Die türkische Regierung weigert sicht, eine Anfrage der HDP-Abgeordneten Feleknas Uca zum Anstieg der Fälle von Vergewaltigungen und sexueller Übergriffe gegen kurdische Frauen und Mädchen durch türkische Offiziere und Staatsbedienstete zu beantworten. Sie enthalte „unhöfliche und verletzende“ Worte, heißt es zur Begründung. Uca hatte die Anfrage bereits Ende Juli eingereicht, nachdem der türkische Unteroffizier Musa Orhan, Vergewaltiger der 18-jährigen Kurdin Ipek Er aus Êlih (türk. Batman), nach seiner ersten Festnahme trotz erdrückender Beweislage freigelassen wurde. Zudem wollte die Abgeordnete vom Justizministerium wissen, ob die Verteidigung des Militärs, er sei „betrunken gewesen“, darauf einen Einfluss gehabt habe. Weiterhin thematisierte Uca, dass die Polizei die Anzeige der Familie wegen Vergewaltigung nicht bearbeitet habe und fragte, ob deswegen mittlerweile Ermittlungen stattfinden.
Ipek Er hatte am 16. Juli in Qubîn (Beşiri) bei Êlih versucht, sich das Leben zu nehmen. In einem Abschiedsbrief hatte sie mitgeteilt, dass sie von Musa Orhan über mehrere Tage gefangen gehalten, unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht wurde. Am 18. August ist sie an den Folgen ihres Suizidversuchs im Krankenhaus verstorben. Der Täter, ein bekennender Anhänger der rechtsextremen „Grauen Wölfe“, war kurz festgenommen worden, wurde jedoch wegen fehlender Fluchtgefahr wieder laufengelassen. Die Vergewaltigung war durch eine gerichtsmedizinische Untersuchung bestätigt worden.
Nach massiven Protesten wurde Musa Orhan am 19. August erneut festgenommen. Eine Woche später wurde er per Gerichtsentscheid wieder auf freien Fuß gesetzt. Sein Prozess soll am 16. Oktober beginnen. Der Umgang mit dem Vergewaltiger ist ein Beispiel für die Straflosigkeit gegenüber Militärverbrechen in der Türkei und Nordkurdistan.
Feleknas Uca
Darauf wies auch Uca in ihren Fragen hin und warnte, dass Handlungen wie die Freilassung des Offiziers solche Verbrechen weiter fördern. Eine weitere wichtige Frage Ucas richtete sich darauf, ob der Anstieg der Missbrauchshandlungen durch türkische Offiziere in den kurdischen Regionen ein Zufall sei und ob die Regierung die Augen vor diesen Verbrechen verschließe. Die Fragestellung ließ beim Parlamentspräsidenten Mustafa Şentop offenbar die Alarmglocken schrillen, der das Auskunftsverlangen von Uca mit Verweis auf die Rechtsprechung der türkischen Nationalversammlung ablehnte. Nur unter der Bedingung, Uca würde die „unhöflichen und verletzenden“ Worte aus der Anfrage streichen, könne sie bearbeitet werden.