Zerîn Rûken ist Mitglied der Koordination der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (Komalên Jinên Kurdistanê, KJK). Sie hat sich im Fernsehsender Medya Haber über die Bedeutung der Frauenarmee und die aktuellen Entwicklungen geäußert.
Imrali ist der Fokus des III. Weltkriegs
Rûken wies in der Reportage zunächst auf die Bedeutung Abdullah Öcalans bei der Schaffung eines Geschichts- und Selbstbewusstseins der Kurd*innen und insbesondere der kurdischen Frauen hin. In Bezug auf den über 21-jährigen Gefängniswiderstand Öcalans analysierte sie, in Imrali laufe der gesamte Konflikt zusammen: „Deswegen steht Öcalan im Zentrum der Vernichtungsangriffe auf das kurdische Volk und im Fokus des III. Weltkriegs. Die verschärfte Isolation und Folter stellen eine Fortsetzung des Vernichtungskriegs dar. Bei einem Treffen im vergangenen Jahr hat Öcalan gesagt: ‚Solange ich isoliert bin, seid ihr auch isoliert, ist die Gesellschaft als Ganzes isoliert.‘ Immer wenn die Isolation Öcalans verschärft wurde, vertieften sich auch Krieg und Gewalt im Mittleren Osten, die Übergriffe auf Frauen nahmen zu und insbesondere der Krieg gegen die Kurd*innen wurde noch brutaler.“ Die KJK-Vertreterin forderte daher, alles zu unternehmen, um die Isolation zu durchbrechen; der Widerstand müsse ausgeweitet werden.
Gedenken an Leyla Agirî
Rûken erinnerte an die im Juni bei einem Luftangriff getötete Leyla Agirî. Agirî war Mitglied im Exekutivrat der KJK und 27 Jahre in den verschiedensten Bereichen der kurdischen Freiheitsbewegung tätig. „Wir sind wütend. Unsere Rache wird in Aktionen, der Organisierung und dem Aufbau eines freien demokratischen Lebens in Kurdistan bestehen“, erklärte Rûken.
„Vergewaltiger und ihr Staat müssen bestraft werden“
Die KJK-Vertreterin bezeichnete die Angriffe als „schlimmer als in den 80er oder 90er Jahren“. Das betreffe insbesondere die Angriffe auf Frauen. Diese Angriffe seien Teil des Konzepts des Spezialkriegs. Sie fuhr fort: „Es findet ein Angriff auf die freiheitliche Haltung der Frau, auf die organisierte Frau, auf kämpfende Frauen statt. Der Bandenführer [türk. Innenminister] Süleyman Soylu hat erklärt, mehr als die Hälfte des Kampfes der PKK werde von Frauen getragen, der Kampf der PKK sei ein Frauenkampf. Das mag das erste Richtige gewesen sein, das er in seinem Leben gesagt hat. Ja, der Kampf der PKK ist wahrhaftig ein Frauenkampf. Das gilt für die gesellschaftliche, politische und militärische Ebene. Deswegen soll mit Methoden wie Vergewaltigung die Würde der Frauen angegriffen werden. Das ist nicht nur in Nordkurdistan so. Auch in Serêkaniyê, Efrîn und Girê Spî [den besetzten Gebieten in Rojava] herrscht eine ähnliche Lage. Das ist geplant. Die Angriffe in Rojava, Südkurdistan und im Norden finden koordiniert statt. Das kurdische Volk hat es niemals zugelassen, wenn mit seiner Würde gespielt wurde. Die kurdischen Frauen haben es nicht hingenommen und werden das auch niemals tun. Die Vergewaltiger und ihr Staat müssen überall bestraft werden. Die kurdischen Frauen leisten überall Widerstand.“
Es geht nicht nur um die PKK, sondern um den ganzen Süden
Rûken betonte, dass die Angriffe gegen Südkurdistan sowie die Invasion nicht nur der PKK gelten, sondern ganz Südkurdistan. Rûken kritisierte insbesondere die südkurdische Regierungspartei PDK für ihre Kollaboration mit dem türkischen Faschismus und sagte: „Die PDK muss eins verstehen, sie existiert nur, weil es die PKK gibt. Die PDK hat Südkurdistan verkauft. Überall ist die Region besetzt. Als kurdische Frauen können wir uns nicht frei bewegen, weil überall der MIT unterwegs ist. Er kann sich hier so frei bewegen, wie kein Kurde es kann. Die PDK muss endlich mit dieser gefährlichen Politik aufhören. Die PKK ist in allen vier Teilen Kurdistans politisch, gesellschaftlich, diplomatisch, kulturell und militärisch organisiert und in allen Bereichen eine verankerte politische Bewegung. Die PKK ist nicht zu Gast in Kurdistan, wenn, dann ist es der türkische Staat, und er muss verschwinden.“
Bevölkerung muss Widerstand stärker unterstützen
Der Widerstand von Heftanîn dauere schon seit über drei Monaten an und löse große Bewunderung bei den Menschen in Südkurdistan aus, sagte Rûken. Die Guerilla habe eine 40-jährige Widerstandstradition und viel Erfahrung. Der Widerstand von Heftanîn verfolge eine moderne Guerillastrategie, bei der die Frauenguerilla eine entscheidende Rolle spiele. Rûken betonte, dass die Guerilla standhaft Widerstand leiste und jeden Tag Gefallene zu verzeichnen habe. Die Bevölkerung müsse allerdings den Widerstand stärker unterstützen. Rûken appellierte an die Frauen: „Als Frauen müssen wir unsere Armee, die YJA-Star, weiter stärken und in die Guerillagebiete strömen. In die Berge kommen, heißt in die Freiheit kommen, die Haltung einer freien Frau anzunehmen und dafür einzutreten. In die Berge zu kommen heißt, ‚Nein‘ zum Heer der Vergewaltiger zu sagen.“
Frauenkampf ist global
Rûken warnte, das Patriarchat wolle das Jahrhundert der Frauen in sein Gegenteil verkehren und eine neue Herrschaft aufbauen. Sie beschrieb den Kampf der YJA-Star als Kampf um die Verteidigung der universellen Werte von Frauen und wies auf die zwingende Notwendigkeit hin, den Frauenkampf in diesem Jahrhundert global zu führen.
Es ist Zeit, die freie Frau und die freie Gesellschaft zu verteidigen!
Die KJK-Vertreterin berichtete von einer Kampagne zur Selbstverteidigung von Frauen in allen Teilen Kurdistans. Sie erklärte: „Das Ziel der Kampagne ist die Verteidigung der freien Frau und der Gesellschaft. Wir müssen unser Recht auf Selbstverteidigung nutzen und uns in allen Zellen der Gesellschaft organisieren. Diese Kampagne richtet sich auch gegen die Staaten, die uns auf Terrorlisten setzen. Sie wird zeigen, wer die Terroristen sind. Es geht dabei darum, den Kampf gegen Invasion, Krieg und Besatzung weiterzuentwickeln. Das werden wir unter jeder Bedingung tun. Unsere Kampagne muss ausgeweitet werden. Wir befinden uns dazu in einer wichtigen Phase. Gegen den Spezialkrieg ist Frauenorganisierung von vitaler Bedeutung.“