„Gemeinsam Kämpfen“ in Hamburg
Im monatlichen Café der Organisierung „Gemeinsam Kämpfen für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“ in Hamburg wurde der Film Hêza von Derya Deniz gezeigt. Die Veranstaltung fand im Rahmen der von der ezidischen Frauenbefreiungsbewegung TAJÊ zum zehnten Jahrestag des Genozids und Femizids an der ezidischen Gemeinschaft in Şengal initiierten Kampagne „Gegen Femizide – Seid die Stimme der Selbstverteidigung“ statt. Zu Gast war die Sprecherin des Dachverbandes der ezidischen Frauenräte e.V. (SMJÊ), Çiçek Yildiz, die eine neue Broschüre zur ezidischen Frauenrevolution vorstellte.
Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der Ezidin Suad Murad Xelef (Hêza), die zusammen mit 25 Mitgliedern ihrer Familie beim IS-Genozid vom 3. August 2014 verschleppt wurde. Ihr gelingt es zu fliehen und zu einer Kommandantin der YJŞ (Fraueneinheiten Şengals) zu werden. Als Kommandantin ist sie an der Befreiung von Raqqa, der Hauptstadt des selbsternannten IS-Kalifats, beteiligt. Der Film weckte viele Emotionen. Ezidische Frauen, die zur Veranstaltung gekommen waren, schilderten ihre persönliche Betroffenheit. Gleichzeitig ist der Film eine Kampfansage an das Patriarchat. „Der Film hat mir gezeigt, dass ich keine Therapie brauche, sondern kämpfen muss“, so eine Besucherin.
„Der Genozid an den Ezid:innen dauert an“, sagte Çiçek Yildiz. Die Türkei habe einen 75. Genozid begonnen. Erst vor einer Woche habe eine türkische Drohne in der ezidischen Şengal-Region im Nordirak ein Fahrzeug bombardiert, das ein Team der ezidischen Sender Çira TV und Çira FM transportierte. Die Drohne tötete den Journalisten Murat Mîrza.
Delegation nach Şengal
Çiçek Yildiz berichtete von den Erfahrungen einer Delegation von Gemeinsam Kämpfen und Mitgliedern des ezidischen Frauenrates nach Şengal. Nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins 2003 hätten auswärtige Kräfte das Land destabilisiert, was die Grundlage für den Genozid und Femizid in der Şengal-Region geschaffen habe. Die Idee des Demokratischen Konföderalismus, die nun in Şengal gelebt werde, könne eine Grundlage für ein neues Zusammenleben der Ethnien und Religionen schaffen. Deutschland habe zwar 2023 den Genozid an den Ezid:innen anerkannt, aber unterstütze auch das sogenannte Sinjar-Abkommen von 2020, das zwar einen Wiederaufbau und die Rückkehr der Vertriebenen sichern soll, gleichzeitig aber die Selbstverwaltung der Ezid:innen nicht anerkennt und die Region wieder unter die Kontrolle derjenigen stellen will, die den Genozid überhaupt erst ermöglicht hätten: Die PDK (Demokratische Partei Kurdistans) und die Zentralregierung in Bagdad.
Ezid:innen kämpfen für Selbstverwaltung und Selbstverteidigung
„Die Ezid:innen wurden nicht eingeladen und nicht gefragt, was sie brauchen“, so Çiçek Yildiz. „Das Abkommen bedeutet erneute Besatzung, die Überlebenden lehnen das ab.“ Die Peschmerga hätten die Ezid:innen schutzlos dem IS überlassen. Die PDK habe für die ezidische Bevölkerung bestimmte Hilfsgelder veruntreut. Wenn die Ezid:innen mit am Tisch sitzen würden, würde die PDK die Kontrolle über die Gelder verlieren. Weiter berichtete Çiçek Yildiz darüber, dass ca. 7000 Frauen das Schicksal der Protagonistin des Filmes Hêza erlebt und vom IS entführt worden seien. Immer noch würden 2700 Frauen vermisst.
„Wir haben unsere Lektion gelernt“, unterstrich Çiçek Yildiz, „Unsere Antwort heißt Selbstorganisierung und Selbstverteidigung. Wir können uns selbst verwalten. Das haben wir in den zehn Jahren nach dem Genozid bewiesen. Wir wollen Frieden und haben eine Grundlage dafür geschaffen.“ Sie rief alle Frauen auf, sich zu organisieren. „Es liegt an uns, ob wir nur Zuschauerinnen sind“, schloss sie ihren Vortrag.
Auf der Veranstaltung wurde dazu aufgerufen, sich an der von TAJÊ am 8. März begonnenen Kampagne „Gegen Femizide – Seid die Stimme der Selbstverteidigung“ mit Solidaritätsfotos oder Texten und Gedichten zu beteiligen. Die von Gemeinsam Kämpfen und dem ezidischen Frauenrat erstellte Broschüre „Die Revolution der êzîdischen Frauen“ kann bei [email protected] bestellt werden.