche Weise die KCDP sie unterstützt habe. Der Verein leistet Öffentlichkeitsarbeit gegen Feminizid und veröffentlicht regelmäßig Statistiken und Hintergrundinformationen über Frauenmorde in der Türkei. Von Gewalt betroffene Frauen werden bei Prozessen begleitet, gleichzeitig wird für ihre Sicherheit gesorgt. Die Plattform tritt auch als Nebenklägerin auf und begleitet Angehörige ermordeter Frauen. Ziel ist es, im Sinne der Frauen ein Umdenken bei den Gerichten und somit Präzedenzfälle zu schaffen. Sehr präsent war die Plattform auch im Kampf für den Erhalt der Istanbul-Konvention, die 2021 per Präsidialdekret annulliert wurde.

Die Plattform wurde zu unserer Stimme“

Tuğba Can, eine der Zeuginnen der KCDP, sagte vor Gericht: „Ich habe dieses Jahr meine Zwillingsschwester durch männliche Gewalt verloren. Sie sagten ,du wirst nie alleine gehen' und ich bin nie alleine gegangen. Anstatt die Plattform zu schließen, sollte sie unterstützt werden." Nuray Çalayır, deren Tochter 2013 von ihrem geschiedenen Ehemann ermordet wurde, erklärte: „In Akhisar hat mich niemand angerufen oder gefragt. Ich bin im Internet auf den Verein gestoßen und habe ihm geschrieben. Die Unterstützung, die ich von KCDP erhalten habe, hat mich am Leben erhalten." Bahar Genç sagte, dass die Plattform große Solidarität mit ihr gezeigt habe, und fügte hinzu: „Ich möchte, dass alle Mörder da draußen verhaftet werden. Der Verein darf nicht geschlossen werden."

Dank KCDP wurde der Mörder meiner Tochter verhaftet“

Nursel Uyar, deren Tochter Fatma Duygu Özkan ermordet wurde, erklärte in ihrer Zeugenaussage: „Meine Familie und ich sind finanziell und emotional erschöpft. Wir hatten von KCDP gehört und uns in Istanbul getroffen. Sie haben uns sogar bei der Beerdigung begleitet. Wir können nicht erkennen, dass es noch jemanden gibt, der sich für unsere Rechte einsetzt und sie schützt. Wir wollen nicht, dass die Plattform geschlossen wird, und wir bieten unsere Unterstützung bis zum Ende an." Melek Yakupoğlu, deren Tochter Opfer von Gewalt wurde, sagte: „Dank der Plattform wurde der Mörder meiner Tochter verhaftet. Ich danke der Plattform dafür, dass sie mir zur Seite steht. Ich fühle mich durch solche Plattformen stark und sicher. Wir sind nicht hilflos gegenüber Männern, die uns hilflos sehen. Ich möchte auf keinen Fall, dass die Plattform geschlossen wird." Koray Şengül, der Sohn der ermordeten Fatma Şengül, sagte: „Der Mörder meiner Mutter hatte eine Strafminderung erhalten, aber dank der Plattform erhielt er eine lebenslange Haftstrafe. Die Plattform hat uns eine Stimme gegeben."

„Wir werden weiterhin auf den Plätzen sein“


Nach der Urteilsverkündung versammelten sich die Frauen unter Beifall und Sprechchören vor dem Gerichtsgebäude und gaben eine Erklärung ab. Immer wieder wurde „Jin Jiyan Azadî" (Frau, Leben, Freiheit), „Du wirst niemals allein gehen" und „Wir werden Frauenmorde stoppen" skandiert. Fidan Ataselim, Generalsekretärin der KCDP, sagte: „Wie wir immer gesagt haben, werden wir unsere Rechte, unsere Organisation und unseren Kampf nicht aufgeben. Danach ist die Entscheidung so ausgefallen, wie sie sein sollte. Unsere Verantwortung ist groß. Sollen sie uns doch mit aller Macht angreifen. Wir werden weiterhin in Gerichtssälen und auf Plätzen präsent sein.“

Foto: KCDP