Revolution der ezidischen Frauen beim re:FUSE-Kongress in Hamburg

Seit Donnerstag findet in Hamburg der re:FUSE-Kongress zur Vernetzung antiautoritärer Kämpfe statt. Sabriye Savgat (SMJÊ) und Birthe Witthöft (Gemeinsam kämpfen) waren dort, um über den Wiederaufbau und die Selbstbestimmung in Şengal zu berichten.

Vernetzung antiautoritärer Kämpfe

In Hamburg findet derzeit der re:FUSE-Kongress zur Vernetzung antiautoritärer Kämpfe statt. Sabriye Savgat vom Dachverband der ezidischen Frauenräte e.V. (SMJÊ) und Birthe Witthöft von der feministischen Organisierung „Gemeinsam kämpfen“ waren eingeladen, über den Wiederaufbau und die Selbstbestimmung in Şengal zu berichten. Eine Delegation beider Organisationen hatte im April 2023 für zwei Wochen das ezidische Kerngebiet im Norden des Irak besucht, um Frauen aus allen gesellschaftlichen Bereichen zu treffen und sich ein Bild von der aktuellen Situation zu verschaffen. Am heutigen Samstag berichteten Sabriye Savgat und Birthe Witthöft beim re:FUSE-Kongress über ihre Erfahrungen. Rund 50 Zuhörer:innen verfolgten gespannt die Veranstaltung.

Ezidische Selbstverwaltung und -verteidigung wird verschwiegen

Die beiden Referentinnen leiteten zunächst allgemein in die (geo-)politische Situation der Region sowie in die Geschehnisse seit dem Genozid und Femizid durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) am 3. August 2014 in Şengal ein. Sie unterstrichen hierbei ihre Motivation für die Delegationsreise: „Das Leid der ezidischen Bevölkerung und insbesondere der Frauen ist mittlerweile auf der ganzen Welt bekannt. Dass aber über die Selbstverwaltung und -verteidigung überall geschwiegen wird, setzt die Entmündigung fort und reduziert die starken und mutigen Frauen Şengals auf eine Opferrolle. Dem wollten wir mit der Delegation und der daraus entstehenden Broschüre entgegentreten“, so Witthöft. Im Juni dieses Jahres erschien besagte Broschüre unter dem Titel „Wiederaufbau und Selbstbestimmung in Şengal – Die Revolution der êzîdischen Frauen“.

Würdigung der Errungenschaften der Ezidinnen

Nach und nach stellten Sabriye Savgat und Birthe Witthöft im Folgenden die seit 2014 in Şengal gegründeten Frauenstrukturen und ihre Errungenschaften vor. In einer Mischung aus Anekdoten und sachlichem Bericht zeichnete sich hierdurch ein vielfältiges Bild des Wiederaufbaus ab. „Sie machen das alles mit ihren eigenen Händen. Und wenn ich nur wenige Jahre zurückdenke, dann muss ich sagen, die Frauen arbeiten in einem unfassbaren Tempo: In kürzester Zeit ist so vieles aufgebaut worden, ohne Unterstützung von außen und unter ständigen Angriffen“, fasste Savgat zusammen.

Kritik an Bundesregierung

Die bis heute stattfindenden Angriffe auf Şengal, insbesondere durch türkische Drohnen, kamen während des Vortrags immer wieder zur Sprache. Für die Bevölkerung vor Ort bedeute dies, dass alles Aufgebaute immer und immer wieder erneut zerstört wird, die Kinder weiterhin in Angst aufwachsen und die gesamte Gesellschaft, die bis heute 74 Genozide überlebt hat, ihr Trauma nicht heilen kann. Dies sei laut der Referentinnen absolut inakzeptabel und die Bundesregierung sowie die gesamte internationale Staatengemeinschaft müssten endlich einschreiten. An dieser Stelle wurde auch darauf eingegangen, dass die deutsche Bundespolizei im August diesen Jahres Delegationen aufgehalten hatte, die zum Gedenken an den 10. Jahrestag des IS-Überfalls nach Şengal reisen wollten. Die Begründung, dies würde dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland schaden, sei insbesondere angesichts der offiziellen Anerkennung des Genozids durch die deutsche Bundesregierung im Januar 2023 eine unfassbare Respektlosigkeit.

Im Anschluss an den Vortrag wurde in kleineren Runden das Gespräch fortgeführt, wobei es vielfach darum ging, wie der Kampf der Ezîd:innen für Freiheit und der Wiederaufbau Şengals von hier aus unterstützt werden könnten.

Link zum re:FUSE-Kongress: https://www.re-fuse2024.org/de/index.html