Nach Festnahmen und Nacktdurchsuchungen folgt Terrorverfahren

2021 wurden mehrere Frauen aus den HDP-Strukturen in Aydın unter „Terrorverdacht“ vorübergehend festgenommen. In Gewahrsam mussten sie entwürdigende Nacktdurchsuchungen erdulden. Nun wurden sie angeklagt – unter anderem wegen kurdischer Musik.

Im Februar 2021 führte die Polizei im westtürkischen Aydın eine sogenannte „Antiterroroperation“ gegen die Strukturen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) durch. Der Einsatz richtete sich explizit gegen die autonome Frauenorganisierung der HDP in der Küstenmetropole, zahlreiche Wohnungen und auch die Räumlichkeiten des Provinzverbands wurden durchsucht. Insgesamt dreizehn Frauen, allesamt aktive Parteimitglieder, kamen damals vorübergehend in Polizeihaft. Einige von ihnen wurden in Gewahrsam entwürdigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen, im Fall einer Betroffenen war die Maßnahme gleich dreimal ergriffen worden.

Vier Tage lang hielt die Polizei die HDP-Frauen mit der Begründung der vermeintlichen Terrorabwehr fest, sieben kamen auf Anordnung eines Gerichts nur gegen Meldeauflagen und ein Ausreiseverbot auf freien Fuß. Anderthalb Jahre später steht der Vorfall wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Die Generalstaatsanwaltschaft hat Anklage bei der 2. Großen Strafkammer Aydın erhoben.

Die sieben Frauen, unter denen sich auch die Ko-Vorsitzende des HDP-Provinzverbands, Aysel Batyar Önsel, befindet, werden der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – und Propaganda für selbige beschuldigt. Als Begründung gab die Strafverfolgungsbehörde an, dass die Politikerinnen und Aktivistinnen „illegale Veranstaltungen“ durchgeführt hätten, bei denen zu allem Überfluss auch noch „verbotene“ – also kurdischsprachige – Musik abgespielt wurde. Auch diverse Presseerklärungen der HDP-Frauen seien nicht legal gewesen. Darüber hinaus hätten die Beschuldigten mehrere Interviews in verschiedenen Medienorganen für das „Ausstreuen von Anweisungen der Terrororganisation“ benutzt.

Das Gericht in Aydın hat die Anklageschrift bereits angenommen, der Prozess gegen die HDP-Frauen wird am 11. November 2022 eröffnet. Bei einer Verurteilung droht den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und fünfzehn Jahren.

Die Mär von der Terrorabwehr

Die Strafverfolgung von Oppositionellen mit der Begründung der Terrorabwehr ist gerade im Fall der vor allem unter Kurdinnen und Kurden verankerten HDP ein wiederkehrendes Muster der türkischen Behörden, mit der politisch unliebsame Kreise kaltgestellt werden sollen. Seit die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan 2015 den Verhandlungstisch für eine Lösung der kurdischen Frage umgeworfen hat, sind weit mehr als 23.000 Mitglieder, Unterstützende und Verantwortliche der HDP festgenommen worden. Rund die Hälfte von ihnen wurde verhaftet.