Syrischer Frauenrat: Ohne Frauen keine Lösung

Der vor sieben Jahren in Minbic gegründete Syrische Frauenrat will allen Frauen in und aus Syrien die Möglichkeit geben, gemeinsam zu kämpfen und stärker zu werden. Mekiye Hiso berichtet von aktuellen Projekten und Zielen.

Stimme der Frauen Syriens

Der Syrische Frauenrat ist ein unabhängiger Zusammenschluss, der vom Frauenbüro des MSD (Demokratischer Syrienrat) eingerichtet wurde und dem Frauen verschiedener politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen angehören. Wie der MSD ist auch der 2017 in Minbic gegründete Frauenrat als politisches Projekt auf ganz Syrien ausgerichtet. Am zweiten Kongress des Syrischen Frauenrats am 20. Mai im Stadtteil Şêxmeqsûd in Aleppo haben 250 Frauen teilgenommen.

Der Kongress befasste sich mit Themen wie dem Aufbau einer demokratischen und ökologischen Gesellschaft auf Grundlage der Freiheit von Frauen, der Lösung der Krise in Syrien durch einen demokratischen Dialog und die Umsetzung eines dezentralisierten demokratischen Systems, der Gewährleistung von Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit für alle ethnischen, kulturellen und sozialen Identitäten in Syrien, der Organisation und Bildung von Frauen und der Entwicklung eines freien und egalitären Lebensverständnisses, der Rolle von Frauen bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für Syrien, den Rechten von Frauen in allen Bereichen und der Umsetzung des Völkerrechts.

Der Frauenrat will alle Frauen in Syrien erreichen und insbesondere eine Verbindung zu Frauen in den von der Türkei besetzten Gebieten aufbauen. Ziel ist auch die Ausweitung der Kommunikation und Zusammenarbeit mit regionalen und internationalen Frauenbewegungen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Arbeit mit Frauen, die in der nordostsyrischen Autonomieregion in Lagern leben.


Mekiye Hiso ist Mitglied im Syrischen Frauenrat. Zum Zweck der Organisation erklärte sie gegenüber ANF, dass der Rat gegründet wurde, um syrischen Frauen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam zu kämpfen und stärker zu werden:

„Frauen und Kinder leiden am meisten unter den Bedingungen des Dritten Weltkriegs. Die Rechte von Frauen werden mit Füßen getreten. Frauen sind jeder Form der Misshandlung Folter ausgesetzt, von Schikanen und Vergewaltigungen bis hin zur Vertreibung. Die Identität der Frauen ist zerstört worden. Die Syrische Frauenrat wurde gegründet, um Frauen in Syrien zusammenzubringen und einen Dialog herzustellen. Als Syrerinnen ist es unsere Priorität, die Freiheit der Frauen zu garantieren. Wir kämpfen dafür, dass Frauen Zugang zu ihrer Identität haben, dass ihre Identität anerkannt und geschützt wird. Frauen erleben überall dasselbe Leid, in Rojava, in den anderen Teilen Syriens, in Rojhilat, es sind dieselben Schmerzen. Deshalb haben wir es als Grundlage genommen, mit der Idee zu handeln, dass Stärke aus der Einheit kommt. Unser Hauptziel ist es, eine gleichberechtigte, gerechte und demokratische Gesellschaft zu schaffen, die auf der Freiheit von Frauen basiert. Wenn wir mit syrischen Frauen zusammenkommen, die außerhalb von Nord- und Ostsyrien leben, bewundern sie die Organisation von Frauen in der Autonomieregion. Sie erkennen, dass organisierte Frauen eine neue Gesellschaft schaffen werden. Und ihnen wird bewusst, dass Frauen ohne Selbstverteidigung und Organisation dem Untergang geweiht sind.“

