Omaima Al-Jabaluni und Mina Aba Ali
Die tunesische Menschenrechtsaktivistin Omaima Al-Jabaluni sowie Mina Aba Ali, Mitglied der Sahrawi-Frauenvereinigung aus Marokko, sprechen im Interview sowohl über die schwierige Situation der Frauen in Syrien und Rojava als auch über die positiven Entwicklungen in den unter der Demokratischen Selbstverwaltung (DAANES) stehenden Regionen. Die beiden Aktivistinnen betonen die Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung von Frauen an politischen und gesellschaftlichen Prozessen und heben die Bedeutung von Gleichberechtigung und Menschenrechten für die Zukunft des Landes hervor.
„Frauen haben eine entscheidende Rolle in der Zukunft Syriens“
Omaima Al-Jabaluni ist tunesische Menschenrechtsaktivistin. Sie skizziert die Entwicklungen in den arabischen Ländern besonders in Bezug auf die Rolle der Frauen: „Unsere Ziele bei den kulturellen und sozialen Revolutionen sowie den politischen Veränderungen in den arabischen Ländern waren darauf ausgerichtet, dass diese Revolutionen sich auf die Prinzipien der Menschenrechte stützen. Doch leider haben einige Gruppen versucht, die revolutionären Volksaufstände in eine andere Richtung zu lenken und von ihrem ursprünglichen Ziel abzubringen.“
Sie kritisiert, dass in vielen Gesellschaften der Glaube an die Gleichheit und Freiheit der Frauen noch immer fehle: „Dieses Problem ist jedoch nicht nur auf Syrien beschränkt, sondern betrifft alle Gesellschaften weltweit. Aber es gibt eine wichtige Tatsache: Frauen haben in vielen Revolutionen, sei es bei nationalen Befreiungsbewegungen oder demokratischen Reformbewegungen, eine bedeutende Rolle gespielt und großen Einfluss auf die Bildung öffentlicher und staatlicher Institutionen gehabt. Die syrischen Frauen haben durch ihre gesammelten Erfahrungen eine Stärke aufgebaut. Sie sollten in allen Bereichen – sei es wirtschaftlich, sozial, politisch oder rechtlich – eine entscheidende Rolle in der neuen syrischen Verfassung einnehmen. Frauenrechte müssen in Gesetze kodifiziert werden, damit der Staat gezwungen wird, diese Rechte anzuerkennen“ so Al-Jabaluni. So garantiere beispielsweise der 46. Artikel der tunesischen Verfassung die Gleichheit zwischen Frauen und Männern. Da er jedoch seit 2024 nicht mehr geschützt werden könne, folgert Al-Jabaluni: „Die Lehre, die wir aus der Vergangenheit gezogen haben, ist: Selbst wenn Frauenrechte in der Verfassung verankert sind, kann ihre Durchsetzung nur durch die Entschlossenheit derjenigen gewährleistet werden, die diese Rechte einfordern.“
Die Menschenrechtsaktivistin unterstreicht, dass die Beteiligung von Frauen im zukünftigen syrischen Parlament bei den kommenden Wahlen von grundlegender Bedeutung für die Frauenfreiheit und die Verwirklichung der Frauenrechte sei.
Abschließend hebt sie die positiven Erfahrungen der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien hervor: „Die Demokratische Selbstverwaltung umfasst alle gesellschaftlichen Komponenten, Konfessionen, Glaubensrichtungen und Ethnien. Dieses Modell hat in allen Bereichen seine Erfolge bewiesen und bietet eine mögliche Lösung für die Zukunft Syriens. Der Kampf für Frauenrechte kann nur in einer nationalen Einheit und auf Grundlage eines Projekts zum Schutz Syriens und seiner Vielfalt erfolgreich sein.“
„Syrische Frauen müssen sich selbst behaupten“
Mina Aba Ali ist Mitglied der Sahrawi Frauenvereinigung aus Marokko und Koordinatorin der Initiative für Frieden und Sicherheit für Frauen gegen Besatzung und Völkermord. Sie erklärt, dass nach dem Sturz des Baath-Regimes in Syrien die Hoffnungen auf Freiheit, Pluralismus, Stabilität und Sicherheit in der Gesellschaft gestiegen seien und betont: „Jede Regierung sollte Programme haben, die die Rechte und Freiheiten von Frauen und Minderheiten garantieren und diese Rechte für alle Syrer:innen sicherstellen.“ Mina Aba Ali hebt hervor, dass syrische Frauen sich angesichts der Entwicklungen im Land organisieren und mit dem Bewusstsein, dass sie die Hälfte der Gesellschaft ausmachen, ihre Präsenz auf grundlegender Ebene durchsetzen müssten.
Beide Aktivistinnen, Al-Jabaluni und Aba Ali, sehen die Stärkung der Frauenrechte und die politische Teilhabe der Frauen als wesentlichen Bestandteil der Zukunft Syriens. Ihre Aussagen verdeutlichen, dass der Kampf für die Rechte der Frauen neben der lokalen auch eine globale Dimension hat, welche in einem umfassenden Kontext von Menschenrechten und nationaler Befreiung betrachtet werden muss. Es liege auf der Hand, dass die politische Mitbestimmung sowie die gesetzliche Verankerung von Frauenrechten nicht nur den Frauen zugutekämen, sondern letztlich auch zur Stabilität und zum Frieden in Syrien beitragen könnten.