Die ezidische Frauenbewegung TAJÊ (Tevgera Azadiya Jinên Êzidî) hat am Sonntag mit 250 Delegierten einen Kongress in Şengal abgehalten. Heute wurde die Abschlusserklärung veröffentlicht. Die TAJÊ weist in der Erklärung darauf hin, dass Delegierte an der Einreise in die Region gehindert wurden und der Kongress am Jahrestag der Befreiung vom IS stattgefunden hat. Der Kongress wurde den Gefallenen und allen Menschen, die Şengal gegen den IS und die gemeinschaftlich vom türkischen Staat und der PDK begangenen Angriffe verteidigen, gewidmet.
„Unser Kongress hat zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem der türkische Staat massive Aufklärung und Luftangriffe durchführt. Trotz der Angriffe des türkischen Staats und seines Partners PDK konnte er mit organisierter und kontinuierlicher Willensstärke realisiert werden“, heißt es in der Abschlusserklärung. Die Delegierten hätten deutlich gemacht, dass sie die Isolation von Abdullah Öcalan als Isolation der ezidischen Frauen bewerten und für die physische Freiheit des kurdischen Vordenkers kämpfen werden.
Solidarität mit dem Aufstand im Iran
Auf dem Kongress wurde über die aktuellen politischen Entwicklungen diskutiert. Vor allem ging es dabei um die ständigen Angriffe auf Şengal, die das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der ezidischen Gemeinschaft bedrohen. „Mit diesen Angriffen soll das ezidische Volk aus Şengal vertrieben werden. Die ezidischen Frauen reagieren auf diese schmutzige Politik mit dem Anspruch, alle Frauen zu organisieren“, teilt die TAJÊ mit.
Dem revolutionären Aufstand im Iran und insbesondere in Rojhilat (Ostkurdistan), der vor zwei Monaten durch den Mord an der Kurdin Jina Mahsa Amini durch die Sittenpolizei ausgelöst wurde und von dem Slogan „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) gekennzeichnet ist, spricht die TAJÊ ihre ausdrückliche Solidarität aus.
Delegierte auf dem 2. TAJÊ-Kongress in Şengal
Auf dem Kongress wurde eine Videobotschaft von Sozdar Avesta (KCK) abgespielt und eine Erklärung der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK) verlesen. Im Vordergrund stand dabei die Notwendigkeit, sich als Frauen in allen Lebensbereichen in Şengal selbstbestimmt zu organisieren. Diskutiert wurde auch über die Probleme von Ezidinnen auf gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene.
Beschlossene Ziele und Projekte
Beschlossen wurde auf dem Kongress, die Organisierung in Räten und Kommunen voranzutreiben. Um eine Veränderung patriarchaler Vorstellungen zu erreichen, will die TAJÊ Bildungsarbeit machen. Kinderehen, Zwangsverheiratungen und Polygynie sollen bekämpft werden. Das Leben führender Frauen aus der ezidischen Community soll erforscht und die Ergebnisse sollen in Buchform veröffentlicht werden.
Ein Schwerpunkt der ezidischen Frauenbewegung liegt weiterhin auf den Folgen des IS-Massakers vom 3. August 2014. Die TAJÊ will weiter dafür kämpfen, dass die Täter juristisch verfolgt werden und das Geschehen auf internationaler Ebene als Genozid und Femizid eingeordnet wird. Die Geschichten von aus IS-Gefangenschaft befreiten Ezidinnen sollen verschriftlicht und in möglichst viele Sprachen übersetzt werden. In diesem Zusammenhang spricht sich die TAJÊ dagegen aus, dass ehemalige ezidische IS-Gefangene ins Ausland gebracht werden. Die Bewegung will sich dafür einsetzen, dass die befreiten Ezidinnen in ihrem eigenen Land leben können. Es sollen wirtschaftliche Projekte angestoßen werden, damit Frauen selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können.
Insbesondere für junge Ezidinnen sollen Arbeiten in den Bereichen Bildung, Politik, Gesellschaft, Verteidigung, Kultur und Sport stattfinden.