Stimme der Frauen Syriens

Mekiye Hiso erklärte, dass sie für ein Mitspracherecht bei der syrischen Verfassung kämpfen: „Wir kämpfen darum, die Stimme der Frauen zu sein. Es gibt viele Sitzungen, in denen die Krise in Syrien diskutiert wird, aber die syrischen Frauen sind in diesen Sitzungen nicht vertreten. Wenn über die Zukunft der Gesellschaft gesprochen wird, werden Frauen nicht in die Diskussion einbezogen. Einer der Gründe, warum die Gespräche in Astana und Genf keine Ergebnisse gebracht haben, ist, dass die syrischen Frauen nicht an diesen Sitzungen teilnehmen. Ohne ein Gremium, das die Frauen vertritt, wird die Krise weiter verschärft. Solche Gespräche können nicht zu einer Lösung führen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die syrischen Frauen ein Mitspracherecht bei der Verfassung haben.“

Arbeit in Camp Hol

Der Hauptsitz des Syrischen Frauenrats ist in Raqqa, weitere Büros befinden sich in Minbic, Aleppo, Hesekê (Camp Hol) und Qamişlo. Im Auffang- und Internierungslager Hol leben neben Flüchtlingen aus anderen Gebieten Syriens und aus dem Irak IS-Anhängerinnen und Frauen, die nach der Zerschlagung des ausgerufenen „Kalifats“ in dem Camp untergebracht wurden. Mekiye Hiso berichtete von der Arbeit des Frauenrats in dem Lager: „In Camp Hol sind Frauen aus allen Regionen Syriens. Wir kümmern uns um die syrischen Binnenflüchtlinge. Außerdem sehen wir es als unsere Aufgabe, uns auch um die Frauen zu kümmern, die sich dem IS anschließen mussten. Wir bauen Beziehungen zu diesen Frauen auf, um sie von der gewalttätigen Herrschaftsmentalität des IS zu befreien. Wir bieten ihnen moralische Unterstützung, damit sie sich auf gesunde Weise in die Gesellschaft integrieren können. Unser Zelt in Camp Hol wurde von IS-Anhängerinnen niedergebrannt. Wir wurden bedroht, aber wir haben ein neues Zelt aufgebaut und unterstützen die syrischen Frauen in vielen Bereichen, von der Bildung bis zum Lebensunterhalt. Außerhalb von Nord- und Ostsyrien haben wir keine Büros, aber wir versuchen über unsere Mitglieder, Frauen in ganz Syrien zu organisieren.“

Eine von Frauen angeführte Gesellschaft

„Für Frauen, die außerhalb von Nord- und Ostsyrien leben, sind unsere Entscheidungsrechte interessant und spannend zugleich. Auch der Entwicklungsstand der Selbstverteidigung gibt ihnen Hoffnung. Diese Frauen hatten jahrhundertelang kein Mitspracherecht. Unsere deutliche Präsenz in allen Lebensbereichen, die Verteidigung von Frauen und ein Leben auf der Grundlage von Demokratie, Ökologie und Frauenfreiheit wecken ihre Aufmerksamkeit“, erklärte Mekiye Hiso.

Der Frauenrat kämpfe gegen das antidemokratische, zentralistische System in Syrien: „Wir haben bewiesen, dass kurdische, arabische, armenische, assyrische, turkmenische und tscherkessische Frauen und Völker zusammenleben können. Um dieses Leben zu stärken, ist eine bessere Organisation notwendig. Die in Syrien lebenden Völker können sich gegenseitig bereichern, wenn sie von Frauen angeführt werden. Die Freiheit der Frauen ist ein Muss für den Aufbau einer demokratischen, gleichberechtigten und gerechten Welt.“

Aktuelle Ziele und Projekte

Zu den aktuellen Zielen und Projekten des Frauenrats teilte Mekiye Hiso mit: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in jeder syrischen Stadt ein Büro zu eröffnen. Um unsere Organisation zu stärken, wollen wir Kontakte mit Frauen knüpfen, die aus Syrien ins Ausland migriert sind. Wir wollen auch die Frauen erreichen, die in Idlib, Azaz, Bab, Efrîn, Cerablus, Serêkaniye und Girê Spî unter der Besatzung des türkischen Staates leben und einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sind. Ihre Lebensbedingungen sollen recherchiert und dokumentiert werden, um sie den zuständigen Institutionen und Organisationen zu übermitteln. Wir wollen ihre Stimme sein. Seit 2017 haben wir Hunderttausende syrische Frauen erreicht, wir haben einen Dialog aufgebaut. Diesen Kampf werden wir entschlossen fortsetzen.“