Die Koordination der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (Komalên Jinên Kurdistanê, KJK) hat den Tod von Leyla Agirî (bürgerlicher Name: Filiz Aslan) bekanntgegeben. Wie aus einer aktuellen Stellungnahme hervorgeht, kam die langjährige kurdische Revolutionärin im Juni bei einem Luftangriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete ums Leben. Die KJK spricht den Angehörigen von Leyla Agirî, dem kurdischen Volk und den Frauen der Welt tiefes Mitgefühl aus und teilt mit: „Die Erinnerungen an unsere Freundin und Pionierin Leyla sind für uns als kurdische Frauenbewegung ein Ort der Verbundenheit. Im Andenken an sie wiederholen wir unser Versprechen, in einem freien Kurdistan das freie Leben aufzubauen.“
Leyla Agirî wurde 1973 in Qerqelî (türk. Özalp) in der nordkurdischen Provinz Wan geboren. Nach dem Abitur schloss sie sich als 20-Jährige der Guerilla an. „Dass sie ihren Weg als eine widerständige und die Freiheit liebende Frau bestreiten würde, machte sich bereits an der Wahl ihres Nom de Guerre bemerkbar“, schreiben die KJK in einem Nachruf auf Agirî, die sich nach Leyla Qasim benannte. Die kurdische Aktivistin wurde 1974 im Alter von 22 Jahren vom irakischen Baath-Regime in Bagdad hingerichtet. Ihre letzten Worte vor Gericht waren: „Tötet mich – aber ihr müsst auch wissen, dass nach meinem Tod Tausende von Kurden aus ihrem Tiefschlaf erwachen werden. Ich bin froh, im Stolz für ein unabhängiges Kurdistan zu sterben!”
Bis 1996 hielt sich Leyla Agirî an der zentralen Parteischule der PKK in Syriens Haupstadt Damaskus auf. „Sie erweiterte ihren Geist und ihren Willen und lernte die Realität der Frau kennen. Mit der Kraft des Vertrauens, sich selbst neu entdeckt zu haben, entwickelte sie die Fähigkeiten, die eine Pionierin ausmachen. Sie ging ihren Weg ohne aufzugeben, egal wie schwierig einzelne Momente waren, denn sie hatte Rêber Apo [Abdullah Öcalan] das Versprechen gegeben, einen seinen Bemühungen würdigen Kampf zu führen. Das war ihr Lebensprinzip. Einmal sagte sie: ‚Wir haben von Serokatî gelernt, wie Schmerzen und Leid mit Stärke zu begegnen ist. Es ist unerlässlich, jeden Schmerz in eine kraftvolle Offensive zu verwandeln, Vergeltung an denjenigen zu üben, die uns leiden ließen, und jeden Moment, jede Phase unserer Zeit im Widerstand zu verbringen. Wenn wir das tun, lässt unser Schmerz ein wenig nach. Wir müssen stark sein, weil wir in der Schuld dieser schönen Seelen – unserer Gefallenen – stehen. Wir müssen stark sein, weil wir Serokatî ein Versprechen gaben.‘
Leyla Agirî war lange Jahre auf Leitungsebene in den verschiedenen Bereichen des kurdischen Befreiungskampfes aktiv – militärisch, ideologisch, gesellschaftlich. Als Guerillakommandantin war sie eine hervorragende Ausbilderin, im Arbeitsfeld für ein emanzipatorisches Gesellschaftsmodell war sie richtungsweisend. Bei der autonomen Frauenguerilla YJA-Star (Yekîtiya Jinên Azad) war Leyla Agirî Kommandantin und Mitglied im Kommandorat, in den Reihen der Partei der freien Frau Kurdistans (Partiya Azadiya Jinê ya Kurdistanê, PAJK) widmete sie sich der Frauenwissenschaften Jineolojî. Die KJK beschreibt sie als eine Person, die sich bei der Erledigung aller Aufgaben stets durch Verantwortungsbewusstsein, Genauigkeit und Umsicht auszeichnete. „Auf diese Weise galt sie als bahnbrechende Repräsentantin der Identität der freien Frau und ihrer Organisierung. Mit großem Willen und Entschlossenheit widmete sie sich der Arbeit in allen vier Teilen Kurdistans und wurde eins mit den Völkern. Mit dieser Haltung gelang es ihr, eine Quelle der Liebe und Kraft zu werden und das Bewusstsein, die Organisierung sowie die Sichtbarkeit der Frau zu fördern. Sie erreichte, dass die kurdische Frauenbewegung anhand ihrer theoretischen und praktischen Erfahrungen eine federführende Rolle bei der Entwicklung der Gesellschaft einnahm und sich die Organisierung kurdischer Frauen auf Grundlage des demokratischen Konföderalismus als Prinzip verfestigte.
Indem Leyla Agirî neue und freie, weibliche Merkmale in ihrer Persönlichkeit schuf, ebnete sie den Weg für andere Frauen, ihr zu folgen. Sie war das rebellische und stolze Mädchen aus Serhad, das die Berge liebte und seinen Kampf auf Grundlage der drei Eckpfeiler Widerstand-Patriotismus-Freiheit führte. Sie war eine Revolutionärin, die ihren Platz unter den unvergesslichen Vorkämpferinnen unserer Frauenbewegung eingenommen hat. Ihr Leben gilt als Beispiel, auf welche Weise Frauenkämpfe in Kurdistan, dem Mittleren Osten und der restlichen Welt geführt werden sollten. In ihrer Person ist unser Versprechen an alle Gefallenen, in jedem Fall den Sieg zu erringen und einen demokratischen und freien Mittleren Osten zu erschaffen.“