Semra Güzel ab Dezember vor Gericht

Die HDP-Abgeordnete Semra Güzel sitzt seit Anfang September wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft. Jetzt steht der Termin für den Prozessbeginn fest.

Im sogenannten Terrorverfahren gegen die HDP-Abgeordnete Semra Güzel steht der Prozessstart fest. Wie aus türkischen Justizkreisen verlautete, ist der Prozessauftakt für den 19. Dezember geplant. Verhandelt wird vor der 22. Großen Strafkammer zu Ankara. Wie viele Hauptverhandlungstermine zur Urteilsfindung notwendig werden könnten, teilte das Gericht nicht mit.

Güzel soll sich wegen dem Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vor Gericht verantworten. Die Oberstaatsanwaltschaft Ankara beschuldigt die 38-jährige Kurdin in der 58 Seiten starken Anklageschrift, Teil der „Hierarchie“ innerhalb der PKK zu sein. Als „Beweise“ für den Vorwurf gelten hauptsächlich Aussagen, die ein anonym gehaltener Belastungszeuge mit dem Decknamen „Ezel“ geliefert haben soll. Er hätte Güzel bereits im August 2018, nur wenige Wochen nach der Parlamentswahl in der Türkei, im Rahmen einer staatsanwaltlichen Befragung auf der Antiterrorzentrale der Polizei Diyarbakır (ku. Amed) auf Fotos als „Aktivistin“ der kurdischen Frauenbewegung TJA sowie des Graswurzelbündnisses KCD erkannt. Beide Organisationen sind in der Türkei legal, dennoch werden sie als „PKK-Struktur“ behandelt und kriminalisiert.

Als weiterer Beweis werden Fotos genannt, die Güzel mit ihrem ehemaligen Verlobten zeigen. Es handelt sich um den Guerillakämpfer Volkan Bora (Koçero Meletî), der 2017 bei Luftangriffen in Semûr (tr. Adıyaman) ums Leben kam. Die Aufnahmen waren 2014 in einem südkurdischen Guerillacamp entstanden, als eine Delegation der HDP im Rahmen des Friedensprozesses mit staatlichem Wissen die PKK besuchte, um weitere Schritte zur Deeskalation zu besprechen, und wurden kurz nach der Tötung Boras auf seinem Handy entdeckt und als Beweismittel in eine vertrauliche Prozessakte aufgenommen. Gegen Semra Güzel, die bis zu ihrer Wahl ins Parlament 2018 in Amed als Ärztin arbeitete und als Ko-Vorsitzende der örtlichen Ärztekammer fungierte, wurde wegen den Fotos nicht ermittelt.

Sollte Güzel verurteilt werden, droht ihr eine langjährige Freiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Strafmaß von mindestens siebeneinhalb und maximal fünfzehn Jahren Gefängnis. Die Politikerin befindet sich seit Anfang September in Untersuchungshaft, derzeit ist sie im Hochsicherheitsgefängnis Kandıra/Kocaeli inhaftiert. Im März war Güzels parlamentarische Immunität aufgehoben worden, im nächsten Schritt soll ihr das Mandat entzogen werden. Dafür wurde in der vergangenen Woche eine parlamentarische Kommission gebildet.