Vergewaltigungsprozess: Unteroffizier bleibt frei

Der Unteroffizier Musa Orhan bleibt weiterhin auf freiem Fuß. Das hat das Gericht in Sêrt am ersten Prozesstag entschieden. Sein Vergewaltigungsopfer, die 18-jährige Ipek Er, hat Suizid begangen.

In Sêrt (türk. Siirt) hat der Prozess gegen Musa Orhan begonnen. Der inzwischen suspendierte Unteroffizier der türkischen Armee hat die 18-jährige Ipek Er mehrfach vergewaltigt und in den Selbstmord getrieben. Angeklagt ist er wegen „qualifiziertem sexuellem Angriff“.

Der Angeklagte selbst war nicht im Verhandlungssaal, sondern nahm über eine Videoschaltung teil und nutzte sein Schweigerecht. Die Eltern und der Bruder von Ipek Er waren als Nebenkläger anwesend. Der Prozess wurde von den HDP-Abgeordneten Ayşe Acar Başaran, Meral Danış Beştaş, Feleknas Uca, Dersim Dağ und Sıddık Taş, Mitgliedern des Frauenvereins Rosa, des Menschenrechtsvereins IHD und der Anwaltsvereinigung ÖHD, der CHP-Frauenfraktionsvorsitzenden Aylin Nazlıaka und den Anwaltskammern von Amed, Êlih, Sêrt, Şirnex und Riha beobachtet. 45 weitere Anwält*innen sowie Journalist*innen und zahlreiche weitere Personen wurden wegen Überfüllung nicht in den Saal gelassen.

Der Verteidiger von Musa Orhan twitterte fünf Minuten vor Verhandlungsbeginn, dass sein Mandant sein Schweigerecht „aus Respekt vor Ipek“ nutzen werde, die Wahrheit sei ohnehin durch die Beweismittel in der Akte bekannt. Vor Gericht behauptete er, der Vorfall sei in sozialen Netzwerken verdreht worden und sein Mandant sei unschuldig.

Die Verteidigung der Nebenklage beantragte die Verhaftung des Angeklagten, dieser Forderung widersprach die Staatsanwaltschaft. Als die Mutter von Ipek Er im Gerichtssaal das Bewusstsein verlor, wurde die Verhandlung unterbrochen. Nach der Pause lehnte das Gericht einen Haftbefehl gegen den Angeklagten ab und vertagte die Verhandlung auf den 25. Februar.

Vorgeschichte

Musa Orhan, ein in Sêrt stationierter Unteroffizier der Jandarma (Militärpolizei), hat die 18-jährige Kurdin Ipek Er mehrfach vergewaltigt. Ipek Er hatte am 16. Juli in Qubîn (Beşiri) bei Êlih versucht, sich das Leben zu nehmen. In einem Abschiedsbrief hatte sie mitgeteilt, dass sie von Musa Orhan über mehrere Tage gefangen gehalten, unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht wurde. Am 18. August ist sie an den Folgen ihres Suizidversuchs im Krankenhaus verstorben. Der Täter, ein bekennender Anhänger der rechtsextremen „Grauen Wölfe“, war kurz festgenommen worden, wurde jedoch wegen fehlender Fluchtgefahr wieder laufengelassen. Die Vergewaltigung war durch eine gerichtsmedizinische Untersuchung bestätigt worden. Nach massiven Protesten wurde Musa Orhan am 19. August erneut festgenommen. Eine Woche später wurde er per Gerichtsentscheid wieder auf freien Fuß gesetzt.