Starke Solidarität bei 8M-Kundgebung in Hamburg-Altona

Bis zu 300 Teilnehmende füllten den Kundgebungsort der diesjährig insgesamt fünf über Hamburg verteilten Veranstaltungen zum 8. März. Auf Polizeischikanen wegen des Zeigens von YPJ-Flaggen reagierten die Feminist*innen mit starker Solidarität.

Bis zu 300 Teilnehmende füllten den Altonaer Kundgebungsort der diesjährig insgesamt fünf über Hamburg verteilten Veranstaltungen zum internationalen Frauenkampftag am 8. März. Die gemeinsame Freude und die Kraft des Zusammenkommens zeigte sich nicht nur im regen Zulauf, sondern auch in der Stimmung und gegenseitigen Wertschätzung.

„Es ist schön, dass wir heute gemeinsam hier sind. Dass wir hier stehen in all unserer Verschiedenheit, mit unterschiedlichen Charakteren und Lebensrealitäten, aber vereint in unserem feministischen Widerstand. Dem schönsten Widerstand, denn er ist Selbstverteidigung gegen Angriffe, er ist Antwort und Ausweg aus der Frage, warum wir uns unser ganzen Leben nicht genug, nicht gut genug gefühlt haben. Unser Widerstand ist Aufforderung, unsere Position zu betrachten, auch mögliche Privilegien zu erkennen, selbstkritisch zu sein und uns so über alles hinweg einander die Hände zu reichen“, hieß es zur Begrüßung.

 

Gedenken an Opfer von patriarchaler Gewalt

Mit einer Schweigeminute wurde all den Widerständigen, die im Kampf gegen Faschismus und Sexismus ihr Leben geopfert haben, und all jenen, die patriarchale Gewalt erfahren haben und erfahren, gedacht: „Wir tragen sie in unseren Herzen und Gedanken mit uns. Wir wollen uns lebend! Wir sind keine Opfer! Wir sind Frauen, Lesben, Trans, Inter und nicht binäre Menschen, die sich zu Wehr setzen, die streiken, die sagen: Es reicht! Stoppt die Gewalt! Stoppt das Morden!“

Als Start für die zahlreichen Inhalte der Kundgebung wurde die Erklärung des 8.-März-Bündnisses Hamburg verlesen, die bereits die Vielschichtigkeit patriarchaler Angriffe und deren Systematik thematisierte: „Wir wollen keine gleichberechtigte Teilhabe an einem System, das auf Konkurrenz, Abwertung, Diskriminierungen und Ausbeutung von Mensch und Umwelt basiert. Wir kämpfen für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel und einen antikapitalistischen und antirassistischen Feminismus! Die Krise steckt im System – ohne uns steht die Welt still!“

Wütend, berührend, kraftvoll

Die Verschiedenheit und Vielseitigkeit drückte sich weiter in der Vielzahl aller Reden über die Hamburger Kundgebungen hinweg aus, von denen in Altona unter anderem die des Frauenrats Rojbîn, der Demokratischen Frauenbewegung Europas, des Forums Lesben 50+, der Feministischen Antifa, der Zora, Cansu Özdemirs, der Ko-Vorsitzenden der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, und der Hamburger Frauenhäuser zu hören waren. Auch eine Grußbotschaft aus Rojava wurde abgespielt. Vom Widerstand in den Bergen über den Generationenwechsel, die Geschichte, Gegenwart und Zukunft feministischer Bewegungen bis hin zu Kapitalismuskritik, sexualisierter Gewalt und rassistisch-sexistischer Mehrfachdiskriminierung wurde gesprochen, mal wütend, mal berührend, immer kraftvoll.

Schikanen und Drohungen wegen YPJ-Fahnen

Die Hamburger Polizei ließ währenddessen auch an diesem 8. März mit den üblichen Schikanen gegen das Zeigen der YPJ-Flaggen nicht lange auf sich warten und sprach Drohungen für Strafanzeigen aus, was mit starker Solidarität unter den Feminist*innen beantwortet wurde. Die Rolle der YPJ, ihre widerständige Kraft und ihre Verdienste für Menschen auf der ganzen Welt wurden betont, „Jin Jiyan Azadî“-Rufe beschallten die Straße, die Fahnen wurden nicht heruntergenommen. Über die gesamte Kundgebung hinweg wurde immer wieder klar und kompromisslos der Schulterschluss demonstriert, das eine Rechtsgrundlage entbehrende Vorhaben der Polizei als „Erdogan-Methoden“ scharf kritisiert. Letztendlich verblieb es bei bemühten Machtdemonstrationen, leeren Drohungen und gescheiterten Spaltungsversuchen der Polizei. Stattdessen fand die Kundgebung kraftvoll mit der Las-Tesis-Performance „Un Violador En Tu Camino“, gemeinsamem Singen und Tanzen ihren Abschluss.

Kundgebung für Meryem vor dem Landgericht

Am Morgen hatte bereits vor dem Landgericht Hamburg eine Kundgebung unter dem Motto „Gewalt an Frauen ist politisch – Wir lassen Meryem nicht allen!“ stattgefunden, organisiert vom Internationalen Frauenbündnis. Am 1. Mai 2020 waren Meryem und ihre Kinder von ihrem Ex-Mann brutal mit einem Messer angegriffen und angezündet worden. Sie überlebten schwerverletzt.

 

Der Prozess gegen den Täter zieht sich seit November letzten Jahres hin und immer wieder muss Meryem vor Gericht erscheinen. Es wurde kritisiert, dass ausgerechnet am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag und 8.März-Streik Meryem wieder vor Gericht aussagen soll. Nach der halbstündigen Kundgebung gingen zahlreiche Frauen in die Verhandlung, um Meryem zu unterstützen.

Auf der Kundgebung wurde auch der Anstieg von Feminziden thematisiert und der fehlende Wille, die Istanbul-Konvention in Deutschland umzusetzen. Allein in diesem Jahr wurden in Deutschland bereits 32 Frauen und sechs Kinder zumeist durch ihre (Ex-)Partner, Ehemänner, Väter, Söhne, Brüder, Nachbarn getötet, 41 weitere Frauen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt.

Cansu Özdemir ging in ihrer Rede auch auf die Situation  der Frauen in der Türkei ein – die Situation der HDP-Abgeordneten in den Gefängnissen und berichtete von ihren 8. März-Botschaften.