Prozessbeginn gegen Frauenverein KCDP in Istanbul

Die Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ soll in der Türkei verboten werden. Vor Prozessbeginn in Istanbul protestierten Hunderte Frauen verschiedener Parteien und Organisationen gegen die Kriminalisierung des Kampfes gegen Femizide.

In Istanbul hat das Verbotsverfahren gegen die Plattform Wir werden Frauenmorde stoppen (tr. Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu) begonnen. Der vor zwölf Jahren von Familienangehörigen von Femizidopfern und Frauen aus verschiedenen Parteien und anderen Organisationen gegründete Verein verstößt nach Ansicht der türkischen Behörden gegen „Gesetz und Moral“ und soll daher aufgelöst werden. Vor dem Gerichtsgebäude in Çağlayan fand vor Prozessbeginn eine Kundgebung statt, an der neben den Vereinsmitarbeiterinnen zahlreiche Rechtsanwältinnen sowie Abgeordnete der HDP, CHP und TIP und Vertreterinnen zivilgesellschaftlicher Organisationen teilnahmen.

Gülsüm Kav, die zu den Mitbegründerinnen der Plattform zählt, sagte bei der Kundgebung, es sei ein Trauerspiel, dass die Aktivistinnen, die seit Jahren Prozesse wegen Gewalt und Mord an Frauen begleiten, jetzt vor Gericht für das Weiterbestehen ihres Vereins kämpfen müssten: „Dieser Prozess ist ungerecht und hat keine juristische Grundlage.“ Das Verbotsverfahren werde an der Solidarität von Frauen scheitern, so Gülsüm Kav.

Die Angst der Herrschenden vor kämpfenden Frauen“

Die CHP-Abgeordnete Gamze Taşçıer bezeichnete die KCDP als stärkste Stimme im Frauenkampf und erklärte, dass der Prozess Unrecht sei. Die TIP-Abgeordnete Sera Kadigil wies darauf hin, dass die Regierung nichts gegen Femizide unternehme und stattdessen Vereine wie die KCDP verbieten wolle. Oya Ersoy, Abgeordnete der HDP, fügte hinzu, dass Frauen sich nicht den Mund verbieten lassen: „Unser Kampf für Gleichheit und Freiheit wird niemals aufhören. Die Regierung zielt auf unsere Arbeit, unsere Körper und unser Leben ab. Sie will eine andere Gesellschaft erschaffen und greift deshalb Frauen an. Diese Angriffe basieren auf zwei Gründen: Der erste Grund ist eine reaktionäre und sexistische patriarchale Denkweise. Der zweite Grund ist die Angst der Herrschenden vor unserem Kampf. Wir sind das größte Hindernis für die Etablierung der gewünschten Gesellschaft und wir werden mit unserem Kampf uns selbst und das Land verändern. Wir werden niemals schweigen, uns fürchten und gehorchen.“

Nach der Kundgebung begann der Prozess, der von zahlreichen Frauen beobachtet wird.

„Wir werden Frauenmorde stoppen“

Der Verein „Wir werden Frauenmorde stoppen“ leistet Öffentlichkeitsarbeit gegen Feminizid und veröffentlicht regelmäßig Statistiken und Hintergrundinformationen über Frauenmorde in der Türkei. Von Gewalt betroffene Frauen werden bei Prozessen begleitet, gleichzeitig wird für ihre Sicherheit gesorgt. Die Plattform versucht auch, als Nebenklägerin zugelassen zu werden. In vielen Verfahren ist dies auch gelungen. In nicht aufgeklärten oder als „Selbstmord“ bezeichneten Fällen leistet die Plattform aktive Aufklärungshilfe. Ziel ist es, im Sinne der Frauen ein Umdenken bei den Gerichten und somit Präzedenzfälle zu schaffen. Sehr präsent war die Plattform auch im Kampf für den Erhalt der Istanbul-Konvention, die per Präsidialdekret im vergangenen Jahr annulliert wurde.