Fragwürdige Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland
Der Dachverband der êzîdischen Frauenräte in Deutschland e.V. (SMJÊ) und der Zentralverband der êzîdischen Vereine e.V. (NAV-YEK) haben eine Stellungnahme zu dem Ausreiseverbot für eine Menschenrechtsdelegation nach Şengal abgegeben. Die heute bekannt gewordene Nachricht habe sie erschüttert und empört, erklärten die Verbände. Weiter heißt es in der Mitteilung:
Delegation nach Şengal am Münchener Flughafen aufgehalten
Am gestrigen Dienstag wurde eine Gruppe von fünf Student:innen, die an einer Menschenrechtsdelegationsreise nach Şengal (Sinjar) im Nordirak teilnehmen wollte, am Flughafen in München von der Bundespolizei aufgehalten. Diese Delegation folgte einer offenen Einladung des Demokratischen Autonomierats Şengal (MXDŞ), um an den Gedenkveranstaltungen zum zehnten Jahrestag des Genozids an den Êzîd:innen teilzunehmen, der am 3. August 2014 durch den IS begann. Der Genozid an den Êzîd:innen forderte bis zu 10.000 Menschenleben, während über 7.000 Frauen und Mädchen Opfer von Vergewaltigung und Sklaverei wurden. Mehr als 400.000 Êzîd:innen wurden aus ihrer Heimat vertrieben.
Kontakt zur Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung
Vor dem Hintergrund der anstehenden Gedenkveranstaltung zum zehnten Jahrestag des Genozids sowie der Äußerungen bezüglich der Zukunft Şengals stehen wir in Kontakt mit dem Büro von Frau Luise Amtsberg, der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Frau Amtsberg hatte uns kürzlich schriftlich versichern lassen, dass ihr und der Bundesregierung das Schicksal der Êzîdinnen und Êzîden aus und in Şengal ,ein großes Anliegen' sei. Sie war erst letzte Woche in den Irak gereist, um sich persönlich für das Wohl der Menschen in Şengal einzusetzen.
„Verstörende Entscheidung“
Vor diesem Hintergrund ist die gestrige Entscheidung der Bundespolizei, die Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen zum Genozid an den Êzîd:innen zu verhindern, besonders verstörend. Trotz der Bedeutung dieser Reise und der Einladung zur Gedenkveranstaltung wurden die fünf Student:innen kurz vor ihrem Abflug von der Bundespolizei abgefangen und sieben Stunden in Gewahrsam gehalten. Anschließend verhängte die Polizei eine 30-tägige Ausreisesperre gegen sie, begründet mit außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland.
Fragen zur deutschen Außenpolitik
Somit wirft die heutige Entscheidung der Bundespolizei grundlegende Fragen zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland auf:
- Es ist inakzeptabel, dass die Bundesrepublik Deutschland die Erinnerung an einen anerkannten Genozid und die Unterstützung der betroffenen Gemeinschaften behindert.
- Die Ausreisesperre gleicht einer Isolation von Şengal. Welche außenpolitischen Beziehungen rechtfertigen es, eine ganze Gesellschaft, die vor einem Genozid betroffen ist, zu isolieren?
- Welche außenpolitischen Beziehungen rechtfertigen es, jungen Menschen die Ausreise zu verweigern, die einem Volk helfen wollen, das einen Genozid überstanden und mit dem Wiederaufbau begonnen hat?
Wir fordern die Bundesregierung auf, ihrer Verpflichtung nachzukommen, die aus der Anerkennung des Genozids entstanden ist. Wir fordern die Bundesregierung und die Bundespolizei auf, die Ausreisesperren umgehend aufzuheben und den Student:innen die Möglichkeit zu geben, ihrer Verantwortung zur Erinnerung und zum Gedenken an die Opfer des Genozids nachzukommen.