Aydın: HDP-Politikerinnen in Polizeigewahrsam nackt durchsucht
Im westtürkischen Aydın sind vier HDP-Politikerinnen entwürdigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen worden.
Im westtürkischen Aydın sind vier HDP-Politikerinnen entwürdigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen worden.
Im westtürkischen Aydın sind vier HDP-Politikerinnen entwürdigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen worden. Die Plattform Frauensolidarität Aydın ist empört und bezeichnete das Vorgehen als Folter. „Auch wenn es von den Beamten der Regierung geleugnet wird; die Leibesvisitation in Polizeigewahrsam und in Haft hat sich im letzten Jahrzehnt wieder als Foltermethode in der Türkei etabliert“, unterstreicht die Initiative in einer Stellungnahme. Auch die Menschenrechtsstiftung Türkei (TIHV) berichtet von immer mehr Personen, die sich aufgrund von Nacktdurchsuchungen an die Organisation wenden.
Bei zwei der betroffenen Frauen aus Aydın handelt es sich um Sadegül Akalın, die Ko-Vorsitzende des HDP-Bezirksverbands von Söke ist, und Caize Yarici aus dem Provinzvorstand. Beide Aktivistinnen waren am Sonntag vor einer Woche zusammen mit elf weiteren Frauen aus HDP-Strukturen festgenommen und erst nach vier Tagen wieder freigelassen worden. Akalın berichtete, sie habe in Polizeigewahrsam drei Nacktuntersuchungen über sich ergehen lassen müssen. Das erste Mal musste sie die Tortur direkt nach der Überstellung auf das Revier erdulden, zwei weitere Nacktdurchsuchungen erfolgten nach Konsultationen mit ihrem Rechtsbeistand. „Die Polizei begründete die Maßnahme damit, dass ich bei den Anwaltsgesprächen ja etwas in meine Körperöffnungen versteckt haben könnte“, sagt Sadegül Akalın. Ihr Parteikollegin Caize Yarici sei sogar im Zuge der Festnahme in ihrer eigenen Wohnung von der Polizei nackt durchsucht worden. „Ich wurde mit einer weiteren Aktivistin in Didim festgenommen. Auf der Wache mussten wir uns in einem Raum vollständig entblößen. Die Tür blieb einen Spalt offen, davor standen drei oder vier männliche Polizisten. Sie haben uns aufgefordert, drei Mal in die Hocke zu gehen und nach oben zu springen.“
Frauensolidarität Aydın: Frauen sind nicht allen
Die Frauenplattform in Aydın hat unterdessen den staatlichen Stellen den Kampf angesagt: „Für diejenigen, die es nicht gerne hören, wiederholen wir: Folter sowie jedwede Form der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ist verboten, ob in Haft, im Krieg oder im Ausnahmezustand. Die Nacktdurchsuchung gehört ebenfalls zu illegitimen Foltermethoden. Als Plattform Frauensolidarität Aydın stehen wir all unseren Komponenten und Freundinnen bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit bei. Wir Frauen werden auf unserem Weg niemals alleine sein.”
EGMR hat Türkei wegen Nacktdurchsuchung verurteilt
Das Thema der Nacktdurchsuchungen ist durch die Polizeiübergriffe auf die Studierenden der Boğaziçi-Universität erneut auf die Tagesordnung gelangt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits 2016 einen Fall von einer Nacktdurchsuchung in der Türkei als Rechtsverletzung verurteilt. Dies hielt das Regime in Ankara allerdings nicht davon ab, diese Praxis fortzusetzen.
Gergerlioğlu: Bewusste Bloßstellung der Opfer
Ende 2020 thematisierte der HDP-Abgeordnete und Arzt Ömer Faruk Gergerlioğlu die Nacktdurchsuchungen in staatlichem Gewahrsam. In der westtürkischen Provinz Uşak war es im September zu einer Festnahmeoperation gegen vermeintliche Mitglieder der als FETÖ („Fethullahistische Terrororganisation”) in der Türkei verfolgten Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gekommen. Etwa dreißig junge Frauen, größtenteils Studentinnen, wurden Gergerlioğlu zufolge im Polizeipräsidium erniedrigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen. Der Politiker war der erste, der von dem Skandal berichtete.
Daraufhin brachte der 55-jährige Mediziner die Vorwürfe mehrmals im Parlament sowie in der parlamentarischen Menschenrechtskommission zur Sprache. Gergerlioğlu wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass es in türkischen Polizeiwachen und Haftanstalten regelmäßig zu Maßnahmen wie teils gewalttätigen Nacktdurchsuchungen komme, die sowohl Gefangene als auch Angehörige betreffen, und deren Umstände eine bewusste Bloßstellung der Opfer nahelegten.